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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Substratum, ein mehr irdisches Treiben. Sie bedarf einer großen Masse und Mannigfaltigkeit unmittelbar sinnlicher Anschauung, die das Gemüth in sich aufnehmen und, durch eigene Kraft befruchtet, den Sinnen wie ein freies Kunstwerk wiedergeben soll. Der große Styl der heroischen Landschaft ist das Ergebniß einer tiefen Naturauffassung und jenes inneren geistigen Processes.

Allerdings ist die Natur in jedem Winkel der Erde ein Abglanz des Ganzen. Die Gestalten des Organismus wiederholen sich in anderen und anderen Verbindungen. Auch der eisige Norden erfreut sich Monate lang der krautbedeckten Erde, großblüthiger Alpenpflanzen und milder Himmelsbläue. Nur mit den einfacheren Gestalten der heimischen Floren vertraut, darum aber nicht ohne Tiefe des Gefühls und Fülle schöpferischer Einbildungskraft, hat bisher unter uns die Landschaftmalerei ihr anmuthiges Werk vollbracht. Bei dem Vaterländischen und dem Eingebürgerten des Pflanzenreichs verweilend, hat sie einen engeren Kreis durchlaufen; aber auch in diesem fanden hochbegabte Künstler, die Carracci, Gaspard Poussin, Claude Lorrain und Ruysdael Raum genug, um durch Wechsel der Baumgestalten und der Beleuchtung die glücklichsten und mannigfaltigsten Schöpfungen zauberisch hervorzurufen. Was die Kunst noch zu erwarten hat und worauf ich hindeuten mußte, um an den alten Bund des Naturwissens mit der Poesie und dem Kunstgefühl zu erinnern, wird den Ruhm jener Meisterwerke nicht schmälern; denn, wie wir schon oben bemerkt, in der Landschaftmalerei und in jedem anderen Zweige der Kunst ist zu unterscheiden zwischen dem, was beschränkterer Art die sinnliche Anschauung und die unmittelbare Beobachtung erzeugt,

Substratum, ein mehr irdisches Treiben. Sie bedarf einer großen Masse und Mannigfaltigkeit unmittelbar sinnlicher Anschauung, die das Gemüth in sich aufnehmen und, durch eigene Kraft befruchtet, den Sinnen wie ein freies Kunstwerk wiedergeben soll. Der große Styl der heroischen Landschaft ist das Ergebniß einer tiefen Naturauffassung und jenes inneren geistigen Processes.

Allerdings ist die Natur in jedem Winkel der Erde ein Abglanz des Ganzen. Die Gestalten des Organismus wiederholen sich in anderen und anderen Verbindungen. Auch der eisige Norden erfreut sich Monate lang der krautbedeckten Erde, großblüthiger Alpenpflanzen und milder Himmelsbläue. Nur mit den einfacheren Gestalten der heimischen Floren vertraut, darum aber nicht ohne Tiefe des Gefühls und Fülle schöpferischer Einbildungskraft, hat bisher unter uns die Landschaftmalerei ihr anmuthiges Werk vollbracht. Bei dem Vaterländischen und dem Eingebürgerten des Pflanzenreichs verweilend, hat sie einen engeren Kreis durchlaufen; aber auch in diesem fanden hochbegabte Künstler, die Carracci, Gaspard Poussin, Claude Lorrain und Ruysdael Raum genug, um durch Wechsel der Baumgestalten und der Beleuchtung die glücklichsten und mannigfaltigsten Schöpfungen zauberisch hervorzurufen. Was die Kunst noch zu erwarten hat und worauf ich hindeuten mußte, um an den alten Bund des Naturwissens mit der Poesie und dem Kunstgefühl zu erinnern, wird den Ruhm jener Meisterwerke nicht schmälern; denn, wie wir schon oben bemerkt, in der Landschaftmalerei und in jedem anderen Zweige der Kunst ist zu unterscheiden zwischen dem, was beschränkterer Art die sinnliche Anschauung und die unmittelbare Beobachtung erzeugt,

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[89/0094] Substratum, ein mehr irdisches Treiben. Sie bedarf einer großen Masse und Mannigfaltigkeit unmittelbar sinnlicher Anschauung, die das Gemüth in sich aufnehmen und, durch eigene Kraft befruchtet, den Sinnen wie ein freies Kunstwerk wiedergeben soll. Der große Styl der heroischen Landschaft ist das Ergebniß einer tiefen Naturauffassung und jenes inneren geistigen Processes. Allerdings ist die Natur in jedem Winkel der Erde ein Abglanz des Ganzen. Die Gestalten des Organismus wiederholen sich in anderen und anderen Verbindungen. Auch der eisige Norden erfreut sich Monate lang der krautbedeckten Erde, großblüthiger Alpenpflanzen und milder Himmelsbläue. Nur mit den einfacheren Gestalten der heimischen Floren vertraut, darum aber nicht ohne Tiefe des Gefühls und Fülle schöpferischer Einbildungskraft, hat bisher unter uns die Landschaftmalerei ihr anmuthiges Werk vollbracht. Bei dem Vaterländischen und dem Eingebürgerten des Pflanzenreichs verweilend, hat sie einen engeren Kreis durchlaufen; aber auch in diesem fanden hochbegabte Künstler, die Carracci, Gaspard Poussin, Claude Lorrain und Ruysdael Raum genug, um durch Wechsel der Baumgestalten und der Beleuchtung die glücklichsten und mannigfaltigsten Schöpfungen zauberisch hervorzurufen. Was die Kunst noch zu erwarten hat und worauf ich hindeuten mußte, um an den alten Bund des Naturwissens mit der Poesie und dem Kunstgefühl zu erinnern, wird den Ruhm jener Meisterwerke nicht schmälern; denn, wie wir schon oben bemerkt, in der Landschaftmalerei und in jedem anderen Zweige der Kunst ist zu unterscheiden zwischen dem, was beschränkterer Art die sinnliche Anschauung und die unmittelbare Beobachtung erzeugt,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/94>, abgerufen am 29.04.2024.