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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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Vorstellung vom Himmelsgebäude nach Philolaus unter den 10 göttlichen Körpern, welche um das Centralfeuer (den Weltheerd, estia) kreisen, "unmittelbar unter dem Fixsternhimmel" die fünf Planeten genannt4; ihnen folgten dann Sonne, Mond, Erde und die antikhthon (die Gegenerde). Selbst Ptolemäus redet immer nur noch von 5 Planeten. Die Aufzählung der Reihen von 7 Planeten, wie sie Julius Firmicus unter die Decane vertheilt5, wie sie der von mir an einem anderen Orte6 untersuchte Thierkreis des Bianchini (wahrscheinlich aus dem dritten Jahrhundert nach Chr.) darstellt und sie ägyptische Monumente aus den Zeiten der Cäsaren enthalten, gehört nicht der alten Astronomie, sondern den späteren Epochen an, in welchen die astrologischen Träumereien sich überall verbreitet hatten7. Daß der Mond in die Reihe der 7 Planeten gesetzt ward, muß uns nicht wundern, da von den Alten, wenn man eine denkwürdige Attractions-Ansicht des Anaxagoras (Kosmos Bd. II. S. 348 und 501 Anm. 27) ausnimmt, fast nie seiner näheren Abhängigkeit von der Erde gedacht wird. Dagegen sind nach einer Meinung über den Weltbau, welche Vitruvius8 und Martianus Capella9 anführen, ohne ihren Urheber zu nennen, Merkur und Venus, die wir untere Planeten nennen, Satelliten der, selbst um die Erde kreisenden Sonne. Ein solches System ist mit eben so wenig Grund ein ägyptisches10 zu nennen als mit den Ptolemäischen Epicykeln oder der Tychonischen Weltansicht zu verwechseln.

Die Namen, durch welche die sternartigen 5 Planeten bei den alten Völkern bezeichnet wurden, sind zweierlei Art: Götternamen; oder bedeutsame beschreibende, von physischen Eigenschaften hergenommene. Was ursprünglich davon

Vorstellung vom Himmelsgebäude nach Philolaus unter den 10 göttlichen Körpern, welche um das Centralfeuer (den Weltheerd, ἑστία) kreisen, „unmittelbar unter dem Fixsternhimmel“ die fünf Planeten genannt4; ihnen folgten dann Sonne, Mond, Erde und die ἀντίχθων (die Gegenerde). Selbst Ptolemäus redet immer nur noch von 5 Planeten. Die Aufzählung der Reihen von 7 Planeten, wie sie Julius Firmicus unter die Decane vertheilt5, wie sie der von mir an einem anderen Orte6 untersuchte Thierkreis des Bianchini (wahrscheinlich aus dem dritten Jahrhundert nach Chr.) darstellt und sie ägyptische Monumente aus den Zeiten der Cäsaren enthalten, gehört nicht der alten Astronomie, sondern den späteren Epochen an, in welchen die astrologischen Träumereien sich überall verbreitet hatten7. Daß der Mond in die Reihe der 7 Planeten gesetzt ward, muß uns nicht wundern, da von den Alten, wenn man eine denkwürdige Attractions-Ansicht des Anaxagoras (Kosmos Bd. II. S. 348 und 501 Anm. 27) ausnimmt, fast nie seiner näheren Abhängigkeit von der Erde gedacht wird. Dagegen sind nach einer Meinung über den Weltbau, welche Vitruvius8 und Martianus Capella9 anführen, ohne ihren Urheber zu nennen, Merkur und Venus, die wir untere Planeten nennen, Satelliten der, selbst um die Erde kreisenden Sonne. Ein solches System ist mit eben so wenig Grund ein ägyptisches10 zu nennen als mit den Ptolemäischen Epicykeln oder der Tychonischen Weltansicht zu verwechseln.

Die Namen, durch welche die sternartigen 5 Planeten bei den alten Völkern bezeichnet wurden, sind zweierlei Art: Götternamen; oder bedeutsame beschreibende, von physischen Eigenschaften hergenommene. Was ursprünglich davon

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[422/0427] Vorstellung vom Himmelsgebäude nach Philolaus unter den 10 göttlichen Körpern, welche um das Centralfeuer (den Weltheerd, ἑστία) kreisen, „unmittelbar unter dem Fixsternhimmel“ die fünf Planeten genannt ⁴ ; ihnen folgten dann Sonne, Mond, Erde und die ἀντίχθων (die Gegenerde). Selbst Ptolemäus redet immer nur noch von 5 Planeten. Die Aufzählung der Reihen von 7 Planeten, wie sie Julius Firmicus unter die Decane vertheilt ⁵ , wie sie der von mir an einem anderen Orte ⁶ untersuchte Thierkreis des Bianchini (wahrscheinlich aus dem dritten Jahrhundert nach Chr.) darstellt und sie ägyptische Monumente aus den Zeiten der Cäsaren enthalten, gehört nicht der alten Astronomie, sondern den späteren Epochen an, in welchen die astrologischen Träumereien sich überall verbreitet hatten ⁷ . Daß der Mond in die Reihe der 7 Planeten gesetzt ward, muß uns nicht wundern, da von den Alten, wenn man eine denkwürdige Attractions-Ansicht des Anaxagoras (Kosmos Bd. II. S. 348 und 501 Anm. 27) ausnimmt, fast nie seiner näheren Abhängigkeit von der Erde gedacht wird. Dagegen sind nach einer Meinung über den Weltbau, welche Vitruvius ⁸ und Martianus Capella ⁹ anführen, ohne ihren Urheber zu nennen, Merkur und Venus, die wir untere Planeten nennen, Satelliten der, selbst um die Erde kreisenden Sonne. Ein solches System ist mit eben so wenig Grund ein ägyptisches ¹⁰ zu nennen als mit den Ptolemäischen Epicykeln oder der Tychonischen Weltansicht zu verwechseln. Die Namen, durch welche die sternartigen 5 Planeten bei den alten Völkern bezeichnet wurden, sind zweierlei Art: Götternamen; oder bedeutsame beschreibende, von physischen Eigenschaften hergenommene. Was ursprünglich davon

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/427>, abgerufen am 29.04.2024.