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Humboldt, Alexander von: Ueber eine zweifache Prolification der Cardamie pratensis. In: Annalen der Botanick, Bd. 1 (1792), S. 5-7.

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I.
Eigene Abhandlungen und Aufsäze.


I.
Ueber eine zweifache Prolification der Cardamine
praetensis von F. A. v. Humboldt.

Unter den mannigfaltigen Erscheinungen, welche der
Bau der Blüthentheile uns darbietet, ist die Prolification
gewiss eine der auffallendsten und wundersamsten. Bey
den Syngenesisten, in denen die Natur die Fortpflan-
zungswerkzeuge so nahe an einander häuft, und eine
grössere Fülle des Saamenstoffs bereitet, beobachten
wir dieselbe am häufigsten. Die Gattungen Bellis, Ca-
lendula, Hieracium, geben Beyspiele davon, besonders
wenn sie durch Kultur verändert werden und dadurch
dem strengen Geseze*) das sie an eine ewig gleiche
Form bindet, weniger gehorchen. Unter den einfa-
chen Blumen sind die durchwachsenen seltener; doch
hat sie Tournefort schon bey dem Ranunculus, der
Anemone und wenigen anderen bemerkt. Von unse-

*) Einige organische Wesen sind mehr, andere weniger fest
an dieses Gesez geknüpft. Wie unter den Pflanzen die Ar-
ten der Rosa, Papauer, Hesperis, Cheiranthus, Malua &c.
läufig monströs sind, so sind es unter den Thieren die Rin-
der, Hausschweine, Hasen, Kaninchen und Hüner. Von den
natürl. Ordnungen der Papilionaceae, Stellatae und Verticillatae
hingegen (von denen Linne in der Philos. bot. p. 81. etwas
kühn sagt: flores luxuriantes exhibere nequeunt) kommen
Missgeburthen eben so selten vor als unter Pferden, wilden
Schweinen und Fischen.
I.
Eigene Abhandlungen und Aufſäze.


I.
Ueber eine zweifache Prolification der Cardamine
praetenſis von F. A. v. Humboldt.

Unter den mannigfaltigen Erſcheinungen, welche der
Bau der Blüthentheile uns darbietet, iſt die Prolification
gewiſs eine der auffallendſten und wunderſamſten. Bey
den Syngeneſiſten, in denen die Natur die Fortpflan-
zungswerkzeuge ſo nahe an einander häuft, und eine
gröſſere Fülle des Saamenſtoffs bereitet, beobachten
wir dieſelbe am häufigſten. Die Gattungen Bellis, Ca-
lendula, Hieracium, geben Beyſpiele davon, beſonders
wenn ſie durch Kultur verändert werden und dadurch
dem ſtrengen Geſeze*) das ſie an eine ewig gleiche
Form bindet, weniger gehorchen. Unter den einfa-
chen Blumen ſind die durchwachſenen ſeltener; doch
hat ſie Tournefort ſchon bey dem Ranunculus, der
Anemone und wenigen anderen bemerkt. Von unſe-

*) Einige organiſche Weſen ſind mehr, andere weniger feſt
an dieſes Geſez geknüpft. Wie unter den Pflanzen die Ar-
ten der Roſa, Papauer, Heſperis, Cheiranthus, Malua &c.
läufig monſtrös ſind, ſo ſind es unter den Thieren die Rin-
der, Hausſchweine, Haſen, Kaninchen und Hüner. Von den
natürl. Ordnungen der Papilionaceæ, Stellatæ und Verticillatæ
hingegen (von denen Linné in der Philos. bot. p. 81. etwas
kühn ſagt: flores luxuriantes exhibere nequeunt) kommen
Miſsgeburthen eben ſo ſelten vor als unter Pferden, wilden
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[5/0002] I. Eigene Abhandlungen und Aufſäze. I. Ueber eine zweifache Prolification der Cardamine praetenſis von F. A. v. Humboldt. Unter den mannigfaltigen Erſcheinungen, welche der Bau der Blüthentheile uns darbietet, iſt die Prolification gewiſs eine der auffallendſten und wunderſamſten. Bey den Syngeneſiſten, in denen die Natur die Fortpflan- zungswerkzeuge ſo nahe an einander häuft, und eine gröſſere Fülle des Saamenſtoffs bereitet, beobachten wir dieſelbe am häufigſten. Die Gattungen Bellis, Ca- lendula, Hieracium, geben Beyſpiele davon, beſonders wenn ſie durch Kultur verändert werden und dadurch dem ſtrengen Geſeze *) das ſie an eine ewig gleiche Form bindet, weniger gehorchen. Unter den einfa- chen Blumen ſind die durchwachſenen ſeltener; doch hat ſie Tournefort ſchon bey dem Ranunculus, der Anemone und wenigen anderen bemerkt. Von unſe- *) Einige organiſche Weſen ſind mehr, andere weniger feſt an dieſes Geſez geknüpft. Wie unter den Pflanzen die Ar- ten der Roſa, Papauer, Heſperis, Cheiranthus, Malua &c. läufig monſtrös ſind, ſo ſind es unter den Thieren die Rin- der, Hausſchweine, Haſen, Kaninchen und Hüner. Von den natürl. Ordnungen der Papilionaceæ, Stellatæ und Verticillatæ hingegen (von denen Linné in der Philos. bot. p. 81. etwas kühn ſagt: flores luxuriantes exhibere nequeunt) kommen Miſsgeburthen eben ſo ſelten vor als unter Pferden, wilden Schweinen und Fischen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber eine zweifache Prolification der Cardamie pratensis. In: Annalen der Botanick, Bd. 1 (1792), S. 5-7, hier S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_prolification_1792/2>, abgerufen am 28.03.2024.