Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62.

Bild:
<< vorherige Seite

Annalen etc., Oktober 1837. -- Länder- und Völkerkunde.
Expedition weder bis zu dem Jsthmus des Pimichin und des Rio
Negro, noch bis zum Casiquiare und zum oberen Orenoko, ober-
halb der Mündung des Atabapo, gebracht worden sind. Dies weite
Land, in dem vor meiner Reise keine genaue astronomische Beobach-
tungen angestellt worden sind, wurde zur Zeit Solano's nur von
einigen Soldaten durchstreift, die man auf Entdeckungen ausgeschickt
hatte, und Don Apollinarip de la Fuente, dessen Tagebücher ich aus
den Archiven der Provinz Quixos entnommen habe, sammelte, ohne
Kritik, aus den lügenhaften Erzählungen der Jndianer Alles, was
der Leichtglaübigkeit des Gouverneurs Centurion schmeicheln konnte.
Niemand von der Expedition hat einen See gesehen und Don
Apollinario konnte nur bis zu dem Cerro Yumariquin und zu dem
Gehette vordringen.

Nachdem ich für die ganze Ausdehnung des Landes, auf das
man den Forschungseifer der Reisenden zu lenken wünscht, eine
Theilungslinie festgestellt habe, die durch das Becken des Rio Branco
gebildet wird, bleibt mir noch die Bemerkung übrig, daß seit einem
Jahrhundert unsere geographische Kenntniß nicht westlich von die-
sem Thale, zwischen Long. 64° und 68°, vorgedrungen ist. Die
Versuche, welche die Regierung des Spanischen Guyana's nach und
nach seit der Expedition von Jturria und Solano gemacht hat, um
die Bergkette von Pacaraina zu erreichen und sie zu übersteigen,
haben wenig Erfolg gehabt. Jndem die Spanier in den Missionen
der Catalonischen Kapuziner von Barceloneta, am Zusammenflusse
des Caroni mit dem Rio Paragua, diesen letzteren Fluß bis zu sei-
ner Vereinigung mit dem Paraguamusi aufwärts gingen, haben sie
an diesem Vereinigungspunkte die Mission von Guirion gegründet,
die man pomphafterweise La Ciudad de Guirion nannte. Jch setze
diesen Punkt in ungefähr Lat. 41/2° N. Von da setzte der Gouver-
neur Centurion, durch die übertriebenen Erzählungen zweier Jn-
dianer-Haüptlinge, Paranacare und Arimuicaipi, von der mächti-
gen Nation der Jpurucotos, zur Aufsuchung des Dorado angeregt,
die damals sogenannten geistigen Eroberungen noch weiter
fort und gründete jenseits der Berge von Pacaraina die beiden

von Cumana 21/2° und für Puerto de Espanna auf der Jnsel Trinidad
1°. Die Tafeln von Delambre reducirten diese Fehler für den er-
steren Punkt auf 15', und für den letzteren auf 2' im Bogen. Dies
ist ein neües und schlagendes Beispiel, welchen Nutzen die Geogra-
phie aus der Bekanntmachung der astronomischen Beobachtungen selbst
ziehen kann.

Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde.
Expedition weder bis zu dem Jſthmus des Pimichin und des Rio
Negro, noch bis zum Caſiquiare und zum oberen Orenoko, ober-
halb der Muͤndung des Atabapo, gebracht worden ſind. Dies weite
Land, in dem vor meiner Reiſe keine genaue aſtronomiſche Beobach-
tungen angeſtellt worden ſind, wurde zur Zeit Solano's nur von
einigen Soldaten durchſtreift, die man auf Entdeckungen ausgeſchickt
hatte, und Don Apollinarip de la Fuente, deſſen Tagebuͤcher ich aus
den Archiven der Provinz Quixos entnommen habe, ſammelte, ohne
Kritik, aus den luͤgenhaften Erzaͤhlungen der Jndianer Alles, was
der Leichtglauͤbigkeit des Gouverneurs Centurion ſchmeicheln konnte.
Niemand von der Expedition hat einen See geſehen und Don
Apollinario konnte nur bis zu dem Cerro Yumariquin und zu dem
Gehette vordringen.

Nachdem ich fuͤr die ganze Ausdehnung des Landes, auf das
man den Forſchungseifer der Reiſenden zu lenken wuͤnſcht, eine
Theilungslinie feſtgeſtellt habe, die durch das Becken des Rio Branco
gebildet wird, bleibt mir noch die Bemerkung uͤbrig, daß ſeit einem
Jahrhundert unſere geographiſche Kenntniß nicht weſtlich von die-
ſem Thale, zwiſchen Long. 64° und 68°, vorgedrungen iſt. Die
Verſuche, welche die Regierung des Spaniſchen Guyana's nach und
nach ſeit der Expedition von Jturria und Solano gemacht hat, um
die Bergkette von Pacaraina zu erreichen und ſie zu uͤberſteigen,
haben wenig Erfolg gehabt. Jndem die Spanier in den Miſſionen
der Cataloniſchen Kapuziner von Barceloneta, am Zuſammenfluſſe
des Caroni mit dem Rio Paragua, dieſen letzteren Fluß bis zu ſei-
ner Vereinigung mit dem Paraguamuſi aufwaͤrts gingen, haben ſie
an dieſem Vereinigungspunkte die Miſſion von Guirion gegruͤndet,
die man pomphafterweiſe La Ciudad de Guirion nannte. Jch ſetze
dieſen Punkt in ungefaͤhr Lat. 4½° N. Von da ſetzte der Gouver-
neur Centurion, durch die uͤbertriebenen Erzaͤhlungen zweier Jn-
dianer-Hauͤptlinge, Paranacare und Arimuicaipi, von der maͤchti-
gen Nation der Jpurucotos, zur Aufſuchung des Dorado angeregt,
die damals ſogenannten geiſtigen Eroberungen noch weiter
fort und gruͤndete jenſeits der Berge von Pacaraina die beiden

von Cumana 2½° und fuͤr Puerto de Eſpaña auf der Jnſel Trinidad
1°. Die Tafeln von Delambre reducirten dieſe Fehler fuͤr den er-
ſteren Punkt auf 15′, und fuͤr den letzteren auf 2′ im Bogen. Dies
iſt ein neuͤes und ſchlagendes Beiſpiel, welchen Nutzen die Geogra-
phie aus der Bekanntmachung der aſtronomiſchen Beobachtungen ſelbſt
ziehen kann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0018" n="52"/><fw place="top" type="header">Annalen &#xA75B;c., Oktober 1837. &#x2014; La&#x0364;nder- und Vo&#x0364;lkerkunde.</fw><lb/>
Expedition weder bis zu dem J&#x017F;thmus des Pimichin und des Rio<lb/>
Negro, noch bis zum Ca&#x017F;iquiare und zum oberen Orenoko, ober-<lb/>
halb der Mu&#x0364;ndung des Atabapo, gebracht worden &#x017F;ind. Dies weite<lb/>
Land, in dem vor meiner Rei&#x017F;e keine genaue a&#x017F;tronomi&#x017F;che Beobach-<lb/>
tungen ange&#x017F;tellt worden &#x017F;ind, wurde zur Zeit Solano's nur von<lb/>
einigen Soldaten durch&#x017F;treift, die man auf Entdeckungen ausge&#x017F;chickt<lb/>
hatte, und Don Apollinarip de la Fuente, de&#x017F;&#x017F;en Tagebu&#x0364;cher ich aus<lb/>
den Archiven der Provinz Quixos entnommen habe, &#x017F;ammelte, ohne<lb/>
Kritik, aus den lu&#x0364;genhaften Erza&#x0364;hlungen der Jndianer Alles, was<lb/>
der Leichtglau&#x0364;bigkeit des Gouverneurs Centurion &#x017F;chmeicheln konnte.<lb/>
Niemand von der Expedition hat einen See ge&#x017F;ehen und Don<lb/>
Apollinario konnte nur bis zu dem Cerro Yumariquin und zu dem<lb/>
Gehette vordringen.</p><lb/>
          <p>Nachdem ich fu&#x0364;r die ganze Ausdehnung des Landes, auf das<lb/>
man den For&#x017F;chungseifer der Rei&#x017F;enden zu lenken wu&#x0364;n&#x017F;cht, eine<lb/>
Theilungslinie fe&#x017F;tge&#x017F;tellt habe, die durch das Becken des Rio Branco<lb/>
gebildet wird, bleibt mir noch die Bemerkung u&#x0364;brig, daß &#x017F;eit einem<lb/>
Jahrhundert un&#x017F;ere geographi&#x017F;che Kenntniß nicht we&#x017F;tlich von die-<lb/>
&#x017F;em Thale, zwi&#x017F;chen Long. 64° und 68°, vorgedrungen i&#x017F;t. Die<lb/>
Ver&#x017F;uche, welche die Regierung des Spani&#x017F;chen Guyana's nach und<lb/>
nach &#x017F;eit der Expedition von Jturria und Solano gemacht hat, um<lb/>
die Bergkette von Pacaraina zu erreichen und &#x017F;ie zu u&#x0364;ber&#x017F;teigen,<lb/>
haben wenig Erfolg gehabt. Jndem die Spanier in den Mi&#x017F;&#x017F;ionen<lb/>
der Cataloni&#x017F;chen Kapuziner von Barceloneta, am Zu&#x017F;ammenflu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Caroni mit dem Rio Paragua, die&#x017F;en letzteren Fluß bis zu &#x017F;ei-<lb/>
ner Vereinigung mit dem Paraguamu&#x017F;i aufwa&#x0364;rts gingen, haben &#x017F;ie<lb/>
an die&#x017F;em Vereinigungspunkte die Mi&#x017F;&#x017F;ion von Guirion gegru&#x0364;ndet,<lb/>
die man pomphafterwei&#x017F;e La Ciudad de Guirion nannte. Jch &#x017F;etze<lb/>
die&#x017F;en Punkt in ungefa&#x0364;hr Lat. 4½° N. Von da &#x017F;etzte der Gouver-<lb/>
neur Centurion, durch die u&#x0364;bertriebenen Erza&#x0364;hlungen zweier Jn-<lb/>
dianer-Hau&#x0364;ptlinge, Paranacare und Arimuicaipi, von der ma&#x0364;chti-<lb/>
gen Nation der Jpurucotos, zur Auf&#x017F;uchung des Dorado angeregt,<lb/>
die damals &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">gei&#x017F;tigen Eroberungen</hi> noch weiter<lb/>
fort und gru&#x0364;ndete jen&#x017F;eits der Berge von Pacaraina die beiden<lb/><note xml:id="fn5.1" prev="#fn5" place="foot" n="*)">von Cumana 2½° und fu&#x0364;r Puerto de E&#x017F;paña auf der Jn&#x017F;el Trinidad<lb/>
1<formula notation="TeX">\frac{2}{4}</formula>°. Die Tafeln von Delambre reducirten die&#x017F;e Fehler fu&#x0364;r den er-<lb/>
&#x017F;teren Punkt auf 15&#x2032;, und fu&#x0364;r den letzteren auf 2&#x2032; im Bogen. Dies<lb/>
i&#x017F;t ein neu&#x0364;es und &#x017F;chlagendes Bei&#x017F;piel, welchen Nutzen die Geogra-<lb/>
phie aus der Bekanntmachung der a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Beobachtungen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ziehen kann.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0018] Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde. Expedition weder bis zu dem Jſthmus des Pimichin und des Rio Negro, noch bis zum Caſiquiare und zum oberen Orenoko, ober- halb der Muͤndung des Atabapo, gebracht worden ſind. Dies weite Land, in dem vor meiner Reiſe keine genaue aſtronomiſche Beobach- tungen angeſtellt worden ſind, wurde zur Zeit Solano's nur von einigen Soldaten durchſtreift, die man auf Entdeckungen ausgeſchickt hatte, und Don Apollinarip de la Fuente, deſſen Tagebuͤcher ich aus den Archiven der Provinz Quixos entnommen habe, ſammelte, ohne Kritik, aus den luͤgenhaften Erzaͤhlungen der Jndianer Alles, was der Leichtglauͤbigkeit des Gouverneurs Centurion ſchmeicheln konnte. Niemand von der Expedition hat einen See geſehen und Don Apollinario konnte nur bis zu dem Cerro Yumariquin und zu dem Gehette vordringen. Nachdem ich fuͤr die ganze Ausdehnung des Landes, auf das man den Forſchungseifer der Reiſenden zu lenken wuͤnſcht, eine Theilungslinie feſtgeſtellt habe, die durch das Becken des Rio Branco gebildet wird, bleibt mir noch die Bemerkung uͤbrig, daß ſeit einem Jahrhundert unſere geographiſche Kenntniß nicht weſtlich von die- ſem Thale, zwiſchen Long. 64° und 68°, vorgedrungen iſt. Die Verſuche, welche die Regierung des Spaniſchen Guyana's nach und nach ſeit der Expedition von Jturria und Solano gemacht hat, um die Bergkette von Pacaraina zu erreichen und ſie zu uͤberſteigen, haben wenig Erfolg gehabt. Jndem die Spanier in den Miſſionen der Cataloniſchen Kapuziner von Barceloneta, am Zuſammenfluſſe des Caroni mit dem Rio Paragua, dieſen letzteren Fluß bis zu ſei- ner Vereinigung mit dem Paraguamuſi aufwaͤrts gingen, haben ſie an dieſem Vereinigungspunkte die Miſſion von Guirion gegruͤndet, die man pomphafterweiſe La Ciudad de Guirion nannte. Jch ſetze dieſen Punkt in ungefaͤhr Lat. 4½° N. Von da ſetzte der Gouver- neur Centurion, durch die uͤbertriebenen Erzaͤhlungen zweier Jn- dianer-Hauͤptlinge, Paranacare und Arimuicaipi, von der maͤchti- gen Nation der Jpurucotos, zur Aufſuchung des Dorado angeregt, die damals ſogenannten geiſtigen Eroberungen noch weiter fort und gruͤndete jenſeits der Berge von Pacaraina die beiden *) *) von Cumana 2½° und fuͤr Puerto de Eſpaña auf der Jnſel Trinidad 1[FORMEL]°. Die Tafeln von Delambre reducirten dieſe Fehler fuͤr den er- ſteren Punkt auf 15′, und fuͤr den letzteren auf 2′ im Bogen. Dies iſt ein neuͤes und ſchlagendes Beiſpiel, welchen Nutzen die Geogra- phie aus der Bekanntmachung der aſtronomiſchen Beobachtungen ſelbſt ziehen kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_punkte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_punkte_1837/18
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62, hier S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_punkte_1837/18>, abgerufen am 29.04.2024.