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Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62.

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Über die Geographie von Guyana.
im Jahre 1535 (nach den Berichten des Don Luis Daze) sogleich
in die Berge von Neü-Granada (Cundirumarca und Cundina-
marca) verlegt wurde, wo "ein Herr, dessen Körper mit Goldstaub
bedeckt war*), seine religiösen Abwaschungen in einem Alpensee
vornahm," ist seit der Expedition des Antonio de Berrio, Schwie-
gersohn des großen Adelantado Quesada, auf dem Casanare, Meta
und Orenoko, an die Hypothese eines großen Binnen-Sees ge-
knüpft worden, der seine Wasser zugleich dem Essequibo, Rio Branco
und Orenoko zusende. Jch glaube, es ist mir, durch eine genauere
Kenntniß der Örtlichkeit, durch ein langes und mühsames Studium
der Spanischen Schriftsteller, die von dem Dorado und dem Pa-
rime-Meer
handeln, und namentlich durch Vergleichung einer
großen Anzahl kronologisch geordneter Karten, gelungen, die Quelle
dieser Jrrthümer aufzufinden. Den Fabeln, welche sich an gewisse
Lokalitäten knüpfen, liegt gewöhnlich etwas Wahres zum Grunde;
die Fabel von dem Darado (d. h. von dem goldenen Manne,
del hombre dorado), gleicht jenen Mythen des Alterthums, die, von

Kap. 24. der Relation historique meiner Reise. (Th. II. pag.
674-712.)
*) Es ist dies derselbe, den Oviebo, in einem an den Kardinal Bembo
gerichteten Briefe, zu Gonzalo Pizarro sagen läßt, "daß er, vom
Kopf bis zu den Füßen mit Goldstaub bedeckt, a una figura d'ora
lavorata di mano d'un buonissimo artifice
gleiche, und daß der
goldene Herr (Seigneur d'ore), wegen der Unbequemlichkeit, die
ihm diese Art von Bekleidung, zu der er verdammt sei, ver-
ursache, haüfige Abwaschungen vornehme." Es ist mir wahrscheinlich,
daß dieser Ritus sich ursprünglich auf das kirchliche Oberhaupt von
Cundinamarca bezog, welches in Jraca (dem heütigen Sogamozo)
residirte und eine Art von Lama der Bochica- oder Jlacanzas-
Sekte war. Jch habe an einem anderen Orte untersucht, ob diese
Abwaschungen in der Laguna de Tota, östlich von Tunja (dem alten
Huncahua), wo das weltliche Oberhaupt von Cundinamarca resi-
dirte, oder in dem heiligen See von Guatavita, etwas süd-
lich von Bogota, statt fanden. Zu der Zeit, als in England mit
unüberlegtem Eifer sich Gesellschaften zur Bearbeitung der Bergwerke
Amerika's bildeten, sind einige Zeilen in meinen Vues des Cordil-
leres, Pl
. 67., worin die historische Thatsache mitgetheilt wird, "daß
im 16. Jahrhundert versucht worden sei, den See abzuleiten, um sich
der Schätze zu bemächtigen, die, nach der Tradition, die Einge-
bornen bei der Ankunft Quesada's darin sollten verborgen haben,"
zu meinem größten Bedauern und ohne mein Wissen, die Veranlas-
sung zu beträchtlichen Geld-Verlusten geworden.

Über die Geographie von Guyana.
im Jahre 1535 (nach den Berichten des Don Luis Daze) ſogleich
in die Berge von Neuͤ-Granada (Cundirumarca und Cundina-
marca) verlegt wurde, wo „ein Herr, deſſen Koͤrper mit Goldſtaub
bedeckt war*), ſeine religioͤſen Abwaſchungen in einem Alpenſee
vornahm,“ iſt ſeit der Expedition des Antonio de Berrio, Schwie-
gerſohn des großen Adelantado Queſada, auf dem Caſanare, Meta
und Orenoko, an die Hypotheſe eines großen Binnen-Sees ge-
knuͤpft worden, der ſeine Waſſer zugleich dem Eſſequibo, Rio Branco
und Orenoko zuſende. Jch glaube, es iſt mir, durch eine genauere
Kenntniß der Örtlichkeit, durch ein langes und muͤhſames Studium
der Spaniſchen Schriftſteller, die von dem Dorado und dem Pa-
rime-Meer
handeln, und namentlich durch Vergleichung einer
großen Anzahl kronologiſch geordneter Karten, gelungen, die Quelle
dieſer Jrrthuͤmer aufzufinden. Den Fabeln, welche ſich an gewiſſe
Lokalitaͤten knuͤpfen, liegt gewoͤhnlich etwas Wahres zum Grunde;
die Fabel von dem Darado (d. h. von dem goldenen Manne,
del hombre dorado), gleicht jenen Mythen des Alterthums, die, von

Kap. 24. der Relation historique meiner Reiſe. (Th. II. pag.
674–712.)
*) Es iſt dies derſelbe, den Oviebo, in einem an den Kardinal Bembo
gerichteten Briefe, zu Gonzalo Pizarro ſagen laͤßt, „daß er, vom
Kopf bis zu den Fuͤßen mit Goldſtaub bedeckt, a una figura d'ora
lavorata di mano d'un buonissimo artifice
gleiche, und daß der
goldene Herr (Seigneur d'oré), wegen der Unbequemlichkeit, die
ihm dieſe Art von Bekleidung, zu der er verdammt ſei, ver-
urſache, hauͤfige Abwaſchungen vornehme.“ Es iſt mir wahrſcheinlich,
daß dieſer Ritus ſich urſpruͤnglich auf das kirchliche Oberhaupt von
Cundinamarca bezog, welches in Jraca (dem heuͤtigen Sogamozo)
reſidirte und eine Art von Lama der Bochica- oder Jlacanzas-
Sekte war. Jch habe an einem anderen Orte unterſucht, ob dieſe
Abwaſchungen in der Laguna de Tota, oͤſtlich von Tunja (dem alten
Huncahua), wo das weltliche Oberhaupt von Cundinamarca reſi-
dirte, oder in dem heiligen See von Guatavita, etwas ſuͤd-
lich von Bogota, ſtatt fanden. Zu der Zeit, als in England mit
unuͤberlegtem Eifer ſich Geſellſchaften zur Bearbeitung der Bergwerke
Amerika's bildeten, ſind einige Zeilen in meinen Vues des Cordil-
lères, Pl
. 67., worin die hiſtoriſche Thatſache mitgetheilt wird, „daß
im 16. Jahrhundert verſucht worden ſei, den See abzuleiten, um ſich
der Schaͤtze zu bemaͤchtigen, die, nach der Tradition, die Einge-
bornen bei der Ankunft Queſada's darin ſollten verborgen haben,“
zu meinem groͤßten Bedauern und ohne mein Wiſſen, die Veranlaſ-
ſung zu betraͤchtlichen Geld-Verluſten geworden.
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[43/0009] Über die Geographie von Guyana. im Jahre 1535 (nach den Berichten des Don Luis Daze) ſogleich in die Berge von Neuͤ-Granada (Cundirumarca und Cundina- marca) verlegt wurde, wo „ein Herr, deſſen Koͤrper mit Goldſtaub bedeckt war *), ſeine religioͤſen Abwaſchungen in einem Alpenſee vornahm,“ iſt ſeit der Expedition des Antonio de Berrio, Schwie- gerſohn des großen Adelantado Queſada, auf dem Caſanare, Meta und Orenoko, an die Hypotheſe eines großen Binnen-Sees ge- knuͤpft worden, der ſeine Waſſer zugleich dem Eſſequibo, Rio Branco und Orenoko zuſende. Jch glaube, es iſt mir, durch eine genauere Kenntniß der Örtlichkeit, durch ein langes und muͤhſames Studium der Spaniſchen Schriftſteller, die von dem Dorado und dem Pa- rime-Meer handeln, und namentlich durch Vergleichung einer großen Anzahl kronologiſch geordneter Karten, gelungen, die Quelle dieſer Jrrthuͤmer aufzufinden. Den Fabeln, welche ſich an gewiſſe Lokalitaͤten knuͤpfen, liegt gewoͤhnlich etwas Wahres zum Grunde; die Fabel von dem Darado (d. h. von dem goldenen Manne, del hombre dorado), gleicht jenen Mythen des Alterthums, die, von *) *) Es iſt dies derſelbe, den Oviebo, in einem an den Kardinal Bembo gerichteten Briefe, zu Gonzalo Pizarro ſagen laͤßt, „daß er, vom Kopf bis zu den Fuͤßen mit Goldſtaub bedeckt, a una figura d'ora lavorata di mano d'un buonissimo artifice gleiche, und daß der goldene Herr (Seigneur d'oré), wegen der Unbequemlichkeit, die ihm dieſe Art von Bekleidung, zu der er verdammt ſei, ver- urſache, hauͤfige Abwaſchungen vornehme.“ Es iſt mir wahrſcheinlich, daß dieſer Ritus ſich urſpruͤnglich auf das kirchliche Oberhaupt von Cundinamarca bezog, welches in Jraca (dem heuͤtigen Sogamozo) reſidirte und eine Art von Lama der Bochica- oder Jlacanzas- Sekte war. Jch habe an einem anderen Orte unterſucht, ob dieſe Abwaſchungen in der Laguna de Tota, oͤſtlich von Tunja (dem alten Huncahua), wo das weltliche Oberhaupt von Cundinamarca reſi- dirte, oder in dem heiligen See von Guatavita, etwas ſuͤd- lich von Bogota, ſtatt fanden. Zu der Zeit, als in England mit unuͤberlegtem Eifer ſich Geſellſchaften zur Bearbeitung der Bergwerke Amerika's bildeten, ſind einige Zeilen in meinen Vues des Cordil- lères, Pl. 67., worin die hiſtoriſche Thatſache mitgetheilt wird, „daß im 16. Jahrhundert verſucht worden ſei, den See abzuleiten, um ſich der Schaͤtze zu bemaͤchtigen, die, nach der Tradition, die Einge- bornen bei der Ankunft Queſada's darin ſollten verborgen haben,“ zu meinem groͤßten Bedauern und ohne mein Wiſſen, die Veranlaſ- ſung zu betraͤchtlichen Geld-Verluſten geworden. *) Kap. 24. der Relation historique meiner Reiſe. (Th. II. pag. 674–712.)

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62, hier S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_punkte_1837/9>, abgerufen am 29.04.2024.