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Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 4, S. 310-329.

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Abhandlungen.
nicht. Bey dem ungeheuern Umfang dieses Erd-
strichs muss ich mich begnügen, mit groben Zügen
zu mahlen, und das Detail zu vermeiden, das Gezim-
mer der Erde, die Abdachung des Landes, die Rich-
tung und Neigung der Gebirgslagen, ihr relatives
Alter, ihre Aehnlichkeit mit den Bildungen in Eu-
ropa .... kenntlich zu machen. Diese Umstände
zu erfahren, ist das dringendste Bedürfniss der Wis-
senschaft; man muss sich in der Mineralogie orien-
tiren, wie man sich in der Geographie orientirt:
wir kennen Steine aber keine Berge; wir haben die
Materialien, aber wir kennen das Ganze nicht, von
dem sie Theile sind. Dürfte ich mir schmeicheln,
dass unter der Menge von Gegenständen, die mich
auf dieser Reise um die Welt beschäftigen, der Bau
der Erde durch meine Untersuchungen einiges Licht
erhalten werde! Die mühsamen Reisen, die ich
seit 8 Jahren in Europa gemacht habe, hatten kei-
nen andern als eben diesen Zweck, und wenn ich
das Glück haben werde, nach Europa zurückzu-
kehren und meine geologischen Manuscripte, die
ich in Teutschland und Frankreich zurückgelassen
habe, wieder unter die Hände zu bekommen, so
darf ich hoffen, mich an die Zeichnung eines Risses
vom Gezimmer der Erde wagen zu können. Es
wird sich dann zeigen, was ich schon lange gesagt
habe, dass die Richtung und Neigung, das Strei-
chen und Fallen der primitiven Erdlagen
, der
Winkel, den sie mit dem Meridian des Orts und
mit der Erdachse machen, unabhängig sey von der
Richtung und dem Abfall der Berge, und dass sie
sich nach Gesetzen richten, dass sie einen allgemei-
nen Parallelismus beobachten, der nur in der An-

ziehung

Abhandlungen.
nicht. Bey dem ungeheuern Umfang dieſes Erd-
ſtrichs muſs ich mich begnügen, mit groben Zügen
zu mahlen, und das Detail zu vermeiden, das Gezim-
mer der Erde, die Abdachung des Landes, die Rich-
tung und Neigung der Gebirgslagen, ihr relatives
Alter, ihre Aehnlichkeit mit den Bildungen in Eu-
ropa .... kenntlich zu machen. Dieſe Umſtände
zu erfahren, iſt das dringendſte Bedürfniſs der Wiſ-
ſenſchaft; man muſs ſich in der Mineralogie orien-
tiren, wie man ſich in der Geographie orientirt:
wir kennen Steine aber keine Berge; wir haben die
Materialien, aber wir kennen das Ganze nicht, von
dem ſie Theile ſind. Dürfte ich mir ſchmeicheln,
daſs unter der Menge von Gegenſtänden, die mich
auf dieſer Reiſe um die Welt beſchäftigen, der Bau
der Erde durch meine Unterſuchungen einiges Licht
erhalten werde! Die mühſamen Reiſen, die ich
ſeit 8 Jahren in Europa gemacht habe, hatten kei-
nen andern als eben dieſen Zweck, und wenn ich
das Glück haben werde, nach Europa zurückzu-
kehren und meine geologiſchen Manuſcripte, die
ich in Teutſchland und Frankreich zurückgelaſſen
habe, wieder unter die Hände zu bekommen, ſo
darf ich hoffen, mich an die Zeichnung eines Riſſes
vom Gezimmer der Erde wagen zu können. Es
wird ſich dann zeigen, was ich ſchon lange geſagt
habe, daſs die Richtung und Neigung, das Strei-
chen und Fallen der primitiven Erdlagen
, der
Winkel, den ſie mit dem Meridian des Orts und
mit der Erdachſe machen, unabhängig ſey von der
Richtung und dem Abfall der Berge, und daſs ſie
ſich nach Geſetzen richten, daſs ſie einen allgemei-
nen Parallelismus beobachten, der nur in der An-

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[312/0004] Abhandlungen. nicht. Bey dem ungeheuern Umfang dieſes Erd- ſtrichs muſs ich mich begnügen, mit groben Zügen zu mahlen, und das Detail zu vermeiden, das Gezim- mer der Erde, die Abdachung des Landes, die Rich- tung und Neigung der Gebirgslagen, ihr relatives Alter, ihre Aehnlichkeit mit den Bildungen in Eu- ropa .... kenntlich zu machen. Dieſe Umſtände zu erfahren, iſt das dringendſte Bedürfniſs der Wiſ- ſenſchaft; man muſs ſich in der Mineralogie orien- tiren, wie man ſich in der Geographie orientirt: wir kennen Steine aber keine Berge; wir haben die Materialien, aber wir kennen das Ganze nicht, von dem ſie Theile ſind. Dürfte ich mir ſchmeicheln, daſs unter der Menge von Gegenſtänden, die mich auf dieſer Reiſe um die Welt beſchäftigen, der Bau der Erde durch meine Unterſuchungen einiges Licht erhalten werde! Die mühſamen Reiſen, die ich ſeit 8 Jahren in Europa gemacht habe, hatten kei- nen andern als eben dieſen Zweck, und wenn ich das Glück haben werde, nach Europa zurückzu- kehren und meine geologiſchen Manuſcripte, die ich in Teutſchland und Frankreich zurückgelaſſen habe, wieder unter die Hände zu bekommen, ſo darf ich hoffen, mich an die Zeichnung eines Riſſes vom Gezimmer der Erde wagen zu können. Es wird ſich dann zeigen, was ich ſchon lange geſagt habe, daſs die Richtung und Neigung, das Strei- chen und Fallen der primitiven Erdlagen, der Winkel, den ſie mit dem Meridian des Orts und mit der Erdachſe machen, unabhängig ſey von der Richtung und dem Abfall der Berge, und daſs ſie ſich nach Geſetzen richten, daſs ſie einen allgemei- nen Parallelismus beobachten, der nur in der An- ziehung

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 4, S. 310-329, hier S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_skizze01_1802/4>, abgerufen am 28.03.2024.