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Humboldt, Alexander von: Vorwort von Alexander von Humboldt. In: Möllhausen, Balduin: Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Leipzig, 1858, S. [I]-VIII.

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entdeckt zu haben. Columbus hielt das Meer, welches den westlichen Theil von Vera-
gua bespült, für dem Gold-Chersones so nahe, dass er das Lagenverhältniss der
Provinz Ciguare in West-Veragua zum Puerto Retrete (Puerto Escrivanos[)] verglich mit
dem von "Venedig zu Pisa, oder von Tortosa an der Mündung des Ebro zu Fuenterabia
an der Bidassoa in Biscaya"; auch rechnete er von Ciguare bis zum Ganges (Gan-
gues
) nur 9 Tagereisen. Sehr beachtungswerth scheint mir dazu noch der Umstand, dass
heutiges Tages der Goldreichthum (las minas de la Aurea), welchen die Carta rarissima
des Columbus in den östlichen Theil Asiens setzt, in Californien, an der Westküste des
Neuen Continents, zu finden ist.

Eine übersichtliche Schilderung dieser Contraste zwischen der Jetzt- und Vor-
zeit, wie des grossen Gewinnes, welchen verständige Durchforschungen der Terra in-
cognita
des fernen Westens in dem Gebiete der Vereinigten Staaten der allgemeinen
Länderkenntniss noch für viele Jahrzehente werden darbieten können, ist der Haupt-
zweck dieses Vorwortes gewesen. Es bleibt mir am Schlusse desselben noch die ange-
nehme Pflicht zu erfüllen übrig, den Leser daran zu erinnern, dass der Verfasser des
nachfolgenden Reiseberichtes vom Mississippi und Arkansas zu den Ufern des Stillen
Meeres den Vortheil gehabt hat, durch eine frühere Reise nach dem Nebraska-Flusse
an das Leben unter Indianer-Stämmen lange gewöhnt zu sein. Nachdem er, der Sohn
eines preussischen Artillerie-Officiers, den Militairdienst im Vaterlande mit belobenden
Zeugnissen seiner Oberen verlassen, ging er, kaum 24 Jahre alt, nach dem westlichen
Theile der Vereinigten Staaten: unabhängig, allein; unwiderstehlich getrieben wie es
bei strebsamen und kräftigen Gemüthern vorzugsweise der Fall ist von einem unbe-
stimmten Hang nach der Ferne, nach dem Anblick einer wilden, freien Natur. Nahe
bei den Ufern des Mississippi erhielt er Kunde von dem schönen, vielversprechenden
naturhistorischen Unternehmen, das Sr. K. H. der Herzog Paul Wilhelm von
Württemberg
nach dem Felsengebirge (den Rocky Mountains) eben vorbereitete. Der
junge Mann bat um die Erlaubniss, sich diesem Unternehmen anschliessen zu dürfen,
und erhielt sie auf eine edle, wohlwollende Weise. Die Expedition gelangte ohne Un-
fall bis in die Gegend des Forts Laramie am Platte-Fluss, als grosse Unwegsamkeit
des Bodens, ein furchtbarer, allgemeines Augenübel erregender Schneefall, wiederholte
Raubanfälle der Eingeborenen und das Absterben der so nothwendigen Pferde den Her-
zog für jetzt zum Aufgeben des Unternehmens nöthigten. Von diesem getrennt, aber
sich anschliessend vorbeiziehenden Ottoe-Indianern, die ihn mit einem Pferde
versahen, wandte sich Herr Möllhausen nun nördlicher nach Bellevue, dermalen
dem Sitze einer Agentur und Niederlage des Pelzhandels. Nach einem dreimonatlichen
Aufenthalte und thätigen Jagdleben bei den Omahas schiffte er den Mississippi herab
und hatte die Freude, wieder mit dem Herzog Paul Wilhelm von Württemberg
zusammenzutreffen und in mehrfachen Excursionen an der Vermehrung der wichtigen
zoologischen Sammlungen dieses Fürsten mit zu arbeiten. Im J. 1852 schiffte er sich in

entdeckt zu haben. Columbus hielt das Meer, welches den westlichen Theil von Vera-
gua bespült, für dem Gold-Chersones so nahe, dass er das Lagenverhältniss der
Provinz Ciguare in West-Veragua zum Puerto Retrete (Puerto Escrivanos[)] verglich mit
dem von „Venedig zu Pisa, oder von Tortosa an der Mündung des Ebro zu Fuenterabia
an der Bidassoa in Biscaya“; auch rechnete er von Ciguare bis zum Ganges (Gan-
gues
) nur 9 Tagereisen. Sehr beachtungswerth scheint mir dazu noch der Umstand, dass
heutiges Tages der Goldreichthum (las minas de la Aurea), welchen die Carta rarissima
des Columbus in den östlichen Theil Asiens setzt, in Californien, an der Westküste des
Neuen Continents, zu finden ist.

Eine übersichtliche Schilderung dieser Contraste zwischen der Jetzt- und Vor-
zeit, wie des grossen Gewinnes, welchen verständige Durchforschungen der Terra in-
cognita
des fernen Westens in dem Gebiete der Vereinigten Staaten der allgemeinen
Länderkenntniss noch für viele Jahrzehente werden darbieten können, ist der Haupt-
zweck dieses Vorwortes gewesen. Es bleibt mir am Schlusse desselben noch die ange-
nehme Pflicht zu erfüllen übrig, den Leser daran zu erinnern, dass der Verfasser des
nachfolgenden Reiseberichtes vom Mississippi und Arkansas zu den Ufern des Stillen
Meeres den Vortheil gehabt hat, durch eine frühere Reise nach dem Nebraska-Flusse
an das Leben unter Indianer-Stämmen lange gewöhnt zu sein. Nachdem er, der Sohn
eines preussischen Artillerie-Officiers, den Militairdienst im Vaterlande mit belobenden
Zeugnissen seiner Oberen verlassen, ging er, kaum 24 Jahre alt, nach dem westlichen
Theile der Vereinigten Staaten: unabhängig, allein; unwiderstehlich getrieben wie es
bei strebsamen und kräftigen Gemüthern vorzugsweise der Fall ist von einem unbe-
stimmten Hang nach der Ferne, nach dem Anblick einer wilden, freien Natur. Nahe
bei den Ufern des Mississippi erhielt er Kunde von dem schönen, vielversprechenden
naturhistorischen Unternehmen, das Sr. K. H. der Herzog Paul Wilhelm von
Württemberg
nach dem Felsengebirge (den Rocky Mountains) eben vorbereitete. Der
junge Mann bat um die Erlaubniss, sich diesem Unternehmen anschliessen zu dürfen,
und erhielt sie auf eine edle, wohlwollende Weise. Die Expedition gelangte ohne Un-
fall bis in die Gegend des Forts Laramie am Platte-Fluss, als grosse Unwegsamkeit
des Bodens, ein furchtbarer, allgemeines Augenübel erregender Schneefall, wiederholte
Raubanfälle der Eingeborenen und das Absterben der so nothwendigen Pferde den Her-
zog für jetzt zum Aufgeben des Unternehmens nöthigten. Von diesem getrennt, aber
sich anschliessend vorbeiziehenden Ottoe-Indianern, die ihn mit einem Pferde
versahen, wandte sich Herr Möllhausen nun nördlicher nach Bellevue, dermalen
dem Sitze einer Agentur und Niederlage des Pelzhandels. Nach einem dreimonatlichen
Aufenthalte und thätigen Jagdleben bei den Omahas schiffte er den Mississippi herab
und hatte die Freude, wieder mit dem Herzog Paul Wilhelm von Württemberg
zusammenzutreffen und in mehrfachen Excursionen an der Vermehrung der wichtigen
zoologischen Sammlungen dieses Fürsten mit zu arbeiten. Im J. 1852 schiffte er sich in

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[VI/0008] entdeckt zu haben. Columbus hielt das Meer, welches den westlichen Theil von Vera- gua bespült, für dem Gold-Chersones so nahe, dass er das Lagenverhältniss der Provinz Ciguare in West-Veragua zum Puerto Retrete (Puerto Escrivanos) verglich mit dem von „Venedig zu Pisa, oder von Tortosa an der Mündung des Ebro zu Fuenterabia an der Bidassoa in Biscaya“; auch rechnete er von Ciguare bis zum Ganges (Gan- gues) nur 9 Tagereisen. Sehr beachtungswerth scheint mir dazu noch der Umstand, dass heutiges Tages der Goldreichthum (las minas de la Aurea), welchen die Carta rarissima des Columbus in den östlichen Theil Asiens setzt, in Californien, an der Westküste des Neuen Continents, zu finden ist. Eine übersichtliche Schilderung dieser Contraste zwischen der Jetzt- und Vor- zeit, wie des grossen Gewinnes, welchen verständige Durchforschungen der Terra in- cognita des fernen Westens in dem Gebiete der Vereinigten Staaten der allgemeinen Länderkenntniss noch für viele Jahrzehente werden darbieten können, ist der Haupt- zweck dieses Vorwortes gewesen. Es bleibt mir am Schlusse desselben noch die ange- nehme Pflicht zu erfüllen übrig, den Leser daran zu erinnern, dass der Verfasser des nachfolgenden Reiseberichtes vom Mississippi und Arkansas zu den Ufern des Stillen Meeres den Vortheil gehabt hat, durch eine frühere Reise nach dem Nebraska-Flusse an das Leben unter Indianer-Stämmen lange gewöhnt zu sein. Nachdem er, der Sohn eines preussischen Artillerie-Officiers, den Militairdienst im Vaterlande mit belobenden Zeugnissen seiner Oberen verlassen, ging er, kaum 24 Jahre alt, nach dem westlichen Theile der Vereinigten Staaten: unabhängig, allein; unwiderstehlich getrieben wie es bei strebsamen und kräftigen Gemüthern vorzugsweise der Fall ist von einem unbe- stimmten Hang nach der Ferne, nach dem Anblick einer wilden, freien Natur. Nahe bei den Ufern des Mississippi erhielt er Kunde von dem schönen, vielversprechenden naturhistorischen Unternehmen, das Sr. K. H. der Herzog Paul Wilhelm von Württemberg nach dem Felsengebirge (den Rocky Mountains) eben vorbereitete. Der junge Mann bat um die Erlaubniss, sich diesem Unternehmen anschliessen zu dürfen, und erhielt sie auf eine edle, wohlwollende Weise. Die Expedition gelangte ohne Un- fall bis in die Gegend des Forts Laramie am Platte-Fluss, als grosse Unwegsamkeit des Bodens, ein furchtbarer, allgemeines Augenübel erregender Schneefall, wiederholte Raubanfälle der Eingeborenen und das Absterben der so nothwendigen Pferde den Her- zog für jetzt zum Aufgeben des Unternehmens nöthigten. Von diesem getrennt, aber sich anschliessend vorbeiziehenden Ottoe-Indianern, die ihn mit einem Pferde versahen, wandte sich Herr Möllhausen nun nördlicher nach Bellevue, dermalen dem Sitze einer Agentur und Niederlage des Pelzhandels. Nach einem dreimonatlichen Aufenthalte und thätigen Jagdleben bei den Omahas schiffte er den Mississippi herab und hatte die Freude, wieder mit dem Herzog Paul Wilhelm von Württemberg zusammenzutreffen und in mehrfachen Excursionen an der Vermehrung der wichtigen zoologischen Sammlungen dieses Fürsten mit zu arbeiten. Im J. 1852 schiffte er sich in

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Vorwort von Alexander von Humboldt. In: Möllhausen, Balduin: Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Leipzig, 1858, S. [I]-VIII, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vorwort_1858/8>, abgerufen am 27.04.2024.