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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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herwissen konnte. Die Einsetzung einer mächtigen
Priesterkaste war für das sittliche und geistige Fort-
schreiten der Juden ein Unglück, so vortheilhaft sie
unter manchen Bedingungen hätte werden können.
Aus Eigennutz schloß diese Kaste die übrigen Stän-
de, nicht blos von den gottesdienstlichen Verrich-
tungen, sondern auch von aller wissenschaftlichen
Bildung aus. Dies konnte Moses nicht vorherse-
hen. Seine Absicht, als er eine zahlreiche Priester-
kaste anordnete und unter das ganze Volk vertheilte,
war vielleicht sehr würdig und edel. Diesen Prie-
stern waren große Einkünfte bewilligt, wodurch sie
in den Stand gesetzt wurden, ohne weltliche Be-
rufsgeschäfte ein sehr sorgenfreies und glückliches
Leben zu führen. Jhre Muße sollten sie auf ihre
eigene sittliche und geistige Vervollkommnung und
auf die ihrer Umgebungen wenden, denn zum Tem-
peldienst allein war eine so große Anzahl von Le-
viten nicht nöthig. Statt aber der Absicht des
Stifters zu entsprechen, suchten sie das, ohnehin
dumme und abergläubische Volk noch abergläubischer
und dümmer zu machen. Sehr naiv erzählt uns
der Verfasser des ersten Buchs Samuels Kap. 2.
V. 12 -- 16, wie listig und lustig zugleich Eli's
Söhne den Gott Jsraels um seine Speiseopfer be-
trogen, wofür ihr frommer Vater nachher von
Rechtswegen den Hals brach. Nicht besser machten
es, als Priester und Richter, die Söhne Samuels,

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herwiſſen konnte. Die Einſetzung einer maͤchtigen
Prieſterkaſte war fuͤr das ſittliche und geiſtige Fort-
ſchreiten der Juden ein Ungluͤck, ſo vortheilhaft ſie
unter manchen Bedingungen haͤtte werden koͤnnen.
Aus Eigennutz ſchloß dieſe Kaſte die uͤbrigen Staͤn-
de, nicht blos von den gottesdienſtlichen Verrich-
tungen, ſondern auch von aller wiſſenſchaftlichen
Bildung aus. Dies konnte Moſes nicht vorherſe-
hen. Seine Abſicht, als er eine zahlreiche Prieſter-
kaſte anordnete und unter das ganze Volk vertheilte,
war vielleicht ſehr wuͤrdig und edel. Dieſen Prie-
ſtern waren große Einkuͤnfte bewilligt, wodurch ſie
in den Stand geſetzt wurden, ohne weltliche Be-
rufsgeſchaͤfte ein ſehr ſorgenfreies und gluͤckliches
Leben zu fuͤhren. Jhre Muße ſollten ſie auf ihre
eigene ſittliche und geiſtige Vervollkommnung und
auf die ihrer Umgebungen wenden, denn zum Tem-
peldienſt allein war eine ſo große Anzahl von Le-
viten nicht noͤthig. Statt aber der Abſicht des
Stifters zu entſprechen, ſuchten ſie das, ohnehin
dumme und aberglaͤubiſche Volk noch aberglaͤubiſcher
und duͤmmer zu machen. Sehr naiv erzaͤhlt uns
der Verfaſſer des erſten Buchs Samuels Kap. 2.
V. 12 — 16, wie liſtig und luſtig zugleich Eli’s
Soͤhne den Gott Jſraels um ſeine Speiſeopfer be-
trogen, wofuͤr ihr frommer Vater nachher von
Rechtswegen den Hals brach. Nicht beſſer machten
es, als Prieſter und Richter, die Soͤhne Samuels,

2 *
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[19/0019] herwiſſen konnte. Die Einſetzung einer maͤchtigen Prieſterkaſte war fuͤr das ſittliche und geiſtige Fort- ſchreiten der Juden ein Ungluͤck, ſo vortheilhaft ſie unter manchen Bedingungen haͤtte werden koͤnnen. Aus Eigennutz ſchloß dieſe Kaſte die uͤbrigen Staͤn- de, nicht blos von den gottesdienſtlichen Verrich- tungen, ſondern auch von aller wiſſenſchaftlichen Bildung aus. Dies konnte Moſes nicht vorherſe- hen. Seine Abſicht, als er eine zahlreiche Prieſter- kaſte anordnete und unter das ganze Volk vertheilte, war vielleicht ſehr wuͤrdig und edel. Dieſen Prie- ſtern waren große Einkuͤnfte bewilligt, wodurch ſie in den Stand geſetzt wurden, ohne weltliche Be- rufsgeſchaͤfte ein ſehr ſorgenfreies und gluͤckliches Leben zu fuͤhren. Jhre Muße ſollten ſie auf ihre eigene ſittliche und geiſtige Vervollkommnung und auf die ihrer Umgebungen wenden, denn zum Tem- peldienſt allein war eine ſo große Anzahl von Le- viten nicht noͤthig. Statt aber der Abſicht des Stifters zu entſprechen, ſuchten ſie das, ohnehin dumme und aberglaͤubiſche Volk noch aberglaͤubiſcher und duͤmmer zu machen. Sehr naiv erzaͤhlt uns der Verfaſſer des erſten Buchs Samuels Kap. 2. V. 12 — 16, wie liſtig und luſtig zugleich Eli’s Soͤhne den Gott Jſraels um ſeine Speiſeopfer be- trogen, wofuͤr ihr frommer Vater nachher von Rechtswegen den Hals brach. Nicht beſſer machten es, als Prieſter und Richter, die Soͤhne Samuels, 2 *

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/19>, abgerufen am 26.04.2024.