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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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betrübenden Zustände in der bisherigen mangeln-
den sexuellen Erziehung zu suchen ist. Selbst die-
jenigen, die ursprünglich voller Entsetzen die Hände
über den Kopf zusammengeschlagen haben, daß
man der Jugend die Unschuld nehmen wolle, be-
ginnen einzusehen, daß es umgekehrt gilt, der
Jugend durch sexuelle Erziehung die Unschuld zu
bewahren.

Wie die Aufklärung zu gestalten ist, wann und
wie sie zu beginnen hat, wie sie weitergeführt
werden soll, von wem sie erteilt werden soll, ob
Haus, Arzt oder Schule dafür am geeignetsten sind,
das ist die Frage.

Meines Erachtens ist die Schule am ge-
eignetsten dazu, weil der naturwissenschaftliche
Unterricht als Grundlage der Sexualerziehung
dienen muß. Das Haus muß in engster Fühlung
mit der Schule sein und ergänzend wirken. Die
ihrem Kinde innig verbundene Mutter muß in un-
befangener, ernst und sachlicher weise, wenn die
Gelegenheit sich ihr darbietet, der Schule vor-
arbeiten oder sie ergänzen. Der Arzt ist bei
kleineren Kindern hierzu am ungeeignetsten, weil
er die Jndividualität des Kindes viel weniger als
Mutter oder Lehrer kennt und ihm auch selten
nahesteht. Ein gesundes Kind hat wenig Gelegen-
heit hierzu. Schule und Haus sind die prädestinier-
ten Faktoren hierfür. Einen methodisch auf-

betrübenden Zustände in der bisherigen mangeln-
den sexuellen Erziehung zu suchen ist. Selbst die-
jenigen, die ursprünglich voller Entsetzen die Hände
über den Kopf zusammengeschlagen haben, daß
man der Jugend die Unschuld nehmen wolle, be-
ginnen einzusehen, daß es umgekehrt gilt, der
Jugend durch sexuelle Erziehung die Unschuld zu
bewahren.

Wie die Aufklärung zu gestalten ist, wann und
wie sie zu beginnen hat, wie sie weitergeführt
werden soll, von wem sie erteilt werden soll, ob
Haus, Arzt oder Schule dafür am geeignetsten sind,
das ist die Frage.

Meines Erachtens ist die Schule am ge-
eignetsten dazu, weil der naturwissenschaftliche
Unterricht als Grundlage der Sexualerziehung
dienen muß. Das Haus muß in engster Fühlung
mit der Schule sein und ergänzend wirken. Die
ihrem Kinde innig verbundene Mutter muß in un-
befangener, ernst und sachlicher weise, wenn die
Gelegenheit sich ihr darbietet, der Schule vor-
arbeiten oder sie ergänzen. Der Arzt ist bei
kleineren Kindern hierzu am ungeeignetsten, weil
er die Jndividualität des Kindes viel weniger als
Mutter oder Lehrer kennt und ihm auch selten
nahesteht. Ein gesundes Kind hat wenig Gelegen-
heit hierzu. Schule und Haus sind die prädestinier-
ten Faktoren hierfür. Einen methodisch auf-

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[175/0179] betrübenden Zustände in der bisherigen mangeln- den sexuellen Erziehung zu suchen ist. Selbst die- jenigen, die ursprünglich voller Entsetzen die Hände über den Kopf zusammengeschlagen haben, daß man der Jugend die Unschuld nehmen wolle, be- ginnen einzusehen, daß es umgekehrt gilt, der Jugend durch sexuelle Erziehung die Unschuld zu bewahren. Wie die Aufklärung zu gestalten ist, wann und wie sie zu beginnen hat, wie sie weitergeführt werden soll, von wem sie erteilt werden soll, ob Haus, Arzt oder Schule dafür am geeignetsten sind, das ist die Frage. Meines Erachtens ist die Schule am ge- eignetsten dazu, weil der naturwissenschaftliche Unterricht als Grundlage der Sexualerziehung dienen muß. Das Haus muß in engster Fühlung mit der Schule sein und ergänzend wirken. Die ihrem Kinde innig verbundene Mutter muß in un- befangener, ernst und sachlicher weise, wenn die Gelegenheit sich ihr darbietet, der Schule vor- arbeiten oder sie ergänzen. Der Arzt ist bei kleineren Kindern hierzu am ungeeignetsten, weil er die Jndividualität des Kindes viel weniger als Mutter oder Lehrer kennt und ihm auch selten nahesteht. Ein gesundes Kind hat wenig Gelegen- heit hierzu. Schule und Haus sind die prädestinier- ten Faktoren hierfür. Einen methodisch auf-

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/179>, abgerufen am 26.04.2024.