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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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das Eigenthum aller seiner Mitbrüder gewesen
seien.

Mit dem Fräulein gestaltete sich das Verhält-
niß des Gastes bald gründlich und tief in das
zarte Verstehen ohne Worte aus, welches unsere
sinnigen und hochstehenden Frauen so sehr lieben.
Wenn sie ihm zuflüsterte, ein unaussprechliches
Etwas durchwoge sie, so versicherte er, daß
er sie vollkommen begreife; und konnte sie für
den Drang ihrer Empfindungen nur Vordersätze
ohne Nachsätze finden, so ließ er sie ahnen, daß
Letztere in seiner verschwiegenen Seele ausgespro-
chen ruhten. Daneben erquickten sie die glänzenden
Schilderungen, welche er von fremden Gegenden
gab, im Grunde ihres Herzens, und bis zur
Schwärmerei stieg ihre Regung, wenn er die vier-
undzwanzigsylbigen Namen, welche in Mexico,
Peru oder Indien gebräuchlich sind, aussprach.

Zwar fühlte auch sie sich jezuweilen durch ihn
verwundet. In dem Glauben nämlich, ihr dadurch
nur noch um so mehr zu gefallen, sprach er eini-
gemale seine Meinung aus, daß nur das Weib
ihren Empfindungen treu bleibe, bei dem Manne
aber der Spruch gelte: Aus den Augen, aus dem

Immermann's Münchhausen. 1. Th. 13

das Eigenthum aller ſeiner Mitbrüder geweſen
ſeien.

Mit dem Fräulein geſtaltete ſich das Verhält-
niß des Gaſtes bald gründlich und tief in das
zarte Verſtehen ohne Worte aus, welches unſere
ſinnigen und hochſtehenden Frauen ſo ſehr lieben.
Wenn ſie ihm zuflüſterte, ein unausſprechliches
Etwas durchwoge ſie, ſo verſicherte er, daß
er ſie vollkommen begreife; und konnte ſie für
den Drang ihrer Empfindungen nur Vorderſätze
ohne Nachſätze finden, ſo ließ er ſie ahnen, daß
Letztere in ſeiner verſchwiegenen Seele ausgeſpro-
chen ruhten. Daneben erquickten ſie die glänzenden
Schilderungen, welche er von fremden Gegenden
gab, im Grunde ihres Herzens, und bis zur
Schwärmerei ſtieg ihre Regung, wenn er die vier-
undzwanzigſylbigen Namen, welche in Mexico,
Peru oder Indien gebräuchlich ſind, ausſprach.

Zwar fühlte auch ſie ſich jezuweilen durch ihn
verwundet. In dem Glauben nämlich, ihr dadurch
nur noch um ſo mehr zu gefallen, ſprach er eini-
gemale ſeine Meinung aus, daß nur das Weib
ihren Empfindungen treu bleibe, bei dem Manne
aber der Spruch gelte: Aus den Augen, aus dem

Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 13
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[193/0201] das Eigenthum aller ſeiner Mitbrüder geweſen ſeien. Mit dem Fräulein geſtaltete ſich das Verhält- niß des Gaſtes bald gründlich und tief in das zarte Verſtehen ohne Worte aus, welches unſere ſinnigen und hochſtehenden Frauen ſo ſehr lieben. Wenn ſie ihm zuflüſterte, ein unausſprechliches Etwas durchwoge ſie, ſo verſicherte er, daß er ſie vollkommen begreife; und konnte ſie für den Drang ihrer Empfindungen nur Vorderſätze ohne Nachſätze finden, ſo ließ er ſie ahnen, daß Letztere in ſeiner verſchwiegenen Seele ausgeſpro- chen ruhten. Daneben erquickten ſie die glänzenden Schilderungen, welche er von fremden Gegenden gab, im Grunde ihres Herzens, und bis zur Schwärmerei ſtieg ihre Regung, wenn er die vier- undzwanzigſylbigen Namen, welche in Mexico, Peru oder Indien gebräuchlich ſind, ausſprach. Zwar fühlte auch ſie ſich jezuweilen durch ihn verwundet. In dem Glauben nämlich, ihr dadurch nur noch um ſo mehr zu gefallen, ſprach er eini- gemale ſeine Meinung aus, daß nur das Weib ihren Empfindungen treu bleibe, bei dem Manne aber der Spruch gelte: Aus den Augen, aus dem Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 13

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/201>, abgerufen am 30.04.2024.