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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Die Hostie der heiligen Catharina, nach Gör-
res; sagte Münchhausen. Ich habe mir im Her-
zogthume Dünkelblasenheim einmal den Landesorden
ersehnt; d. h. ich habe nicht sehnsuchtsvoll, wiewohl
vergebens, danach geseufzt, sondern ihn realiter
an meinen Rock herbeigesehnt. Der Herzog ist
ein guter alter Mann, seine Bildung datirt noch
von Gellerts Fabeln, darüber ist er nicht hinaus-
gekommen, und in heiterer Rückerinnerung an dieses
kindliche Lehrmittel hat er den Orden vom grünen
Esel gestiftet, mit Comthuren, Großkreuzen und
Kleinkreuzen. Der Esel frißt in einer Umkrän-
zung von Sternen Disteln, und die Ordensdevise
lautet: l'appetit vient en mangeant. Nun, nach
diesem grünen Eselorden verlangte ich heftig, denn
man war in Dünkelblasenheim kaum noch bei'm
Wege angesehen, wenn man nicht zu den Eseln
gehörte; so wurden die Ritter nach einer abkür-
zenden Redefigur benannt. Eines Morgens kommt
mein damaliger Stiefelputzer Kalinsky vor mein
Bette, hält mir den Frack, der in der Stube
gehangen hatte, ausgespreitet unter die Augen und
ruft: Herr von Münchhausen, Sie sind über
Nacht auch ein Esel geworden. Ich sehe hin und

Die Hoſtie der heiligen Catharina, nach Gör-
res; ſagte Münchhauſen. Ich habe mir im Her-
zogthume Dünkelblaſenheim einmal den Landesorden
erſehnt; d. h. ich habe nicht ſehnſuchtsvoll, wiewohl
vergebens, danach geſeufzt, ſondern ihn realiter
an meinen Rock herbeigeſehnt. Der Herzog iſt
ein guter alter Mann, ſeine Bildung datirt noch
von Gellerts Fabeln, darüber iſt er nicht hinaus-
gekommen, und in heiterer Rückerinnerung an dieſes
kindliche Lehrmittel hat er den Orden vom grünen
Eſel geſtiftet, mit Comthuren, Großkreuzen und
Kleinkreuzen. Der Eſel frißt in einer Umkrän-
zung von Sternen Diſteln, und die Ordensdeviſe
lautet: l’appetit vient en mangeant. Nun, nach
dieſem grünen Eſelorden verlangte ich heftig, denn
man war in Dünkelblaſenheim kaum noch bei’m
Wege angeſehen, wenn man nicht zu den Eſeln
gehörte; ſo wurden die Ritter nach einer abkür-
zenden Redefigur benannt. Eines Morgens kommt
mein damaliger Stiefelputzer Kalinsky vor mein
Bette, hält mir den Frack, der in der Stube
gehangen hatte, ausgeſpreitet unter die Augen und
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[200/0208] Die Hoſtie der heiligen Catharina, nach Gör- res; ſagte Münchhauſen. Ich habe mir im Her- zogthume Dünkelblaſenheim einmal den Landesorden erſehnt; d. h. ich habe nicht ſehnſuchtsvoll, wiewohl vergebens, danach geſeufzt, ſondern ihn realiter an meinen Rock herbeigeſehnt. Der Herzog iſt ein guter alter Mann, ſeine Bildung datirt noch von Gellerts Fabeln, darüber iſt er nicht hinaus- gekommen, und in heiterer Rückerinnerung an dieſes kindliche Lehrmittel hat er den Orden vom grünen Eſel geſtiftet, mit Comthuren, Großkreuzen und Kleinkreuzen. Der Eſel frißt in einer Umkrän- zung von Sternen Diſteln, und die Ordensdeviſe lautet: l’appetit vient en mangeant. Nun, nach dieſem grünen Eſelorden verlangte ich heftig, denn man war in Dünkelblaſenheim kaum noch bei’m Wege angeſehen, wenn man nicht zu den Eſeln gehörte; ſo wurden die Ritter nach einer abkür- zenden Redefigur benannt. Eines Morgens kommt mein damaliger Stiefelputzer Kalinsky vor mein Bette, hält mir den Frack, der in der Stube gehangen hatte, ausgeſpreitet unter die Augen und ruft: Herr von Münchhauſen, Sie ſind über Nacht auch ein Eſel geworden. Ich ſehe hin und

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/208>, abgerufen am 30.04.2024.