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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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erstaune denn doch ein wenig, denn richtig sitzt im
dritten Knopfloch das changeante Band, und daran
hängt das Kreuz mit dem Distelfreunde und der
Devise. Ich springe aus dem Bette, erkundige
mich im Hause, ob Jemand sich habe einschleichen
und den Spaß verüben können? Aber die Thüre
war die ganze Nacht über fest verschlossen gewesen,
Kalinsky war der Erste, der von außen kam.

Der Orden ist da, wo aber stecken deine Ver-
dienste? frage ich mich selbst. Hast du irgend
Verdienste um Dünkelblasenheim? Ich prüfte auf
das Ernsteste mein Gewissen; ich lös'te die letzt-
gedachte Hauptfrage in sechs Unterfragen auf:



Aber auf alle Fragen und Unterfragen mußte
ich mir mit Nein! antworten. Ich hatte kein
Verdienst, gar kein Verdienst, nicht das geringste
Verdienst um jenen Staat. Um andere Staaten
habe ich mir Verdienste erworben, aber nicht um
Dünkelblasenheim. Ich lüge Ihnen nichts vor, mein
Wahlspruch ist: la verite, toute la verite, rien
que la verite.

Und der Orden war doch da. Also abermals
eine Erfahrung von der mystischen Kraft der reinen

erſtaune denn doch ein wenig, denn richtig ſitzt im
dritten Knopfloch das changeante Band, und daran
hängt das Kreuz mit dem Diſtelfreunde und der
Deviſe. Ich ſpringe aus dem Bette, erkundige
mich im Hauſe, ob Jemand ſich habe einſchleichen
und den Spaß verüben können? Aber die Thüre
war die ganze Nacht über feſt verſchloſſen geweſen,
Kalinsky war der Erſte, der von außen kam.

Der Orden iſt da, wo aber ſtecken deine Ver-
dienſte? frage ich mich ſelbſt. Haſt du irgend
Verdienſte um Dünkelblaſenheim? Ich prüfte auf
das Ernſteſte mein Gewiſſen; ich löſ’te die letzt-
gedachte Hauptfrage in ſechs Unterfragen auf:



Aber auf alle Fragen und Unterfragen mußte
ich mir mit Nein! antworten. Ich hatte kein
Verdienſt, gar kein Verdienſt, nicht das geringſte
Verdienſt um jenen Staat. Um andere Staaten
habe ich mir Verdienſte erworben, aber nicht um
Dünkelblaſenheim. Ich lüge Ihnen nichts vor, mein
Wahlſpruch iſt: la verité, toute la verité, rien
que la verité.

Und der Orden war doch da. Alſo abermals
eine Erfahrung von der myſtiſchen Kraft der reinen

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[201/0209] erſtaune denn doch ein wenig, denn richtig ſitzt im dritten Knopfloch das changeante Band, und daran hängt das Kreuz mit dem Diſtelfreunde und der Deviſe. Ich ſpringe aus dem Bette, erkundige mich im Hauſe, ob Jemand ſich habe einſchleichen und den Spaß verüben können? Aber die Thüre war die ganze Nacht über feſt verſchloſſen geweſen, Kalinsky war der Erſte, der von außen kam. Der Orden iſt da, wo aber ſtecken deine Ver- dienſte? frage ich mich ſelbſt. Haſt du irgend Verdienſte um Dünkelblaſenheim? Ich prüfte auf das Ernſteſte mein Gewiſſen; ich löſ’te die letzt- gedachte Hauptfrage in ſechs Unterfragen auf: Aber auf alle Fragen und Unterfragen mußte ich mir mit Nein! antworten. Ich hatte kein Verdienſt, gar kein Verdienſt, nicht das geringſte Verdienſt um jenen Staat. Um andere Staaten habe ich mir Verdienſte erworben, aber nicht um Dünkelblaſenheim. Ich lüge Ihnen nichts vor, mein Wahlſpruch iſt: la verité, toute la verité, rien que la verité. Und der Orden war doch da. Alſo abermals eine Erfahrung von der myſtiſchen Kraft der reinen

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/209>, abgerufen am 30.04.2024.