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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Wenn doch die Zeiten der Görres'schen Wun-
der ganz wiederkehrten, so könnte man ja fast
alle Haushaltungsbedürfnisse mit einem seiner Hei-
ligen bestreiten, und ersparte hundert Auslagen,
die das Leben jetzt so sehr vertheuern! Ein Gör-
res'scher Heiliger heizte uns das Zimmer durch,
gäbe Oel, unten fettes, oben flüchtiges, ein Paar-
mal im Jahre auch eine Schüssel Manna ...

Guter, schuldloser Vater! sagte Emerentia und
blickte ihren Vater mitleidig an. -- Ob es je
dahin wieder kommen wird, weiß ich nicht, sagte
Münchhausen, aber mit dem Görres'schen Buche
habe ich selbst mein dreifarbiges Wunder erlebt.

Der Schulmeister war hinausgegangen. Ihm
machten diese Erzählungen große Beschwerlichkeit,
denn er war entschiedner Rationalist. Der Baron
und seine Tochter forderten den Freiherrn dringend
auf, das dreifarbige Wunder zu berichten, und
Münchhausen hob wieder an:

Geschätzte Freunde und Zuhörer, wissen Sie
hiemit, daß ich das vielbelobte christlich-mystische
Buch auf meinem Bücherbrette neben dem Leben
Jesu von Strauß stehen hatte. Doctis pauca
sufficiunt;
Gelehrten ist gut predigen, ich brauche

Wenn doch die Zeiten der Görres’ſchen Wun-
der ganz wiederkehrten, ſo könnte man ja faſt
alle Haushaltungsbedürfniſſe mit einem ſeiner Hei-
ligen beſtreiten, und erſparte hundert Auslagen,
die das Leben jetzt ſo ſehr vertheuern! Ein Gör-
res’ſcher Heiliger heizte uns das Zimmer durch,
gäbe Oel, unten fettes, oben flüchtiges, ein Paar-
mal im Jahre auch eine Schüſſel Manna …

Guter, ſchuldloſer Vater! ſagte Emerentia und
blickte ihren Vater mitleidig an. — Ob es je
dahin wieder kommen wird, weiß ich nicht, ſagte
Münchhauſen, aber mit dem Görres’ſchen Buche
habe ich ſelbſt mein dreifarbiges Wunder erlebt.

Der Schulmeiſter war hinausgegangen. Ihm
machten dieſe Erzählungen große Beſchwerlichkeit,
denn er war entſchiedner Rationaliſt. Der Baron
und ſeine Tochter forderten den Freiherrn dringend
auf, das dreifarbige Wunder zu berichten, und
Münchhauſen hob wieder an:

Geſchätzte Freunde und Zuhörer, wiſſen Sie
hiemit, daß ich das vielbelobte chriſtlich-myſtiſche
Buch auf meinem Bücherbrette neben dem Leben
Jeſu von Strauß ſtehen hatte. Doctis pauca
sufficiunt;
Gelehrten iſt gut predigen, ich brauche

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[205/0213] Wenn doch die Zeiten der Görres’ſchen Wun- der ganz wiederkehrten, ſo könnte man ja faſt alle Haushaltungsbedürfniſſe mit einem ſeiner Hei- ligen beſtreiten, und erſparte hundert Auslagen, die das Leben jetzt ſo ſehr vertheuern! Ein Gör- res’ſcher Heiliger heizte uns das Zimmer durch, gäbe Oel, unten fettes, oben flüchtiges, ein Paar- mal im Jahre auch eine Schüſſel Manna … Guter, ſchuldloſer Vater! ſagte Emerentia und blickte ihren Vater mitleidig an. — Ob es je dahin wieder kommen wird, weiß ich nicht, ſagte Münchhauſen, aber mit dem Görres’ſchen Buche habe ich ſelbſt mein dreifarbiges Wunder erlebt. Der Schulmeiſter war hinausgegangen. Ihm machten dieſe Erzählungen große Beſchwerlichkeit, denn er war entſchiedner Rationaliſt. Der Baron und ſeine Tochter forderten den Freiherrn dringend auf, das dreifarbige Wunder zu berichten, und Münchhauſen hob wieder an: Geſchätzte Freunde und Zuhörer, wiſſen Sie hiemit, daß ich das vielbelobte chriſtlich-myſtiſche Buch auf meinem Bücherbrette neben dem Leben Jeſu von Strauß ſtehen hatte. Doctis pauca sufficiunt; Gelehrten iſt gut predigen, ich brauche

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/213>, abgerufen am 30.04.2024.