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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Ihnen, mein würdiger Altvater und Schloßherr,
nicht des Breiteren den Inhalt der letzteren Schrift
auseinander zu setzen, denn es ist Ihnen aus
Ihrer Journallectüre bekannt, daß, wie der christ-
liche Mystiker noch bis auf die neueste Zeit die
Nägelmaale sich hat reproduciren lassen, der Andere
dagegen dem Heilande nicht einmal sein Daseyn
in den Evangelien gönnt, sondern behauptet, die
apostolische Kirche sei eine Art von Actiengesell-
schaft gewesen, die sich den Erlöser auf gemein-
schaftliche Kosten angeschafft habe, weil sie ihn
bedurft. -- Es war unvorsichtig von mir, daß ich
zwei so widerhaarige Bücher zusammengestellt hatte;
ich mußte voraussehen, daß sie sich nicht vertragen
würden. Und so kam es auch. Eines Nachts
wache ich von einem sonderbaren Geräusch auf,
welches aus meiner Bibliothek tönt. Ich nehme
die Kerze, leuchte hin, und habe einen seltsamen
Anblick. Strauß und Görres sind in wüthendem
Kampfe begriffen, nämlich so, daß die beiden ein-
ander zugekehrten Buchdeckel auf einander zu schlagen,
wie die Flügel erboster Truthähne. Der Kirchen-
rath Paulus, Stäudel, Marheineke, selbst Tholuck,
die rechts und links von diesen beiden Werken

Ihnen, mein würdiger Altvater und Schloßherr,
nicht des Breiteren den Inhalt der letzteren Schrift
auseinander zu ſetzen, denn es iſt Ihnen aus
Ihrer Journallectüre bekannt, daß, wie der chriſt-
liche Myſtiker noch bis auf die neueſte Zeit die
Nägelmaale ſich hat reproduciren laſſen, der Andere
dagegen dem Heilande nicht einmal ſein Daſeyn
in den Evangelien gönnt, ſondern behauptet, die
apoſtoliſche Kirche ſei eine Art von Actiengeſell-
ſchaft geweſen, die ſich den Erlöſer auf gemein-
ſchaftliche Koſten angeſchafft habe, weil ſie ihn
bedurft. — Es war unvorſichtig von mir, daß ich
zwei ſo widerhaarige Bücher zuſammengeſtellt hatte;
ich mußte vorausſehen, daß ſie ſich nicht vertragen
würden. Und ſo kam es auch. Eines Nachts
wache ich von einem ſonderbaren Geräuſch auf,
welches aus meiner Bibliothek tönt. Ich nehme
die Kerze, leuchte hin, und habe einen ſeltſamen
Anblick. Strauß und Görres ſind in wüthendem
Kampfe begriffen, nämlich ſo, daß die beiden ein-
ander zugekehrten Buchdeckel auf einander zu ſchlagen,
wie die Flügel erboſter Truthähne. Der Kirchen-
rath Paulus, Stäudel, Marheineke, ſelbſt Tholuck,
die rechts und links von dieſen beiden Werken

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[206/0214] Ihnen, mein würdiger Altvater und Schloßherr, nicht des Breiteren den Inhalt der letzteren Schrift auseinander zu ſetzen, denn es iſt Ihnen aus Ihrer Journallectüre bekannt, daß, wie der chriſt- liche Myſtiker noch bis auf die neueſte Zeit die Nägelmaale ſich hat reproduciren laſſen, der Andere dagegen dem Heilande nicht einmal ſein Daſeyn in den Evangelien gönnt, ſondern behauptet, die apoſtoliſche Kirche ſei eine Art von Actiengeſell- ſchaft geweſen, die ſich den Erlöſer auf gemein- ſchaftliche Koſten angeſchafft habe, weil ſie ihn bedurft. — Es war unvorſichtig von mir, daß ich zwei ſo widerhaarige Bücher zuſammengeſtellt hatte; ich mußte vorausſehen, daß ſie ſich nicht vertragen würden. Und ſo kam es auch. Eines Nachts wache ich von einem ſonderbaren Geräuſch auf, welches aus meiner Bibliothek tönt. Ich nehme die Kerze, leuchte hin, und habe einen ſeltſamen Anblick. Strauß und Görres ſind in wüthendem Kampfe begriffen, nämlich ſo, daß die beiden ein- ander zugekehrten Buchdeckel auf einander zu ſchlagen, wie die Flügel erboſter Truthähne. Der Kirchen- rath Paulus, Stäudel, Marheineke, ſelbſt Tholuck, die rechts und links von dieſen beiden Werken

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/214>, abgerufen am 30.04.2024.