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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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konnte. Hauptsächlich hielt der alte Herr auf eine
leckere Tafel, und diesen Genuß ihm vorbereiten zu
helfen war auch ich bestimmt. Ich entzündete das
Feuer des Heerdes, ich nahm die herkömmlichen
Abwaschungen der dem Dienste geweihten Gefäße
vor, ich setzte die Maschine in Gang, mit welcher
der Spieß zusammenhing, des Bratens Halter;
kurz, denn wozu Umschreibungen? ich war Küchen-
junge bei dem Prälaten, aber ich war ein denken-
der Küchenjunge.

Der Prälat ging von dem Grundsatze aus, daß
eine jede Köchin nur die sechs ersten Monate ihres
Dienstes hindurch gut koche, nachher aber sich zu
vernachlässigen pflege. Er schaffte daher auch alle
Semester eine neue Kochmagd an, und ich erkannte
bald, daß, wenn ich bei ihm nur drei Jahre lang
aushielte, ich alle sechs Elementarstudien der Liebe
mit den Köchinnen der sechs Semester werde
durchmachen können. Denn es war in dieser
Küche hergebracht, daß die Köchin den Küchenjun-
gen lieben mußte. Die Sache hatte also keine
Schwierigkeit.

Das erste Vorstudium mußte, wie sich von selbst
versteht, die Sinnlichkeit seyn.


konnte. Hauptſächlich hielt der alte Herr auf eine
leckere Tafel, und dieſen Genuß ihm vorbereiten zu
helfen war auch ich beſtimmt. Ich entzündete das
Feuer des Heerdes, ich nahm die herkömmlichen
Abwaſchungen der dem Dienſte geweihten Gefäße
vor, ich ſetzte die Maſchine in Gang, mit welcher
der Spieß zuſammenhing, des Bratens Halter;
kurz, denn wozu Umſchreibungen? ich war Küchen-
junge bei dem Prälaten, aber ich war ein denken-
der Küchenjunge.

Der Prälat ging von dem Grundſatze aus, daß
eine jede Köchin nur die ſechs erſten Monate ihres
Dienſtes hindurch gut koche, nachher aber ſich zu
vernachläſſigen pflege. Er ſchaffte daher auch alle
Semeſter eine neue Kochmagd an, und ich erkannte
bald, daß, wenn ich bei ihm nur drei Jahre lang
aushielte, ich alle ſechs Elementarſtudien der Liebe
mit den Köchinnen der ſechs Semeſter werde
durchmachen können. Denn es war in dieſer
Küche hergebracht, daß die Köchin den Küchenjun-
gen lieben mußte. Die Sache hatte alſo keine
Schwierigkeit.

Das erſte Vorſtudium mußte, wie ſich von ſelbſt
verſteht, die Sinnlichkeit ſeyn.


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[221/0229] konnte. Hauptſächlich hielt der alte Herr auf eine leckere Tafel, und dieſen Genuß ihm vorbereiten zu helfen war auch ich beſtimmt. Ich entzündete das Feuer des Heerdes, ich nahm die herkömmlichen Abwaſchungen der dem Dienſte geweihten Gefäße vor, ich ſetzte die Maſchine in Gang, mit welcher der Spieß zuſammenhing, des Bratens Halter; kurz, denn wozu Umſchreibungen? ich war Küchen- junge bei dem Prälaten, aber ich war ein denken- der Küchenjunge. Der Prälat ging von dem Grundſatze aus, daß eine jede Köchin nur die ſechs erſten Monate ihres Dienſtes hindurch gut koche, nachher aber ſich zu vernachläſſigen pflege. Er ſchaffte daher auch alle Semeſter eine neue Kochmagd an, und ich erkannte bald, daß, wenn ich bei ihm nur drei Jahre lang aushielte, ich alle ſechs Elementarſtudien der Liebe mit den Köchinnen der ſechs Semeſter werde durchmachen können. Denn es war in dieſer Küche hergebracht, daß die Köchin den Küchenjun- gen lieben mußte. Die Sache hatte alſo keine Schwierigkeit. Das erſte Vorſtudium mußte, wie ſich von ſelbſt verſteht, die Sinnlichkeit ſeyn.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/229>, abgerufen am 30.04.2024.