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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Bei ihr studirte ich die Phantasie der Liebe.
Unsre Liebe war nämlich pure, klare Phantasie, wir
konnten einander leiden, wie Hund und Katze;
aber die hochtrabendsten Sachen schrieb sie darü-
ber, wahre Hymnen; und hinterher wußte sie mir
doch immer so einen recht tüchtigen Kniff abzuge-
ben, daß ich hätte aufschreien mögen. Die gemeine
Sage bleibt wahr, die von den * s, wozu sie
gehörte, behauptet, diese fingen in der Schalkheit
da an, wo andere Schälke aufhörten. Es ist ein
Buch über das Kind verfaßt worden, worin es
das personificirte Mittelalter genannt wird. Nun,
es hatte denn freilich auch schon ein mittleres
Alter erreicht, und die Schönheit drückte es eben-
falls nicht sonderlich mehr, als es sich auf kindi-
sche Weise der Phantasie in der Liebe ergab. Ich
war recht vergnügt, als ich des Kindes quitt war,
denn Sie glauben nicht, wie sehr solche Einzelstu-
dien der Liebe angreifen.

Die folgenden beiden Köchinnen, Jule und
Jette, waren die Besten von Allen, sie waren
reine Köchinnen, ohne Geist, Empfindung, Phantasie.
Bei diesen lernte ich die Selbstsucht und die Hin-
gebung der Liebe. Nämlich Julen, die den Herrn

15*

Bei ihr ſtudirte ich die Phantaſie der Liebe.
Unſre Liebe war nämlich pure, klare Phantaſie, wir
konnten einander leiden, wie Hund und Katze;
aber die hochtrabendſten Sachen ſchrieb ſie darü-
ber, wahre Hymnen; und hinterher wußte ſie mir
doch immer ſo einen recht tüchtigen Kniff abzuge-
ben, daß ich hätte aufſchreien mögen. Die gemeine
Sage bleibt wahr, die von den * s, wozu ſie
gehörte, behauptet, dieſe fingen in der Schalkheit
da an, wo andere Schälke aufhörten. Es iſt ein
Buch über das Kind verfaßt worden, worin es
das perſonificirte Mittelalter genannt wird. Nun,
es hatte denn freilich auch ſchon ein mittleres
Alter erreicht, und die Schönheit drückte es eben-
falls nicht ſonderlich mehr, als es ſich auf kindi-
ſche Weiſe der Phantaſie in der Liebe ergab. Ich
war recht vergnügt, als ich des Kindes quitt war,
denn Sie glauben nicht, wie ſehr ſolche Einzelſtu-
dien der Liebe angreifen.

Die folgenden beiden Köchinnen, Jule und
Jette, waren die Beſten von Allen, ſie waren
reine Köchinnen, ohne Geiſt, Empfindung, Phantaſie.
Bei dieſen lernte ich die Selbſtſucht und die Hin-
gebung der Liebe. Nämlich Julen, die den Herrn

15*
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[227/0235] Bei ihr ſtudirte ich die Phantaſie der Liebe. Unſre Liebe war nämlich pure, klare Phantaſie, wir konnten einander leiden, wie Hund und Katze; aber die hochtrabendſten Sachen ſchrieb ſie darü- ber, wahre Hymnen; und hinterher wußte ſie mir doch immer ſo einen recht tüchtigen Kniff abzuge- ben, daß ich hätte aufſchreien mögen. Die gemeine Sage bleibt wahr, die von den * s, wozu ſie gehörte, behauptet, dieſe fingen in der Schalkheit da an, wo andere Schälke aufhörten. Es iſt ein Buch über das Kind verfaßt worden, worin es das perſonificirte Mittelalter genannt wird. Nun, es hatte denn freilich auch ſchon ein mittleres Alter erreicht, und die Schönheit drückte es eben- falls nicht ſonderlich mehr, als es ſich auf kindi- ſche Weiſe der Phantaſie in der Liebe ergab. Ich war recht vergnügt, als ich des Kindes quitt war, denn Sie glauben nicht, wie ſehr ſolche Einzelſtu- dien der Liebe angreifen. Die folgenden beiden Köchinnen, Jule und Jette, waren die Beſten von Allen, ſie waren reine Köchinnen, ohne Geiſt, Empfindung, Phantaſie. Bei dieſen lernte ich die Selbſtſucht und die Hin- gebung der Liebe. Nämlich Julen, die den Herrn 15*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/235>, abgerufen am 30.04.2024.