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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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betrog, wo sie konnte, übrigens aber das rechtschaf-
fenste, gutherzigste Ding von der Welt war, nahm
ich alle ihre Schwänzelpfennige, die sie sich bei
den Markteinkäufen machte, ab. Sie schnellte bloß
für mich; wahrhaftig, so that sie. Ich aber brauchte
Geld, ich wollte mir gern einen neuen Rock kau-
fen und Rumohrs Geist der Kochkunst, um mich
in meinem Fache auszubilden. Ich sagte immer
zu ihr: Gebe Sie nur her, Geliebte; Geben ist
seliger als Nehmen; ich gönne Ihr die Seligkeit,
und bin mit dem Geringeren, mit dem Gelde
zufrieden. Was hatte ich davon? Meine fünfte
Probegeliebte, die Jette, ein durchtriebener Vogel,
hat mir die ganze Summe wieder gemaust, als
wir unter Schwüren der Zärtlichkeit schieden.
Nun, Hingebung muß auch seyn; ich habe es ihr
nicht nachgetragen.

Münchhausen machte eine Panse, um sich zu erho-
len. Das Fräulein war wieder eingetreten. Nach
einigem Schweigen, während dessen er einen Blick,
in dem die ganze Schwärmerei der Jugend leuchtete,
zum Himmel emporgeschickt hatte, fuhr er also fort:

O, was ist die gewöhnliche, unbewußte, roh-zu-
täppische Liebe gegen die bewußte Liebe, gegen die

betrog, wo ſie konnte, übrigens aber das rechtſchaf-
fenſte, gutherzigſte Ding von der Welt war, nahm
ich alle ihre Schwänzelpfennige, die ſie ſich bei
den Markteinkäufen machte, ab. Sie ſchnellte bloß
für mich; wahrhaftig, ſo that ſie. Ich aber brauchte
Geld, ich wollte mir gern einen neuen Rock kau-
fen und Rumohrs Geiſt der Kochkunſt, um mich
in meinem Fache auszubilden. Ich ſagte immer
zu ihr: Gebe Sie nur her, Geliebte; Geben iſt
ſeliger als Nehmen; ich gönne Ihr die Seligkeit,
und bin mit dem Geringeren, mit dem Gelde
zufrieden. Was hatte ich davon? Meine fünfte
Probegeliebte, die Jette, ein durchtriebener Vogel,
hat mir die ganze Summe wieder gemauſt, als
wir unter Schwüren der Zärtlichkeit ſchieden.
Nun, Hingebung muß auch ſeyn; ich habe es ihr
nicht nachgetragen.

Münchhauſen machte eine Panſe, um ſich zu erho-
len. Das Fräulein war wieder eingetreten. Nach
einigem Schweigen, während deſſen er einen Blick,
in dem die ganze Schwärmerei der Jugend leuchtete,
zum Himmel emporgeſchickt hatte, fuhr er alſo fort:

O, was iſt die gewöhnliche, unbewußte, roh-zu-
täppiſche Liebe gegen die bewußte Liebe, gegen die

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[228/0236] betrog, wo ſie konnte, übrigens aber das rechtſchaf- fenſte, gutherzigſte Ding von der Welt war, nahm ich alle ihre Schwänzelpfennige, die ſie ſich bei den Markteinkäufen machte, ab. Sie ſchnellte bloß für mich; wahrhaftig, ſo that ſie. Ich aber brauchte Geld, ich wollte mir gern einen neuen Rock kau- fen und Rumohrs Geiſt der Kochkunſt, um mich in meinem Fache auszubilden. Ich ſagte immer zu ihr: Gebe Sie nur her, Geliebte; Geben iſt ſeliger als Nehmen; ich gönne Ihr die Seligkeit, und bin mit dem Geringeren, mit dem Gelde zufrieden. Was hatte ich davon? Meine fünfte Probegeliebte, die Jette, ein durchtriebener Vogel, hat mir die ganze Summe wieder gemauſt, als wir unter Schwüren der Zärtlichkeit ſchieden. Nun, Hingebung muß auch ſeyn; ich habe es ihr nicht nachgetragen. Münchhauſen machte eine Panſe, um ſich zu erho- len. Das Fräulein war wieder eingetreten. Nach einigem Schweigen, während deſſen er einen Blick, in dem die ganze Schwärmerei der Jugend leuchtete, zum Himmel emporgeſchickt hatte, fuhr er alſo fort: O, was iſt die gewöhnliche, unbewußte, roh-zu- täppiſche Liebe gegen die bewußte Liebe, gegen die

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/236>, abgerufen am 30.04.2024.