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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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zeit eine starke Hemmung erleiden muß; der Ueber-
schuß von Kräften schlägt ihm als Krankheit nach
Innen und er bekommt einen Stich. Unser alter
Herr war durchaus bestimmt, Geheimerrath auf
der Adelsbank zu werden, da wäre er stehen, oder
vielmehr sitzen geblieben, und als vollig vernünf-
tiger Mann zu seinen Vätern versammelt worden.
Weil er aber bis dahin nicht vordringen konnte,
so setzte sich ihm der Geheimerath gewissermaßen
als Knoten in die Seele, der, nicht gereizt, viel-
leicht ein ruhiges Lebensende herankommen läßt,
gerieben und entzündet aber, einen unheilbaren
Brand auch über die noch gesunden Theile des
Geistes verbreiten möchte.

Der Freiherr wunderte sich über die Weisheit
des Schulmeisters und gelobte, seinem Rathe Folge
zu leisten. Darauf zündete Agesilaus seine Hand-
laterne an und ging nach dem Gebirge Taygetus,
überzeugt, ein gutes Werk gethan zu haben.

Münchhausen suchte den alten Baron auf und
fand ihn draußen im Mondschein hinter dem Schlosse
wandeln. Er wollte ihn um Entschuldigung bitten,
der Andere fiel ihm aber in die Rede und sagte:
Laßt doch die Narrenpossen; ich habe Euch den

zeit eine ſtarke Hemmung erleiden muß; der Ueber-
ſchuß von Kräften ſchlägt ihm als Krankheit nach
Innen und er bekommt einen Stich. Unſer alter
Herr war durchaus beſtimmt, Geheimerrath auf
der Adelsbank zu werden, da wäre er ſtehen, oder
vielmehr ſitzen geblieben, und als vollig vernünf-
tiger Mann zu ſeinen Vätern verſammelt worden.
Weil er aber bis dahin nicht vordringen konnte,
ſo ſetzte ſich ihm der Geheimerath gewiſſermaßen
als Knoten in die Seele, der, nicht gereizt, viel-
leicht ein ruhiges Lebensende herankommen läßt,
gerieben und entzündet aber, einen unheilbaren
Brand auch über die noch geſunden Theile des
Geiſtes verbreiten möchte.

Der Freiherr wunderte ſich über die Weisheit
des Schulmeiſters und gelobte, ſeinem Rathe Folge
zu leiſten. Darauf zündete Ageſilaus ſeine Hand-
laterne an und ging nach dem Gebirge Taygetus,
überzeugt, ein gutes Werk gethan zu haben.

Münchhauſen ſuchte den alten Baron auf und
fand ihn draußen im Mondſchein hinter dem Schloſſe
wandeln. Er wollte ihn um Entſchuldigung bitten,
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[242/0250] zeit eine ſtarke Hemmung erleiden muß; der Ueber- ſchuß von Kräften ſchlägt ihm als Krankheit nach Innen und er bekommt einen Stich. Unſer alter Herr war durchaus beſtimmt, Geheimerrath auf der Adelsbank zu werden, da wäre er ſtehen, oder vielmehr ſitzen geblieben, und als vollig vernünf- tiger Mann zu ſeinen Vätern verſammelt worden. Weil er aber bis dahin nicht vordringen konnte, ſo ſetzte ſich ihm der Geheimerath gewiſſermaßen als Knoten in die Seele, der, nicht gereizt, viel- leicht ein ruhiges Lebensende herankommen läßt, gerieben und entzündet aber, einen unheilbaren Brand auch über die noch geſunden Theile des Geiſtes verbreiten möchte. Der Freiherr wunderte ſich über die Weisheit des Schulmeiſters und gelobte, ſeinem Rathe Folge zu leiſten. Darauf zündete Ageſilaus ſeine Hand- laterne an und ging nach dem Gebirge Taygetus, überzeugt, ein gutes Werk gethan zu haben. Münchhauſen ſuchte den alten Baron auf und fand ihn draußen im Mondſchein hinter dem Schloſſe wandeln. Er wollte ihn um Entſchuldigung bitten, der Andere fiel ihm aber in die Rede und ſagte: Laßt doch die Narrenpoſſen; ich habe Euch den

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/250>, abgerufen am 30.04.2024.