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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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besäßen nicht so viel Verstand im ganzen Leibe,
wie er im kleinen Finger. Was uns sein Heil
angehe? Er sei mit dem Quartier in der Schnot-
terbaum zufrieden. Glaubt Ihr auch in den Him-
mel zu kommen? fragte er. -- Ja, riefen wir
einhällig. -- Nun, dann ist das schon ein hin-
reichender Grund für mich, haußen zu bleiben,
versetzte er. Denn solche Tröpfe, wie Ihr seid,
würden mir die ewige Seeligkeit verleiden. Be-
kümmert Euch um Eure Siebensachen, laßt mich
ungeschoren, ich will platterdings nicht erlöst seyn.

Er fügte noch allerhand Spöttereien hinzu, die
ich nicht nachschreiben mag. Aber sie waren wirklich,
cerebraliter genommen, das Gescheidteste, was
hier seit Monaten sich laut gemacht hatte. Eschen-
michel, Kernbeißer und ich konnten dagegen nichts
aufbringen, hüllten uns folglich schweigend in unser
höheres Bewußtseyn. Aber der Schneider war der
Mann nicht, sich von einem tückischen Geiste ein-
schüchtern zu lassen. Zeigte sich der Dämon grob,
so wurde der Schneider gröber, auf ein Schimpf-
wort hatte dieser zehn stärkere, und mit Gründen,
die der Dämon hinterlistigerweise brauchen wollte,
ließ er sich gar nicht ein; er sagte nur, wenn solche

Immermann's Münchhausen. 2. Th. 20

beſäßen nicht ſo viel Verſtand im ganzen Leibe,
wie er im kleinen Finger. Was uns ſein Heil
angehe? Er ſei mit dem Quartier in der Schnot-
terbaum zufrieden. Glaubt Ihr auch in den Him-
mel zu kommen? fragte er. — Ja, riefen wir
einhällig. — Nun, dann iſt das ſchon ein hin-
reichender Grund für mich, haußen zu bleiben,
verſetzte er. Denn ſolche Tröpfe, wie Ihr ſeid,
würden mir die ewige Seeligkeit verleiden. Be-
kümmert Euch um Eure Siebenſachen, laßt mich
ungeſchoren, ich will platterdings nicht erlöſt ſeyn.

Er fügte noch allerhand Spöttereien hinzu, die
ich nicht nachſchreiben mag. Aber ſie waren wirklich,
cerebraliter genommen, das Geſcheidteſte, was
hier ſeit Monaten ſich laut gemacht hatte. Eſchen-
michel, Kernbeißer und ich konnten dagegen nichts
aufbringen, hüllten uns folglich ſchweigend in unſer
höheres Bewußtſeyn. Aber der Schneider war der
Mann nicht, ſich von einem tückiſchen Geiſte ein-
ſchüchtern zu laſſen. Zeigte ſich der Dämon grob,
ſo wurde der Schneider gröber, auf ein Schimpf-
wort hatte dieſer zehn ſtärkere, und mit Gründen,
die der Dämon hinterliſtigerweiſe brauchen wollte,
ließ er ſich gar nicht ein; er ſagte nur, wenn ſolche

Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 20
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[305/0323] beſäßen nicht ſo viel Verſtand im ganzen Leibe, wie er im kleinen Finger. Was uns ſein Heil angehe? Er ſei mit dem Quartier in der Schnot- terbaum zufrieden. Glaubt Ihr auch in den Him- mel zu kommen? fragte er. — Ja, riefen wir einhällig. — Nun, dann iſt das ſchon ein hin- reichender Grund für mich, haußen zu bleiben, verſetzte er. Denn ſolche Tröpfe, wie Ihr ſeid, würden mir die ewige Seeligkeit verleiden. Be- kümmert Euch um Eure Siebenſachen, laßt mich ungeſchoren, ich will platterdings nicht erlöſt ſeyn. Er fügte noch allerhand Spöttereien hinzu, die ich nicht nachſchreiben mag. Aber ſie waren wirklich, cerebraliter genommen, das Geſcheidteſte, was hier ſeit Monaten ſich laut gemacht hatte. Eſchen- michel, Kernbeißer und ich konnten dagegen nichts aufbringen, hüllten uns folglich ſchweigend in unſer höheres Bewußtſeyn. Aber der Schneider war der Mann nicht, ſich von einem tückiſchen Geiſte ein- ſchüchtern zu laſſen. Zeigte ſich der Dämon grob, ſo wurde der Schneider gröber, auf ein Schimpf- wort hatte dieſer zehn ſtärkere, und mit Gründen, die der Dämon hinterliſtigerweiſe brauchen wollte, ließ er ſich gar nicht ein; er ſagte nur, wenn ſolche Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 20

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/323>, abgerufen am 27.04.2024.