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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Der Küster fuhr in seinen Betrachtungen fol-
gendermaßen fort: In dieser vernünftigen Fassung
über das menschliche Leben sänftigen sich auch die
menschlichen Wünsche. Ich war zu meiner Zeit
in der Jugend sehr oben aus und wollte platter-
dings Theologie studiren. Frühprediger mußte ich
wenigstens werden; das stand fest. Es war aber
dazumal mit dem Unterrichte eine verkehrte Sache,
und die Lehrer hatten nicht die Manier, daß man
etwas begreifen konnte. Ich begriff nichts und
wurde so nach und nach Küster, wozu man freilich
auch nicht ohne Gaben seyn darf. Gegenwärtig
habe ich eigentlich nur noch drei Wünsche auf
dieser Welt.

Und die sind? fragte der Schirrmeister.

Erstlich wünschte ich, daß Jemand einmal ein
ordentliches und ausführliches Buch von Küster-
sachen schriebe und darin auseinandersetzte, worin
das Amt und die Würde eines Küsters besteht,
was man ihm mit Fug zumuthen darf und was
nicht. Denn Alles will uns jetzt zu Leibe, und
es giebt keinen angefochteneren Stand, weshalb es
denn ein wahres Bedürfniß der Zeit wäre, daß
in den Vorstellungen über Küster und Küste-

Der Küſter fuhr in ſeinen Betrachtungen fol-
gendermaßen fort: In dieſer vernünftigen Faſſung
über das menſchliche Leben ſänftigen ſich auch die
menſchlichen Wünſche. Ich war zu meiner Zeit
in der Jugend ſehr oben aus und wollte platter-
dings Theologie ſtudiren. Frühprediger mußte ich
wenigſtens werden; das ſtand feſt. Es war aber
dazumal mit dem Unterrichte eine verkehrte Sache,
und die Lehrer hatten nicht die Manier, daß man
etwas begreifen konnte. Ich begriff nichts und
wurde ſo nach und nach Küſter, wozu man freilich
auch nicht ohne Gaben ſeyn darf. Gegenwärtig
habe ich eigentlich nur noch drei Wünſche auf
dieſer Welt.

Und die ſind? fragte der Schirrmeiſter.

Erſtlich wünſchte ich, daß Jemand einmal ein
ordentliches und ausführliches Buch von Küſter-
ſachen ſchriebe und darin auseinanderſetzte, worin
das Amt und die Würde eines Küſters beſteht,
was man ihm mit Fug zumuthen darf und was
nicht. Denn Alles will uns jetzt zu Leibe, und
es giebt keinen angefochteneren Stand, weshalb es
denn ein wahres Bedürfniß der Zeit wäre, daß
in den Vorſtellungen über Küſter und Küſte-

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[86/0100] Der Küſter fuhr in ſeinen Betrachtungen fol- gendermaßen fort: In dieſer vernünftigen Faſſung über das menſchliche Leben ſänftigen ſich auch die menſchlichen Wünſche. Ich war zu meiner Zeit in der Jugend ſehr oben aus und wollte platter- dings Theologie ſtudiren. Frühprediger mußte ich wenigſtens werden; das ſtand feſt. Es war aber dazumal mit dem Unterrichte eine verkehrte Sache, und die Lehrer hatten nicht die Manier, daß man etwas begreifen konnte. Ich begriff nichts und wurde ſo nach und nach Küſter, wozu man freilich auch nicht ohne Gaben ſeyn darf. Gegenwärtig habe ich eigentlich nur noch drei Wünſche auf dieſer Welt. Und die ſind? fragte der Schirrmeiſter. Erſtlich wünſchte ich, daß Jemand einmal ein ordentliches und ausführliches Buch von Küſter- ſachen ſchriebe und darin auseinanderſetzte, worin das Amt und die Würde eines Küſters beſteht, was man ihm mit Fug zumuthen darf und was nicht. Denn Alles will uns jetzt zu Leibe, und es giebt keinen angefochteneren Stand, weshalb es denn ein wahres Bedürfniß der Zeit wäre, daß in den Vorſtellungen über Küſter und Küſte-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/100>, abgerufen am 29.04.2024.