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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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ein Nachen, der auf dem Spiegel eines klaren
Weihers schaukelt. -- Es ist auch nicht auf unsere
Liebe gemacht, versetzte er, es ist das Lied eines
Freundes, meines besten Freundes, an dessen ge-
fährliche Liebe ich in meinem Glücke denken mußte.
Sein Liebesschiff fährt dahin durch's wüste Meer,
und möge ein Gott an seinem Steuer stehen, wie
er gesungen hat!

Ach, das muß wohl eine verwegene frevelhafte
Liebe seyn, die Liebe deines Freundes, deren Schiff
so dahin fährt!

O nein, Lisbeth, eine fromme Liebe, eine hei-
lige Liebe, und dennoch starren die Widersprüche
rings um sie her, wie Klippen!

Kann denn auch die fromme Liebe ein solches
Schicksal haben? fragte sie. -- O Kind! Kind!
rief er, von einem seltsamen Schauer gefaßt, laß
uns nicht weiter davon sprechen! Gebe der Him-
mel, daß unsere Liebe nicht -- Ich will dir etwas
sagen. Ich gehe gleich nach dem Schlosse zu dei-
nen Pflegern und bringe unsere Sache in Ordnung.
Noch vor völliger Nacht erreiche ich wohl den Ort auf
der Hälfte des Weges, da schlafe ich, und bin morgen
in der Frühe am Ziel und am Abend wieder bei dir.


ein Nachen, der auf dem Spiegel eines klaren
Weihers ſchaukelt. — Es iſt auch nicht auf unſere
Liebe gemacht, verſetzte er, es iſt das Lied eines
Freundes, meines beſten Freundes, an deſſen ge-
fährliche Liebe ich in meinem Glücke denken mußte.
Sein Liebesſchiff fährt dahin durch’s wüſte Meer,
und möge ein Gott an ſeinem Steuer ſtehen, wie
er geſungen hat!

Ach, das muß wohl eine verwegene frevelhafte
Liebe ſeyn, die Liebe deines Freundes, deren Schiff
ſo dahin fährt!

O nein, Lisbeth, eine fromme Liebe, eine hei-
lige Liebe, und dennoch ſtarren die Widerſprüche
rings um ſie her, wie Klippen!

Kann denn auch die fromme Liebe ein ſolches
Schickſal haben? fragte ſie. — O Kind! Kind!
rief er, von einem ſeltſamen Schauer gefaßt, laß
uns nicht weiter davon ſprechen! Gebe der Him-
mel, daß unſere Liebe nicht — Ich will dir etwas
ſagen. Ich gehe gleich nach dem Schloſſe zu dei-
nen Pflegern und bringe unſere Sache in Ordnung.
Noch vor völliger Nacht erreiche ich wohl den Ort auf
der Hälfte des Weges, da ſchlafe ich, und bin morgen
in der Frühe am Ziel und am Abend wieder bei dir.


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[125/0139] ein Nachen, der auf dem Spiegel eines klaren Weihers ſchaukelt. — Es iſt auch nicht auf unſere Liebe gemacht, verſetzte er, es iſt das Lied eines Freundes, meines beſten Freundes, an deſſen ge- fährliche Liebe ich in meinem Glücke denken mußte. Sein Liebesſchiff fährt dahin durch’s wüſte Meer, und möge ein Gott an ſeinem Steuer ſtehen, wie er geſungen hat! Ach, das muß wohl eine verwegene frevelhafte Liebe ſeyn, die Liebe deines Freundes, deren Schiff ſo dahin fährt! O nein, Lisbeth, eine fromme Liebe, eine hei- lige Liebe, und dennoch ſtarren die Widerſprüche rings um ſie her, wie Klippen! Kann denn auch die fromme Liebe ein ſolches Schickſal haben? fragte ſie. — O Kind! Kind! rief er, von einem ſeltſamen Schauer gefaßt, laß uns nicht weiter davon ſprechen! Gebe der Him- mel, daß unſere Liebe nicht — Ich will dir etwas ſagen. Ich gehe gleich nach dem Schloſſe zu dei- nen Pflegern und bringe unſere Sache in Ordnung. Noch vor völliger Nacht erreiche ich wohl den Ort auf der Hälfte des Weges, da ſchlafe ich, und bin morgen in der Frühe am Ziel und am Abend wieder bei dir.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/139>, abgerufen am 29.04.2024.