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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Stimme viele und unbestimmte Antworten, bald
sollte die Feder so und bald sollte sie so geschnit-
ten werden, und dann sah sie ihn zuweilen an und
seufzte jedesmal, wenn sie das that. Der Jüngling
seufzte noch öfter, ich weiß nicht ob über die un-
bestimmten Antworten, oder über sonst etwas.
Einmal gab er ihr die Feder in die Hand, damit
sie an der zeigen sollte, wie lang sie die Spalte
wünsche. Sie that es, und als sie ihm die Feder
zurückreichte, empfing er noch etwas mehr, nämlich
ihre Hand. Diese wurde von der seinigen so
ergriffen, daß die Feder darüber zu Boden fiel
und eine Zeitlang ihnen aus dem Gedächtnisse
kam, weil alles Bewußtseyn in die beiden Hände
gefahren war, die einander sanft streichelten oder
drückten -- darüber lauten meine Quellen verschieden.

Ich will Euch ein großes Geheimniß verrathen.
Der Jüngling und das Mädchen waren der Jäger
und die schöne blonde Lisbeth. Und wenn Ihr
einmal recht freundlich gegen mich seyn, mich nicht
immer so bezweifeln und bemäkeln wollt, wodurch
Ihr manches Gute in mir, und Euch manche Freude
zerstört habt, so thue ich Euch jetzt den Gefallen,
und erzähle Euch, wie es den beiden jungen Leuten

Stimme viele und unbeſtimmte Antworten, bald
ſollte die Feder ſo und bald ſollte ſie ſo geſchnit-
ten werden, und dann ſah ſie ihn zuweilen an und
ſeufzte jedesmal, wenn ſie das that. Der Jüngling
ſeufzte noch öfter, ich weiß nicht ob über die un-
beſtimmten Antworten, oder über ſonſt etwas.
Einmal gab er ihr die Feder in die Hand, damit
ſie an der zeigen ſollte, wie lang ſie die Spalte
wünſche. Sie that es, und als ſie ihm die Feder
zurückreichte, empfing er noch etwas mehr, nämlich
ihre Hand. Dieſe wurde von der ſeinigen ſo
ergriffen, daß die Feder darüber zu Boden fiel
und eine Zeitlang ihnen aus dem Gedächtniſſe
kam, weil alles Bewußtſeyn in die beiden Hände
gefahren war, die einander ſanft ſtreichelten oder
drückten — darüber lauten meine Quellen verſchieden.

Ich will Euch ein großes Geheimniß verrathen.
Der Jüngling und das Mädchen waren der Jäger
und die ſchöne blonde Lisbeth. Und wenn Ihr
einmal recht freundlich gegen mich ſeyn, mich nicht
immer ſo bezweifeln und bemäkeln wollt, wodurch
Ihr manches Gute in mir, und Euch manche Freude
zerſtört habt, ſo thue ich Euch jetzt den Gefallen,
und erzähle Euch, wie es den beiden jungen Leuten

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[39/0053] Stimme viele und unbeſtimmte Antworten, bald ſollte die Feder ſo und bald ſollte ſie ſo geſchnit- ten werden, und dann ſah ſie ihn zuweilen an und ſeufzte jedesmal, wenn ſie das that. Der Jüngling ſeufzte noch öfter, ich weiß nicht ob über die un- beſtimmten Antworten, oder über ſonſt etwas. Einmal gab er ihr die Feder in die Hand, damit ſie an der zeigen ſollte, wie lang ſie die Spalte wünſche. Sie that es, und als ſie ihm die Feder zurückreichte, empfing er noch etwas mehr, nämlich ihre Hand. Dieſe wurde von der ſeinigen ſo ergriffen, daß die Feder darüber zu Boden fiel und eine Zeitlang ihnen aus dem Gedächtniſſe kam, weil alles Bewußtſeyn in die beiden Hände gefahren war, die einander ſanft ſtreichelten oder drückten — darüber lauten meine Quellen verſchieden. Ich will Euch ein großes Geheimniß verrathen. Der Jüngling und das Mädchen waren der Jäger und die ſchöne blonde Lisbeth. Und wenn Ihr einmal recht freundlich gegen mich ſeyn, mich nicht immer ſo bezweifeln und bemäkeln wollt, wodurch Ihr manches Gute in mir, und Euch manche Freude zerſtört habt, ſo thue ich Euch jetzt den Gefallen, und erzähle Euch, wie es den beiden jungen Leuten

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/53>, abgerufen am 29.04.2024.