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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Hochzeit kennen zu lernen wünsche. Er sagte dieß,
nachdem er schon vielfältig unten bei Lisbeth gewesen
war. Und als er es vorbrachte, flammte sein
Gesicht und er konnte das Verlangen nach Erwei-
terung der Kenntnisse nicht so recht ohne zu stocken
kund thun.

Bald hatte der Jäger zwei Tageszeiten, eine
unglückliche und eine glückliche. Die unglückliche
war, wenn Lisbeth, und sie that es alle Tage, am
Brautlinnen half. Der Jäger wußte dann gar
nicht, was er mit seiner Zeit beginnen sollte. Nun
sahen ihn die Bäume des Gartens und die Eichen
des Kamps erst recht wie sein Waldmährchen an.
Zuweilen blickte er gen Himmel, aber noch öfter
zur grünen, schwellenden Erde nieder, die er hin
und wieder hätte küssen mögen, so lieb war ihm
der Boden geworden, auf dem er gar Manches
erlebt hatte. Wenn seine Gedanken Worte wur-
den, so lauteten sie: Das schöne Mädchen an der
schönen Blume -- und dann ihr liebes Blut droben
am Freistuhl -- und nun -- und nun -- --

Aber das Alles füllte ihm die Seele nicht aus.
Er bedurfte einer Gesellschaft, freilich war ihm
nicht jede recht, denn dem Hofschulzen wich er eher

Hochzeit kennen zu lernen wünſche. Er ſagte dieß,
nachdem er ſchon vielfältig unten bei Lisbeth geweſen
war. Und als er es vorbrachte, flammte ſein
Geſicht und er konnte das Verlangen nach Erwei-
terung der Kenntniſſe nicht ſo recht ohne zu ſtocken
kund thun.

Bald hatte der Jäger zwei Tageszeiten, eine
unglückliche und eine glückliche. Die unglückliche
war, wenn Lisbeth, und ſie that es alle Tage, am
Brautlinnen half. Der Jäger wußte dann gar
nicht, was er mit ſeiner Zeit beginnen ſollte. Nun
ſahen ihn die Bäume des Gartens und die Eichen
des Kamps erſt recht wie ſein Waldmährchen an.
Zuweilen blickte er gen Himmel, aber noch öfter
zur grünen, ſchwellenden Erde nieder, die er hin
und wieder hätte küſſen mögen, ſo lieb war ihm
der Boden geworden, auf dem er gar Manches
erlebt hatte. Wenn ſeine Gedanken Worte wur-
den, ſo lauteten ſie: Das ſchöne Mädchen an der
ſchönen Blume — und dann ihr liebes Blut droben
am Freiſtuhl — und nun — und nun — —

Aber das Alles füllte ihm die Seele nicht aus.
Er bedurfte einer Geſellſchaft, freilich war ihm
nicht jede recht, denn dem Hofſchulzen wich er eher

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[44/0058] Hochzeit kennen zu lernen wünſche. Er ſagte dieß, nachdem er ſchon vielfältig unten bei Lisbeth geweſen war. Und als er es vorbrachte, flammte ſein Geſicht und er konnte das Verlangen nach Erwei- terung der Kenntniſſe nicht ſo recht ohne zu ſtocken kund thun. Bald hatte der Jäger zwei Tageszeiten, eine unglückliche und eine glückliche. Die unglückliche war, wenn Lisbeth, und ſie that es alle Tage, am Brautlinnen half. Der Jäger wußte dann gar nicht, was er mit ſeiner Zeit beginnen ſollte. Nun ſahen ihn die Bäume des Gartens und die Eichen des Kamps erſt recht wie ſein Waldmährchen an. Zuweilen blickte er gen Himmel, aber noch öfter zur grünen, ſchwellenden Erde nieder, die er hin und wieder hätte küſſen mögen, ſo lieb war ihm der Boden geworden, auf dem er gar Manches erlebt hatte. Wenn ſeine Gedanken Worte wur- den, ſo lauteten ſie: Das ſchöne Mädchen an der ſchönen Blume — und dann ihr liebes Blut droben am Freiſtuhl — und nun — und nun — — Aber das Alles füllte ihm die Seele nicht aus. Er bedurfte einer Geſellſchaft, freilich war ihm nicht jede recht, denn dem Hofſchulzen wich er eher

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/58>, abgerufen am 29.04.2024.