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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Kopfkissen, welches Ihr Jahraus, Jahrein, sobald
wir die Stadt verlassen, eingeknöpft auf dem Un-
terleibe tragt, die Witterung mag so schön seyn,
wie sie will, muß Euch das Blut wallen machen
und die Säfte zu Kopfe treiben.

Es ist nicht dieses, mein Herr Diaconus, er-
wiederte der Küster, indem er seinen ausgestopften
Unterleib streichelte, welcher sich in sonderbaren
Wellenlinien, Wülsten und Knoten darwies, weil
der Inhaber die Federn des Kissens nicht ganz
gleich vertheilt und verstrichen hatte. Es ist nicht
dieses. Besser bewahrt, wie beklagt, ich weiß ja,
was eine hartnäckige Verkältung auf sich hat. Das
Kissen ist gleichsam ein Theil von mir geworden
und ruht mir ohne die mindeste Beschwer auf dem
Herzen. Aber weshalb ich beklommen bin, das ist
die Furcht vor einer Herabsetzung meines Anse-
hens und vor einer Schändung so zu sagen des
ganzen Küsterstandes, welche mir auf dieser unglück-
seligen Hochzeit bevorsteht.

Wie denn so?

Der Herr Diaconus wissen, daß der Schul-
meister loci vor nunmehr beinahe acht Tagen ver-
storben ist, und seine Stelle noch keine Besetzung

Kopfkiſſen, welches Ihr Jahraus, Jahrein, ſobald
wir die Stadt verlaſſen, eingeknöpft auf dem Un-
terleibe tragt, die Witterung mag ſo ſchön ſeyn,
wie ſie will, muß Euch das Blut wallen machen
und die Säfte zu Kopfe treiben.

Es iſt nicht dieſes, mein Herr Diaconus, er-
wiederte der Küſter, indem er ſeinen ausgeſtopften
Unterleib ſtreichelte, welcher ſich in ſonderbaren
Wellenlinien, Wülſten und Knoten darwies, weil
der Inhaber die Federn des Kiſſens nicht ganz
gleich vertheilt und verſtrichen hatte. Es iſt nicht
dieſes. Beſſer bewahrt, wie beklagt, ich weiß ja,
was eine hartnäckige Verkältung auf ſich hat. Das
Kiſſen iſt gleichſam ein Theil von mir geworden
und ruht mir ohne die mindeſte Beſchwer auf dem
Herzen. Aber weshalb ich beklommen bin, das iſt
die Furcht vor einer Herabſetzung meines Anſe-
hens und vor einer Schändung ſo zu ſagen des
ganzen Küſterſtandes, welche mir auf dieſer unglück-
ſeligen Hochzeit bevorſteht.

Wie denn ſo?

Der Herr Diaconus wiſſen, daß der Schul-
meiſter loci vor nunmehr beinahe acht Tagen ver-
ſtorben iſt, und ſeine Stelle noch keine Beſetzung

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[61/0075] Kopfkiſſen, welches Ihr Jahraus, Jahrein, ſobald wir die Stadt verlaſſen, eingeknöpft auf dem Un- terleibe tragt, die Witterung mag ſo ſchön ſeyn, wie ſie will, muß Euch das Blut wallen machen und die Säfte zu Kopfe treiben. Es iſt nicht dieſes, mein Herr Diaconus, er- wiederte der Küſter, indem er ſeinen ausgeſtopften Unterleib ſtreichelte, welcher ſich in ſonderbaren Wellenlinien, Wülſten und Knoten darwies, weil der Inhaber die Federn des Kiſſens nicht ganz gleich vertheilt und verſtrichen hatte. Es iſt nicht dieſes. Beſſer bewahrt, wie beklagt, ich weiß ja, was eine hartnäckige Verkältung auf ſich hat. Das Kiſſen iſt gleichſam ein Theil von mir geworden und ruht mir ohne die mindeſte Beſchwer auf dem Herzen. Aber weshalb ich beklommen bin, das iſt die Furcht vor einer Herabſetzung meines Anſe- hens und vor einer Schändung ſo zu ſagen des ganzen Küſterſtandes, welche mir auf dieſer unglück- ſeligen Hochzeit bevorſteht. Wie denn ſo? Der Herr Diaconus wiſſen, daß der Schul- meiſter loci vor nunmehr beinahe acht Tagen ver- ſtorben iſt, und ſeine Stelle noch keine Beſetzung

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/75>, abgerufen am 29.04.2024.