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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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gefunden hat. So fehlet also dieser Hochzeit der
zweite observanzmäßige Aufwärter *), und da hat
nun der Hofschulze, dieser alte eigensinnige Mann
sich nicht entblödet, mir gestern an- und zumuthen
zu lassen, ich solle statt des fehlenden Schulmei-
sters aufwarten, weil Küster und Schulmeister mit
einander die meiste Aehnlichkeit und Verwandtschaft
hätten, worüber ich denn die ganze Nacht hindurch
kein Auge zugethan habe. Annoch kann ich vor
Herzklopfen mich nicht zufrieden geben.

Freilich würde bei der Aufwartung die eigene
Leibesnahrung nicht so wohl gedeihen, sagte der
Diaconus.

Dieses nebenbei, sprach der Küster sehr ernst.
Nöthigenfalls würde durch Bündelschnüren und Ser-
viettenverpackung dafür gesorgt werden, daß Küsterei
in ihren Gerechtsamen keinen Schaden erlitte. Aber
daß die Würde eine Beeinträchtigung dulden müßte
und die Freiheit der Stelle von allen und jeden Auf-
wartediensten eine Verletzung erführe; dieses ist
die Hauptsache. Und ehe ich ein solches Präjudiz

*) Bei den Hochzeitmahlzeiten der Bauern in dortiger Ge-
gend warten der Bräutigam und der Schulmeister auf;
sonst Niemand.

gefunden hat. So fehlet alſo dieſer Hochzeit der
zweite obſervanzmäßige Aufwärter *), und da hat
nun der Hofſchulze, dieſer alte eigenſinnige Mann
ſich nicht entblödet, mir geſtern an- und zumuthen
zu laſſen, ich ſolle ſtatt des fehlenden Schulmei-
ſters aufwarten, weil Küſter und Schulmeiſter mit
einander die meiſte Aehnlichkeit und Verwandtſchaft
hätten, worüber ich denn die ganze Nacht hindurch
kein Auge zugethan habe. Annoch kann ich vor
Herzklopfen mich nicht zufrieden geben.

Freilich würde bei der Aufwartung die eigene
Leibesnahrung nicht ſo wohl gedeihen, ſagte der
Diaconus.

Dieſes nebenbei, ſprach der Küſter ſehr ernſt.
Nöthigenfalls würde durch Bündelſchnüren und Ser-
viettenverpackung dafür geſorgt werden, daß Küſterei
in ihren Gerechtſamen keinen Schaden erlitte. Aber
daß die Würde eine Beeinträchtigung dulden müßte
und die Freiheit der Stelle von allen und jeden Auf-
wartedienſten eine Verletzung erführe; dieſes iſt
die Hauptſache. Und ehe ich ein ſolches Präjudiz

*) Bei den Hochzeitmahlzeiten der Bauern in dortiger Ge-
gend warten der Bräutigam und der Schulmeiſter auf;
ſonſt Niemand.
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[62/0076] gefunden hat. So fehlet alſo dieſer Hochzeit der zweite obſervanzmäßige Aufwärter *), und da hat nun der Hofſchulze, dieſer alte eigenſinnige Mann ſich nicht entblödet, mir geſtern an- und zumuthen zu laſſen, ich ſolle ſtatt des fehlenden Schulmei- ſters aufwarten, weil Küſter und Schulmeiſter mit einander die meiſte Aehnlichkeit und Verwandtſchaft hätten, worüber ich denn die ganze Nacht hindurch kein Auge zugethan habe. Annoch kann ich vor Herzklopfen mich nicht zufrieden geben. Freilich würde bei der Aufwartung die eigene Leibesnahrung nicht ſo wohl gedeihen, ſagte der Diaconus. Dieſes nebenbei, ſprach der Küſter ſehr ernſt. Nöthigenfalls würde durch Bündelſchnüren und Ser- viettenverpackung dafür geſorgt werden, daß Küſterei in ihren Gerechtſamen keinen Schaden erlitte. Aber daß die Würde eine Beeinträchtigung dulden müßte und die Freiheit der Stelle von allen und jeden Auf- wartedienſten eine Verletzung erführe; dieſes iſt die Hauptſache. Und ehe ich ein ſolches Präjudiz *) Bei den Hochzeitmahlzeiten der Bauern in dortiger Ge- gend warten der Bräutigam und der Schulmeiſter auf; ſonſt Niemand.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/76>, abgerufen am 29.04.2024.