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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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demselben zu gelangen. Er hatte Geschäfte in der
Gegend und wollte die Gelegenheit nicht verab-
säumen, durch Herablassung die Herzen dieser Land-
leute für den Thron zu gewinnen, dem er sich so nahe
wußte. Deshalb war in ihm, sobald er von der Bauern-
hochzeit hörte, in ihm der Vorsatz entstanden, ihr
leutselig von Anfang bis zu Ende beizuwohnen.

Den Diaconus berührte der Anblick des Vor-
nehmen, den er aus den glänzenden Cirkeln der
Hauptstadt kannte, nicht wohlthuend. Er wußte,
welche sonderbare Sitte der Predigt folgen werde,
und fürchtete den Spott des Vornehmen. Seine
Gedanken verloren daher von ihrer gewöhnlichen
Klarheit, seine Gefühle waren etwas bedeckt und
er kam, je weiter er redete, um desto weiter aus
der Sache. Seine Zerstreuung wuchs, da er be-
merkte, daß der Vornehme ihm verstehende Blicke
zuwarf und bei einigen Stellen beifällig mit dem
Haupte nickte; meistentheils da, wo der Redner
mit sich am unzufriedensten gewesen war. Er
beschnitt daher die einzelnen Theile der Traurede,
und eilte sich, zur Ceremonie zu gelangen.

Das Brautpaar kniete nieder und die verhäng-
nißvollen Fragen ergingen an dasselbe. Da trug

Immermann's Münchhausen. 3. Th. 5

demſelben zu gelangen. Er hatte Geſchäfte in der
Gegend und wollte die Gelegenheit nicht verab-
ſäumen, durch Herablaſſung die Herzen dieſer Land-
leute für den Thron zu gewinnen, dem er ſich ſo nahe
wußte. Deshalb war in ihm, ſobald er von der Bauern-
hochzeit hörte, in ihm der Vorſatz entſtanden, ihr
leutſelig von Anfang bis zu Ende beizuwohnen.

Den Diaconus berührte der Anblick des Vor-
nehmen, den er aus den glänzenden Cirkeln der
Hauptſtadt kannte, nicht wohlthuend. Er wußte,
welche ſonderbare Sitte der Predigt folgen werde,
und fürchtete den Spott des Vornehmen. Seine
Gedanken verloren daher von ihrer gewöhnlichen
Klarheit, ſeine Gefühle waren etwas bedeckt und
er kam, je weiter er redete, um deſto weiter aus
der Sache. Seine Zerſtreuung wuchs, da er be-
merkte, daß der Vornehme ihm verſtehende Blicke
zuwarf und bei einigen Stellen beifällig mit dem
Haupte nickte; meiſtentheils da, wo der Redner
mit ſich am unzufriedenſten geweſen war. Er
beſchnitt daher die einzelnen Theile der Traurede,
und eilte ſich, zur Ceremonie zu gelangen.

Das Brautpaar kniete nieder und die verhäng-
nißvollen Fragen ergingen an daſſelbe. Da trug

Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 5
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[65/0079] demſelben zu gelangen. Er hatte Geſchäfte in der Gegend und wollte die Gelegenheit nicht verab- ſäumen, durch Herablaſſung die Herzen dieſer Land- leute für den Thron zu gewinnen, dem er ſich ſo nahe wußte. Deshalb war in ihm, ſobald er von der Bauern- hochzeit hörte, in ihm der Vorſatz entſtanden, ihr leutſelig von Anfang bis zu Ende beizuwohnen. Den Diaconus berührte der Anblick des Vor- nehmen, den er aus den glänzenden Cirkeln der Hauptſtadt kannte, nicht wohlthuend. Er wußte, welche ſonderbare Sitte der Predigt folgen werde, und fürchtete den Spott des Vornehmen. Seine Gedanken verloren daher von ihrer gewöhnlichen Klarheit, ſeine Gefühle waren etwas bedeckt und er kam, je weiter er redete, um deſto weiter aus der Sache. Seine Zerſtreuung wuchs, da er be- merkte, daß der Vornehme ihm verſtehende Blicke zuwarf und bei einigen Stellen beifällig mit dem Haupte nickte; meiſtentheils da, wo der Redner mit ſich am unzufriedenſten geweſen war. Er beſchnitt daher die einzelnen Theile der Traurede, und eilte ſich, zur Ceremonie zu gelangen. Das Brautpaar kniete nieder und die verhäng- nißvollen Fragen ergingen an daſſelbe. Da trug Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 5

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/79>, abgerufen am 29.04.2024.