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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der
in seinem Wagen den Leidenden nach der Stadt
befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit.
Tief betroffen waren der Diaconus und seine Frau
gewesen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint.
Dann fiel es den Anderen auf, daß sie plötzlich
die Gefaßteste, und wie es schien, Gleichgültigste
von Allen wurde. Diese Verwandelung geschah nach
einer Unterredung, die sie mit dem Arzte gehabt
hatte. -- Sie wurde der Frau des Diaconus bei
deren vermehrten Haussorgen sehr nützlich, und ein
Geschäft hatte sie seit ihrem Eintritte in das
Haus ausschließlich für sich in Anspruch genommen,
die Bereitung alles dessen, was Oswald bedurfte.
Ein zarter und stiller Verkehr waltete zwischen
Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie sich von selbst
versteht, unter dem strengsten Banne des ärztlichen
Verbotes befangen war. Sie sandte ihm mit dem
leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen
durfte, jederzeit die schönsten Blumen, die sie im Gar-
ten fand. Er hielt diese sanften Boten in seiner
Hand des Tages, und bei Nacht ruhten sie an seinem
Herzen und von dieser Ruhestätte empfing Lisbeth
sie am anderen Morgen wieder. -- Wenn die Haus-

wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der
in ſeinem Wagen den Leidenden nach der Stadt
befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit.
Tief betroffen waren der Diaconus und ſeine Frau
geweſen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint.
Dann fiel es den Anderen auf, daß ſie plötzlich
die Gefaßteſte, und wie es ſchien, Gleichgültigſte
von Allen wurde. Dieſe Verwandelung geſchah nach
einer Unterredung, die ſie mit dem Arzte gehabt
hatte. — Sie wurde der Frau des Diaconus bei
deren vermehrten Hausſorgen ſehr nützlich, und ein
Geſchäft hatte ſie ſeit ihrem Eintritte in das
Haus ausſchließlich für ſich in Anſpruch genommen,
die Bereitung alles deſſen, was Oswald bedurfte.
Ein zarter und ſtiller Verkehr waltete zwiſchen
Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie ſich von ſelbſt
verſteht, unter dem ſtrengſten Banne des ärztlichen
Verbotes befangen war. Sie ſandte ihm mit dem
leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen
durfte, jederzeit die ſchönſten Blumen, die ſie im Gar-
ten fand. Er hielt dieſe ſanften Boten in ſeiner
Hand des Tages, und bei Nacht ruhten ſie an ſeinem
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ſie am anderen Morgen wieder. — Wenn die Haus-

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[187/0199] wahrhaft lieb hatte. Auch der Oberamtmann, der in ſeinem Wagen den Leidenden nach der Stadt befördert hatte, zeigte eine große Anhänglichkeit. Tief betroffen waren der Diaconus und ſeine Frau geweſen. Lisbeth hatte anfangs viel geweint. Dann fiel es den Anderen auf, daß ſie plötzlich die Gefaßteſte, und wie es ſchien, Gleichgültigſte von Allen wurde. Dieſe Verwandelung geſchah nach einer Unterredung, die ſie mit dem Arzte gehabt hatte. — Sie wurde der Frau des Diaconus bei deren vermehrten Hausſorgen ſehr nützlich, und ein Geſchäft hatte ſie ſeit ihrem Eintritte in das Haus ausſchließlich für ſich in Anſpruch genommen, die Bereitung alles deſſen, was Oswald bedurfte. Ein zarter und ſtiller Verkehr waltete zwiſchen Beiden, ungeachtet daß Lisbeth, wie ſich von ſelbſt verſteht, unter dem ſtrengſten Banne des ärztlichen Verbotes befangen war. Sie ſandte ihm mit dem leichten und kühlenden Tranke, welchen er genießen durfte, jederzeit die ſchönſten Blumen, die ſie im Gar- ten fand. Er hielt dieſe ſanften Boten in ſeiner Hand des Tages, und bei Nacht ruhten ſie an ſeinem Herzen und von dieſer Ruheſtätte empfing Lisbeth ſie am anderen Morgen wieder. — Wenn die Haus-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/199>, abgerufen am 29.04.2024.