Er sagte: Aber erfahren darf sie es nie, nie darf sie nach ihrem Ursprunge forschen. Auf mich allein und in meine Brust muß sie gepflanzt seyn. -- Da war nun das Erdreich, in welchem die arme abgeschnittene Staude wieder wachsen sollte, und sie wußte es nicht. Sie war so nahe, daß sie fast seine Stimme hören konnte und doch wußte sie es nicht. -- Nichtige Nöthe! Ihr gehört zur Liebe, wie Schwindel zum Rausche.
Sie kam aber immer nicht. Er wurde unruhig, ging hinunter und fragte nach ihr. Die eine Magd wollte sie den ganzen Tag über nicht gesehen haben, die Andere meinte, sie sei aus dem Hofe gegan- gen. Er durchstrich die nächsten Umgebungen des Oberhofes, aber da war nichts von Lisbeth zu erblicken. Es fing schon an, düster zu werden.
Sechstes Capitel. Suchen und nicht Finden.
Er ſagte: Aber erfahren darf ſie es nie, nie darf ſie nach ihrem Urſprunge forſchen. Auf mich allein und in meine Bruſt muß ſie gepflanzt ſeyn. — Da war nun das Erdreich, in welchem die arme abgeſchnittene Staude wieder wachſen ſollte, und ſie wußte es nicht. Sie war ſo nahe, daß ſie faſt ſeine Stimme hören konnte und doch wußte ſie es nicht. — Nichtige Nöthe! Ihr gehört zur Liebe, wie Schwindel zum Rauſche.
Sie kam aber immer nicht. Er wurde unruhig, ging hinunter und fragte nach ihr. Die eine Magd wollte ſie den ganzen Tag über nicht geſehen haben, die Andere meinte, ſie ſei aus dem Hofe gegan- gen. Er durchſtrich die nächſten Umgebungen des Oberhofes, aber da war nichts von Lisbeth zu erblicken. Es fing ſchon an, düſter zu werden.
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Sechstes Capitel.
Suchen und nicht Finden.
Er ſagte: Aber erfahren darf ſie es nie, nie
darf ſie nach ihrem Urſprunge forſchen. Auf mich
allein und in meine Bruſt muß ſie gepflanzt ſeyn.
— Da war nun das Erdreich, in welchem die
arme abgeſchnittene Staude wieder wachſen ſollte,
und ſie wußte es nicht. Sie war ſo nahe, daß
ſie faſt ſeine Stimme hören konnte und doch wußte
ſie es nicht. — Nichtige Nöthe! Ihr gehört zur
Liebe, wie Schwindel zum Rauſche.
Sie kam aber immer nicht. Er wurde unruhig,
ging hinunter und fragte nach ihr. Die eine Magd
wollte ſie den ganzen Tag über nicht geſehen haben,
die Andere meinte, ſie ſei aus dem Hofe gegan-
gen. Er durchſtrich die nächſten Umgebungen des
Oberhofes, aber da war nichts von Lisbeth zu
erblicken. Es fing ſchon an, düſter zu werden.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/99>, abgerufen am 03.12.2023.
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