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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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ich jemals noch einen Menschen in der Welt so lieben werde -- im
höhern Sinne nicht einmal meine Geliebte -- als dich. Ach ich wuste
es vor der Reise voraus -- und doch nicht ganz. O bleibe nur gesund,
nur gesund, du Unentbehrlicher! -- Grüsse alle und danke deiner
Friederike für mich. -- Ach wenn ich nach jenem Abschiede nur 1 Stunde5
hätte einsam gehen dürfen! --

R.
90. An ?
[Kopie]

Die Meskaskade wirft mich der Dresdner zu.10

91. An Emanuel in Bayreuth.

Es ist mir lieb, daß H. Pfenninger, mein Silhouettenausschneider,
gerade Einen Tag vor meinem Abfluge nach Dresden einen Empfeh-
lungsbrief nach Bayreuth verlangt. Ich empfehle ihn Ihnen, mein15
Guter, hiemit, damit Sie ihn weiter empfehlen. Ein Portraitmaler
erschöpft sich unter allen Künstlern am ersten und braucht neue Städte
zu neuen Werken. Mein dreiköpfiges Zerberus Portrait wird bei
Ihnen schon der Fürsprecher seines Pinsels sein. Übrigens hat er hier
manches andere noch viel besser der Natur weggeschnapt als meines.20
Thun Sie was Sie können! --

Anlangend mich, so weis ich nicht wo mein Kopf steht, ausser nach
3 Tagen, wo er auf der Dresdner Brücke stehen sol. Die Fluten der
Messe haben mich gegen alles, und alles gegen mich getrieben und
ich halte eben meinen Kopf wie ein Seehund aus dem Wasser und25
zieh' einmal Athem.

Ach wie lang und bedekt ist schon wieder die Zeit, wo wir uns alle
sahen, und ihre Blüten und Dornen! -- Der Schmerz hatte sein
Stilet sehr spizig und scharf geschliffen, da ich mich in Hof von der[69]
Freundschaft trente, ich meine nicht von der weiblichen! --30

Sagen Sie Ihrem lieben Bruder noch selbst für seine Vatersorge
für mein Seelen-Gehäuse den warmen Dank, dessen Wiederholung er
durch [seine] verborgne Abreise entfloh, vielleicht zürnend, über meine
von der Zeit befohlne Unsichtbarkeit bei ihm. --

ich jemals noch einen Menſchen in der Welt ſo lieben werde — im
höhern Sinne nicht einmal meine Geliebte — als dich. Ach ich wuſte
es vor der Reiſe voraus — und doch nicht ganz. O bleibe nur geſund,
nur geſund, du Unentbehrlicher! — Grüſſe alle und danke deiner
Friederike für mich. — Ach wenn ich nach jenem Abſchiede nur 1 Stunde5
hätte einſam gehen dürfen! —

R.
90. An ?
[Kopie]

Die Meskaſkade wirft mich der Dresdner zu.10

91. An Emanuel in Bayreuth.

Es iſt mir lieb, daß H. Pfenninger, mein Silhouettenausſchneider,
gerade Einen Tag vor meinem Abfluge nach Dresden einen Empfeh-
lungsbrief nach Bayreuth verlangt. Ich empfehle ihn Ihnen, mein15
Guter, hiemit, damit Sie ihn weiter empfehlen. Ein Portraitmaler
erſchöpft ſich unter allen Künſtlern am erſten und braucht neue Städte
zu neuen Werken. Mein dreiköpfiges Zerberus Portrait wird bei
Ihnen ſchon der Fürſprecher ſeines Pinſels ſein. Übrigens hat er hier
manches andere noch viel beſſer der Natur weggeſchnapt als meines.20
Thun Sie was Sie können! —

Anlangend mich, ſo weis ich nicht wo mein Kopf ſteht, auſſer nach
3 Tagen, wo er auf der Dresdner Brücke ſtehen ſol. Die Fluten der
Meſſe haben mich gegen alles, und alles gegen mich getrieben und
ich halte eben meinen Kopf wie ein Seehund aus dem Waſſer und25
zieh’ einmal Athem.

Ach wie lang und bedekt iſt ſchon wieder die Zeit, wo wir uns alle
ſahen, und ihre Blüten und Dornen! — Der Schmerz hatte ſein
Stilet ſehr ſpizig und ſcharf geſchliffen, da ich mich in Hof von der[69]
Freundſchaft trente, ich meine nicht von der weiblichen! —30

Sagen Sie Ihrem lieben Bruder noch ſelbſt für ſeine Vaterſorge
für mein Seelen-Gehäuſe den warmen Dank, deſſen Wiederholung er
durch [ſeine] verborgne Abreiſe entfloh, vielleicht zürnend, über meine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/70>, abgerufen am 30.04.2024.