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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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-- gebükt und fütternd vor ihrer jungen Fasanerie, und mich seh'
ich oben am Fenster, aus welchem mein inniger Morgengrus nicht so
weit herunter hat als aus dieser Stube. [Es thut] wohl, von der Liebe
zu nichts zu reisen als zur Liebe. Möchte jede Stunde eine Blumen-
göttin für Sie sein. Aber sie sol Ihnen keine Blumen geben, die auf5
Gräbern wachsen. In Ihren lachenden Jahren d[ürfen] die Gräber
nur Stufen sein, um höher zu steigen, nicht schon Ruhebänke, um
sich darauf zu sezen.

116. Ins Stammbuch der Gräfin Moltke?

Der Garten ist eine zusammengezogne Landschaft, -- und so ist10
das häusliche Zimmer eine ganze verkleinerte Welt. Zu einem Himmel
braucht ein schönes Herz nicht viel Plaz und Sterne, nur den der
Liebe. --

Das Ihrige, sanfte Seele, trage der Unendliche sanft und
warm über das kalte Leben und alles was Sie lieben, bleibe15
nicht nur in, sonder auch an Ihrem Herzen! --

Jean Paul Fr. Richter
117. An J. K. Chr. Nachtigal in Halberstadt.
[Kopie]20

Eine leichtbewafnete Note -- dagegen hätte ein Petrus sein
Schwert ziehen sollen, um dem Malchus die Ohren nicht abzuhauen
sondern abzukürzen.

*118. An Amöne Herold.
25

Meine gute Amöne! Ich danke Ihnen, daß Sie über Briefe keine
scharfe Rechnung mit mir halten; Sie bleiben da immer die Gläubi-
gerin. Ich wolte Sie fänden hierin Nachahmer und Nachahmerinnen.

Ihrem W ..... zer hab' ich immer nur die geniessende raubende,
aber liebende Rohheit des Jünglings zugetraut, nicht den berechnenden,[89]30
merkantilischen, harten Egoismus von ........

Ueber W. Enschlüsse freu' ich mich hier in der Ferne leichter; aber
nun rükt die Stunde oder das Jahr immer gewaltiger heran, das die

6 Jean Paul Briefe. III.

— gebükt und fütternd vor ihrer jungen Faſanerie, und mich ſeh’
ich oben am Fenſter, aus welchem mein inniger Morgengrus nicht ſo
weit herunter hat als aus dieſer Stube. [Es thut] wohl, von der Liebe
zu nichts zu reiſen als zur Liebe. Möchte jede Stunde eine Blumen-
göttin für Sie ſein. Aber ſie ſol Ihnen keine Blumen geben, die auf5
Gräbern wachſen. In Ihren lachenden Jahren d[ürfen] die Gräber
nur Stufen ſein, um höher zu ſteigen, nicht ſchon Ruhebänke, um
ſich darauf zu ſezen.

116. Ins Stammbuch der Gräfin Moltke?

Der Garten iſt eine zuſammengezogne Landſchaft, — und ſo iſt10
das häusliche Zimmer eine ganze verkleinerte Welt. Zu einem Himmel
braucht ein ſchönes Herz nicht viel Plaz und Sterne, nur den der
Liebe. —

Das Ihrige, ſanfte Seele, trage der Unendliche ſanft und
warm über das kalte Leben und alles was Sie lieben, bleibe15
nicht nur in, ſonder auch an Ihrem Herzen! —

Jean Paul Fr. Richter
117. An J. K. Chr. Nachtigal in Halberſtadt.
[Kopie]20

Eine leichtbewafnete Note — dagegen hätte ein Petrus ſein
Schwert ziehen ſollen, um dem Malchus die Ohren nicht abzuhauen
ſondern abzukürzen.

*118. An Amöne Herold.
25

Meine gute Amöne! Ich danke Ihnen, daß Sie über Briefe keine
ſcharfe Rechnung mit mir halten; Sie bleiben da immer die Gläubi-
gerin. Ich wolte Sie fänden hierin Nachahmer und Nachahmerinnen.

Ihrem W ..... zer hab’ ich immer nur die genieſſende raubende,
aber liebende Rohheit des Jünglings zugetraut, nicht den berechnenden,[89]30
merkantiliſchen, harten Egoiſmus von ........

Ueber W. Enſchlüſſe freu’ ich mich hier in der Ferne leichter; aber
nun rükt die Stunde oder das Jahr immer gewaltiger heran, das die

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[81/0090] — gebükt und fütternd vor ihrer jungen Faſanerie, und mich ſeh’ ich oben am Fenſter, aus welchem mein inniger Morgengrus nicht ſo weit herunter hat als aus dieſer Stube. [Es thut] wohl, von der Liebe zu nichts zu reiſen als zur Liebe. Möchte jede Stunde eine Blumen- göttin für Sie ſein. Aber ſie ſol Ihnen keine Blumen geben, die auf 5 Gräbern wachſen. In Ihren lachenden Jahren d[ürfen] die Gräber nur Stufen ſein, um höher zu ſteigen, nicht ſchon Ruhebänke, um ſich darauf zu ſezen. 116. Ins Stammbuch der Gräfin Moltke? Der Garten iſt eine zuſammengezogne Landſchaft, — und ſo iſt 10 das häusliche Zimmer eine ganze verkleinerte Welt. Zu einem Himmel braucht ein ſchönes Herz nicht viel Plaz und Sterne, nur den der Liebe. — Das Ihrige, ſanfte Seele, trage der Unendliche ſanft und warm über das kalte Leben und alles was Sie lieben, bleibe 15 nicht nur in, ſonder auch an Ihrem Herzen! — Jean Paul Fr. Richter Leipzig d. 11 Aug. 98. 117. An J. K. Chr. Nachtigal in Halberſtadt. [Leipzig, 15. Aug. 1798] 20 Eine leichtbewafnete Note — dagegen hätte ein Petrus ſein Schwert ziehen ſollen, um dem Malchus die Ohren nicht abzuhauen ſondern abzukürzen. *118. An Amöne Herold. Leipzig d. 12 Aug. 98. 25 Meine gute Amöne! Ich danke Ihnen, daß Sie über Briefe keine ſcharfe Rechnung mit mir halten; Sie bleiben da immer die Gläubi- gerin. Ich wolte Sie fänden hierin Nachahmer und Nachahmerinnen. Ihrem W ..... zer hab’ ich immer nur die genieſſende raubende, aber liebende Rohheit des Jünglings zugetraut, nicht den berechnenden, 30 merkantiliſchen, harten Egoiſmus von ........ [89] Ueber W. Enſchlüſſe freu’ ich mich hier in der Ferne leichter; aber nun rükt die Stunde oder das Jahr immer gewaltiger heran, das die 6 Jean Paul Briefe. III.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/90>, abgerufen am 30.04.2024.