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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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eine Bitte zu haben, aber] ich weis, daß mir ohne Sie [in Weimar]
die Erinnerungen der reichern Zeit die gegenwärtige zu sehr bestehlen
werden. [Also kommen Sie wo möglich aus Franken zurük! Ich sehe eine
himmelblaue Zukunft und einen Genius, dessen Flügel mich kühlen und
[96]tragen. Ich bin ein Auferstandener und die Bande der Erde liegen im5
Grabe.] Leipzig, dessen leere eingesunkne Gegend mich drükt.

*122. An Buchhändler Hennings in Erfurt.

Die mir übersandten Reisen verrathen so viel Wiz, Phantasie und
Gefühl, daß es sehr Schade ist, daß der Verfasser sich durch eine10
fremde Manier seine Manier verdunkelt, und dadurch des Effekts,
welchen er hätte machen können, sich zum Theil beraubt hat.



123. In J. N. Lindahls Stammbuch.

Der Unendliche hat wie die Sonne, zwei Wege -- den scheinbaren
um uns, von unserem kleinen Morgen zu unserem kleinen Abend -- und15
den wahren dessen Dasein und nicht dessen Richtung wir wissen.

Unser Leben ist wie der Abend ein Mittelding zwischen
Nacht und Sonne, und an einem Abend wünsch' ich
Ihnen nur die leztere.

[Spaltenumbruch] [Spaltenumbruch]
Jean Paul Fr. Richter20
124. An Karoline Herold.
[Kopie]

So bleib[en] mir mitten in den bunten umkreisenden Bildergallerien
neuer Menschen die Gestalt[en] meiner Geliebten unverändert. --
Dem zerstörenden Berauschen der Gefühle nachgeben. Der wolkenfreie25
Nachsommer umfliesse dich mit lauen Wellen.

125. An Christian Otto.

Eh' ich mit Schiller und dem Balbier mich anastomasiere, wil ich30
dir schreiben. Vor 2 oder 3 Jahren schrieb ich dir auch, aber aus dem

eine Bitte zu haben, aber] ich weis, daß mir ohne Sie [in Weimar]
die Erinnerungen der reichern Zeit die gegenwärtige zu ſehr beſtehlen
werden. [Alſo kommen Sie wo möglich aus Franken zurük! Ich ſehe eine
himmelblaue Zukunft und einen Genius, deſſen Flügel mich kühlen und
[96]tragen. Ich bin ein Auferſtandener und die Bande der Erde liegen im5
Grabe.] Leipzig, deſſen leere eingeſunkne Gegend mich drükt.

*122. An Buchhändler Hennings in Erfurt.

Die mir überſandten Reiſen verrathen ſo viel Wiz, Phantaſie und
Gefühl, daß es ſehr Schade iſt, daß der Verfaſſer ſich durch eine10
fremde Manier ſeine Manier verdunkelt, und dadurch des Effekts,
welchen er hätte machen können, ſich zum Theil beraubt hat.



123. In J. N. Lindahls Stammbuch.

Der Unendliche hat wie die Sonne, zwei Wege — den ſcheinbaren
um uns, von unſerem kleinen Morgen zu unſerem kleinen Abend — und15
den wahren deſſen Daſein und nicht deſſen Richtung wir wiſſen.

Unſer Leben iſt wie der Abend ein Mittelding zwiſchen
Nacht und Sonne, und an einem Abend wünſch’ ich
Ihnen nur die leztere.

[Spaltenumbruch] [Spaltenumbruch]
Jean Paul Fr. Richter20
124. An Karoline Herold.
[Kopie]

So bleib[en] mir mitten in den bunten umkreiſenden Bildergallerien
neuer Menſchen die Geſtalt[en] meiner Geliebten unverändert. —
Dem zerſtörenden Berauſchen der Gefühle nachgeben. Der wolkenfreie25
Nachſommer umflieſſe dich mit lauen Wellen.

125. An Chriſtian Otto.

Eh’ ich mit Schiller und dem Balbier mich anaſtomaſiere, wil ich30
dir ſchreiben. Vor 2 oder 3 Jahren ſchrieb ich dir auch, aber aus dem

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[88/0097] eine Bitte zu haben, aber] ich weis, daß mir ohne Sie [in Weimar] die Erinnerungen der reichern Zeit die gegenwärtige zu ſehr beſtehlen werden. [Alſo kommen Sie wo möglich aus Franken zurük! Ich ſehe eine himmelblaue Zukunft und einen Genius, deſſen Flügel mich kühlen und tragen. Ich bin ein Auferſtandener und die Bande der Erde liegen im 5 Grabe.] Leipzig, deſſen leere eingeſunkne Gegend mich drükt. [96] *122. An Buchhändler Hennings in Erfurt. [Leipzig, Aug. (?) 1798] Die mir überſandten Reiſen verrathen ſo viel Wiz, Phantaſie und Gefühl, daß es ſehr Schade iſt, daß der Verfaſſer ſich durch eine 10 fremde Manier ſeine Manier verdunkelt, und dadurch des Effekts, welchen er hätte machen können, ſich zum Theil beraubt hat. 123. In J. N. Lindahls Stammbuch. Der Unendliche hat wie die Sonne, zwei Wege — den ſcheinbaren um uns, von unſerem kleinen Morgen zu unſerem kleinen Abend — und 15 den wahren deſſen Daſein und nicht deſſen Richtung wir wiſſen. Unſer Leben iſt wie der Abend ein Mittelding zwiſchen Nacht und Sonne, und an einem Abend wünſch’ ich Ihnen nur die leztere. Weimar. d. 3 Sept. 98. Jean Paul Fr. Richter 20 124. An Karoline Herold. [Naumburg, 4. Sept. 1798] So bleib[en] mir mitten in den bunten umkreiſenden Bildergallerien neuer Menſchen die Geſtalt[en] meiner Geliebten unverändert. — Dem zerſtörenden Berauſchen der Gefühle nachgeben. Der wolkenfreie 25 Nachſommer umflieſſe dich mit lauen Wellen. 125. An Chriſtian Otto. Jena d. 22 Aug. 98 [Mittwoch] um 4½ Uhr. Eh’ ich mit Schiller und dem Balbier mich anaſtomaſiere, wil ich 30 dir ſchreiben. Vor 2 oder 3 Jahren ſchrieb ich dir auch, aber aus dem

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/97>, abgerufen am 30.04.2024.