Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 9. Berlin, 1964.

Bild:
<< vorherige Seite
12. An Johann Georg Zimmer in Heidelberg.

Auf Ihre werthe Antwort vom 25ten Sept. hab' ich wieder eine
Frage zu thun. Sie wünschen ein Jahr Aufschub der Herausgabe des
dritten Theils. Wenn Sie von dieser Messe an das Jahr rechnen,5
also bis M[ichaelis] M[esse] 1810: so ist mir dieser Verzug recht
angenehm. Verstanden Sie aber die Ostermesse 1811: so kommt die
neue Biographie, die ich diesem Theile geben wollte und an deren
Vollendung ich schon 3 Jahre lange gehindert wurde, in ein anderes
Werk, und ich würde im 3ten Theile wenig mehr als schon gedruckte10
Aufsätze zu geben haben.

Da wir höchst wahrscheinlich jetzt in einen langen Friedensstand
hineinversetzt, wenn nicht gezwungen werden: so wird gewiß in
einigen Jahren der Buchhandel, bei der jetzt angeregten Energie der
Deutschen, seine größten Wunden geschlossen haben.15

Leben Sie recht wol! Und antworten Sie mir bald.

Ihr
Jean Paul Fr. Richter
13. An Oberkirchenrat Niethammer in München.
20

Verzeihen Sie, verehrtester Herr Oberkirchenrath, einer warmen
Bitte eine kurze Nachricht. Beide betreffen das künftige Schicksal
des hiesigen Profess. Wagner bei der Besetzung zweier erledigten
Professuren. Es ist nur das kleinere Lob, wenn ich sage, daß er eine
gute "Anthropologie", eine "Logik", eine "Religionslehre" und25
"Beobachtungen und Bemerkungen über die Erziehung des Menschen
"durch die bloße Natur" herausgegeben. Sein größtes ist sein mit
Lehrer-Wärme und Treue angewandtes Talent für Erziehung und
Unterricht. Da er in Sprachen und überall die Saite langsam zum
rechten Tone hinauf stimmt und also die Gefahr vermeidet, zu über-30
stimmen oder zu zersprengen: so thut er alle seine Schritte nur vor-
wärts, wie ich an meinem eignen 8jährigen Sohne finde, den er blos
täglich 2 Stunden in Latein, Geschichte und Geometrie unterrichtet.
Er hat die höchste Begeisterung seiner Zöglinge für sich, ob er gleich
(oder vielmehr eben darum) die Strenge der ältern Lehrer, nicht die35

12. An Johann Georg Zimmer in Heidelberg.

Auf Ihre werthe Antwort vom 25ten Sept. hab’ ich wieder eine
Frage zu thun. Sie wünſchen ein Jahr Aufſchub der Herausgabe des
dritten Theils. Wenn Sie von dieſer Meſſe an das Jahr rechnen,5
alſo bis M[ichaelis] M[eſſe] 1810: ſo iſt mir dieſer Verzug recht
angenehm. Verſtanden Sie aber die Oſtermeſſe 1811: ſo kommt die
neue Biographie, die ich dieſem Theile geben wollte und an deren
Vollendung ich ſchon 3 Jahre lange gehindert wurde, in ein anderes
Werk, und ich würde im 3ten Theile wenig mehr als ſchon gedruckte10
Aufſätze zu geben haben.

Da wir höchſt wahrſcheinlich jetzt in einen langen Friedensſtand
hineinverſetzt, wenn nicht gezwungen werden: ſo wird gewiß in
einigen Jahren der Buchhandel, bei der jetzt angeregten Energie der
Deutſchen, ſeine größten Wunden geſchloſſen haben.15

Leben Sie recht wol! Und antworten Sie mir bald.

Ihr
Jean Paul Fr. Richter
13. An Oberkirchenrat Niethammer in München.
20

Verzeihen Sie, verehrteſter Herr Oberkirchenrath, einer warmen
Bitte eine kurze Nachricht. Beide betreffen das künftige Schickſal
des hieſigen Profeſſ. Wagner bei der Beſetzung zweier erledigten
Profeſſuren. Es iſt nur das kleinere Lob, wenn ich ſage, daß er eine
gute „Anthropologie“, eine „Logik“, eine „Religionslehre“ und25
„Beobachtungen und Bemerkungen über die Erziehung des Menſchen
„durch die bloße Natur“ herausgegeben. Sein größtes iſt ſein mit
Lehrer-Wärme und Treue angewandtes Talent für Erziehung und
Unterricht. Da er in Sprachen und überall die Saite langſam zum
rechten Tone hinauf ſtimmt und alſo die Gefahr vermeidet, zu über-30
ſtimmen oder zu zerſprengen: ſo thut er alle ſeine Schritte nur vor-
wärts, wie ich an meinem eignen 8jährigen Sohne finde, den er blos
täglich 2 Stunden in Latein, Geſchichte und Geometrie unterrichtet.
Er hat die höchſte Begeiſterung ſeiner Zöglinge für ſich, ob er gleich
(oder vielmehr eben darum) die Strenge der ältern Lehrer, nicht die35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0016" n="9"/>
        <div type="letter" n="2">
          <head>12. An <hi rendition="#g">Johann Georg Zimmer in Heidelberg.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth d.</hi> 12. Okt. 09</hi> </dateline><lb/>
          <p>Auf Ihre werthe Antwort vom 25<hi rendition="#sup">ten</hi> Sept. hab&#x2019; ich wieder eine<lb/>
Frage zu thun. Sie wün&#x017F;chen ein Jahr Auf&#x017F;chub der Herausgabe des<lb/>
dritten Theils. Wenn Sie von die&#x017F;er Me&#x017F;&#x017F;e an das Jahr rechnen,<lb n="5"/>
al&#x017F;o bis M[ichaelis] M[e&#x017F;&#x017F;e] 1810: &#x017F;o i&#x017F;t mir die&#x017F;er Verzug recht<lb/>
angenehm. Ver&#x017F;tanden Sie aber die O&#x017F;terme&#x017F;&#x017F;e 1811: &#x017F;o kommt die<lb/>
neue Biographie, die ich die&#x017F;em Theile geben wollte und an deren<lb/>
Vollendung ich &#x017F;chon 3 Jahre lange gehindert wurde, in ein anderes<lb/>
Werk, und ich würde im 3<hi rendition="#sup">ten</hi> Theile wenig mehr als &#x017F;chon gedruckte<lb n="10"/>
Auf&#x017F;ätze zu geben haben.</p><lb/>
          <p>Da wir höch&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich jetzt in einen langen Friedens&#x017F;tand<lb/>
hineinver&#x017F;etzt, wenn nicht gezwungen werden: &#x017F;o wird gewiß in<lb/>
einigen Jahren der Buchhandel, bei der jetzt angeregten Energie der<lb/>
Deut&#x017F;chen, &#x017F;eine größten Wunden ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en haben.<lb n="15"/>
</p>
          <p>Leben Sie recht wol! Und antworten Sie mir bald.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb/>
Jean Paul Fr. Richter</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div type="letter" n="2">
          <head>13. An <hi rendition="#g">Oberkirchenrat Niethammer in München.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth d. 8. Jul.</hi> 1811</hi> </dateline>
          <lb n="20"/>
          <p>Verzeihen Sie, verehrte&#x017F;ter Herr Oberkirchenrath, einer warmen<lb/>
Bitte eine kurze Nachricht. Beide betreffen das künftige Schick&#x017F;al<lb/>
des hie&#x017F;igen Profe&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#aq">Wagner</hi> bei der Be&#x017F;etzung zweier erledigten<lb/>
Profe&#x017F;&#x017F;uren. Es i&#x017F;t nur das kleinere Lob, wenn ich &#x017F;age, daß er eine<lb/><hi rendition="#g">gute</hi> &#x201E;Anthropologie&#x201C;, eine &#x201E;Logik&#x201C;, eine &#x201E;Religionslehre&#x201C; und<lb n="25"/>
&#x201E;Beobachtungen und Bemerkungen über die Erziehung des Men&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;durch die bloße Natur&#x201C; herausgegeben. Sein größtes i&#x017F;t &#x017F;ein mit<lb/>
Lehrer-Wärme und Treue angewandtes Talent für Erziehung und<lb/>
Unterricht. Da er in Sprachen und überall die Saite lang&#x017F;am zum<lb/>
rechten Tone hinauf &#x017F;timmt und al&#x017F;o die Gefahr vermeidet, zu über-<lb n="30"/>
&#x017F;timmen oder zu zer&#x017F;prengen: &#x017F;o thut er alle &#x017F;eine Schritte nur vor-<lb/>
wärts, wie ich an meinem eignen 8jährigen Sohne finde, den er blos<lb/>
täglich 2 Stunden in Latein, Ge&#x017F;chichte und Geometrie unterrichtet.<lb/>
Er hat die höch&#x017F;te Begei&#x017F;terung &#x017F;einer Zöglinge für &#x017F;ich, ob er gleich<lb/>
(oder vielmehr eben darum) die Strenge der ältern Lehrer, nicht die<lb n="35"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0016] 12. An Johann Georg Zimmer in Heidelberg. Bayreuth d. 12. Okt. 09 Auf Ihre werthe Antwort vom 25ten Sept. hab’ ich wieder eine Frage zu thun. Sie wünſchen ein Jahr Aufſchub der Herausgabe des dritten Theils. Wenn Sie von dieſer Meſſe an das Jahr rechnen, 5 alſo bis M[ichaelis] M[eſſe] 1810: ſo iſt mir dieſer Verzug recht angenehm. Verſtanden Sie aber die Oſtermeſſe 1811: ſo kommt die neue Biographie, die ich dieſem Theile geben wollte und an deren Vollendung ich ſchon 3 Jahre lange gehindert wurde, in ein anderes Werk, und ich würde im 3ten Theile wenig mehr als ſchon gedruckte 10 Aufſätze zu geben haben. Da wir höchſt wahrſcheinlich jetzt in einen langen Friedensſtand hineinverſetzt, wenn nicht gezwungen werden: ſo wird gewiß in einigen Jahren der Buchhandel, bei der jetzt angeregten Energie der Deutſchen, ſeine größten Wunden geſchloſſen haben. 15 Leben Sie recht wol! Und antworten Sie mir bald. Ihr Jean Paul Fr. Richter 13. An Oberkirchenrat Niethammer in München. Bayreuth d. 8. Jul. 1811 20 Verzeihen Sie, verehrteſter Herr Oberkirchenrath, einer warmen Bitte eine kurze Nachricht. Beide betreffen das künftige Schickſal des hieſigen Profeſſ. Wagner bei der Beſetzung zweier erledigten Profeſſuren. Es iſt nur das kleinere Lob, wenn ich ſage, daß er eine gute „Anthropologie“, eine „Logik“, eine „Religionslehre“ und 25 „Beobachtungen und Bemerkungen über die Erziehung des Menſchen „durch die bloße Natur“ herausgegeben. Sein größtes iſt ſein mit Lehrer-Wärme und Treue angewandtes Talent für Erziehung und Unterricht. Da er in Sprachen und überall die Saite langſam zum rechten Tone hinauf ſtimmt und alſo die Gefahr vermeidet, zu über- 30 ſtimmen oder zu zerſprengen: ſo thut er alle ſeine Schritte nur vor- wärts, wie ich an meinem eignen 8jährigen Sohne finde, den er blos täglich 2 Stunden in Latein, Geſchichte und Geometrie unterrichtet. Er hat die höchſte Begeiſterung ſeiner Zöglinge für ſich, ob er gleich (oder vielmehr eben darum) die Strenge der ältern Lehrer, nicht die 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:36:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:36:37Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe09_1964
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe09_1964/16
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 9. Berlin, 1964, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe09_1964/16>, abgerufen am 29.04.2024.