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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Olivares.
Hartnäckigkeit, mit der er auf falschem Wege auch unter den
drohendsten Vorzeichen fortschritt. Er besass eine orginelle, im Ge-
schmack der Zeit starkgefärbte, bald sarkastische, bald zelotische,
nicht uninteressante Beredsamkeit, und liebte sich reden zu hören,
aber die Heftigkeit seiner Ergüsse wies auf ein überreiztes Ge-
hirn. Was half ihm sein Misstrauen gegen alle Menschen, seine
machiavellistische Unbedenklichkeit in der Wahl der Mittel, wenn
er seine Leidenschaften verrieth! Ein Wort reichte ja hin,
um vor dem Gesandten dessen König, Nation, Minister mit wilden
Schmähungen und Drohungen zu überhäufen. Er war empfindlich,
und verstand keinen Scherz; devot dabei nicht bloss, sondern stark
melancholisch und abergläubisch. Er sprach von der Welt und
ihrer Grösse wie ein Kapuziner und hatte in seinem Zimmer
eine Bahre, in die er zuweilen hinein stieg, unter den Klängen
eines De profundis. Er beneide, rief er, das Loos des niedrigsten
Palastkehrers (barrendero). Man glaubt in seinem Wesen die
geistlichen Anfänge durchscheinen zu sehn: es ist etwas pfäffisches
in dem Hang zu indirekten Mitteln und zur Kabale, in der glühen-
den Herrschsucht und Rachsucht, in seinen weitschweifigen Ab-
kanzlungen. Vor Blutvergiessen zeigte er Scheu. Am Ende
hätte er doch Erfolg gehabt, wenn seine Politik von der Unter-
strömung der Zeit getragen gewesen wäre. Aber sie fiel in die
schon eingetretene, unaufhaltsame Rückbewegung Spaniens von
seiner vorübergehenden Weltmachtstellung zu den natürlichen
Grenzen, die es im Mittelalter besessen. --

Im Museum zu Madrid, und soviel mir bekannt in Spanien,
befindet sich nur ein Bildniss des Conde Duque von des Meisters
Hand, das der letzten Zeit seines Lebens angehört. Aber sollte
Velazquez seinen Gönner im Lauf von zwei und zwanzig Jahren
nur einmal aufgenommen haben? Ausser dem etwas eitlen Ori-
ginal selbst, werden nicht die Grossen des Hofs, selbst auswärtige
Fürsten das Bildniss des furchtbaren Mannes erbeten haben?
Ebenso begreiflich ist freilich, dass diese Bildnisse nach seinem
Sturz verschwanden. Wer mochte die verhasste finstre Gestalt
nun noch in seiner Nähe sehen. In der That sind im Ausland
ausser zahlreichen gleichzeitigen Atelierbildern und Kopien noch
mehrere unzweifelhafte Originale nachweisbar, auch gibt es Kupfer-
stiche nach verschollenen Originalen des Velazquez.

Die übriggebliebenen Gemälde und Stiche zerfallen in zwei
Gruppen. Die einen, wenig zahlreich, stellen ihn dar von der

Olivares.
Hartnäckigkeit, mit der er auf falschem Wege auch unter den
drohendsten Vorzeichen fortschritt. Er besass eine orginelle, im Ge-
schmack der Zeit starkgefärbte, bald sarkastische, bald zelotische,
nicht uninteressante Beredsamkeit, und liebte sich reden zu hören,
aber die Heftigkeit seiner Ergüsse wies auf ein überreiztes Ge-
hirn. Was half ihm sein Misstrauen gegen alle Menschen, seine
machiavellistische Unbedenklichkeit in der Wahl der Mittel, wenn
er seine Leidenschaften verrieth! Ein Wort reichte ja hin,
um vor dem Gesandten dessen König, Nation, Minister mit wilden
Schmähungen und Drohungen zu überhäufen. Er war empfindlich,
und verstand keinen Scherz; devot dabei nicht bloss, sondern stark
melancholisch und abergläubisch. Er sprach von der Welt und
ihrer Grösse wie ein Kapuziner und hatte in seinem Zimmer
eine Bahre, in die er zuweilen hinein stieg, unter den Klängen
eines De profundis. Er beneide, rief er, das Loos des niedrigsten
Palastkehrers (barrendero). Man glaubt in seinem Wesen die
geistlichen Anfänge durchscheinen zu sehn: es ist etwas pfäffisches
in dem Hang zu indirekten Mitteln und zur Kabale, in der glühen-
den Herrschsucht und Rachsucht, in seinen weitschweifigen Ab-
kanzlungen. Vor Blutvergiessen zeigte er Scheu. Am Ende
hätte er doch Erfolg gehabt, wenn seine Politik von der Unter-
strömung der Zeit getragen gewesen wäre. Aber sie fiel in die
schon eingetretene, unaufhaltsame Rückbewegung Spaniens von
seiner vorübergehenden Weltmachtstellung zu den natürlichen
Grenzen, die es im Mittelalter besessen. —

Im Museum zu Madrid, und soviel mir bekannt in Spanien,
befindet sich nur ein Bildniss des Conde Duque von des Meisters
Hand, das der letzten Zeit seines Lebens angehört. Aber sollte
Velazquez seinen Gönner im Lauf von zwei und zwanzig Jahren
nur einmal aufgenommen haben? Ausser dem etwas eitlen Ori-
ginal selbst, werden nicht die Grossen des Hofs, selbst auswärtige
Fürsten das Bildniss des furchtbaren Mannes erbeten haben?
Ebenso begreiflich ist freilich, dass diese Bildnisse nach seinem
Sturz verschwanden. Wer mochte die verhasste finstre Gestalt
nun noch in seiner Nähe sehen. In der That sind im Ausland
ausser zahlreichen gleichzeitigen Atelierbildern und Kopien noch
mehrere unzweifelhafte Originale nachweisbar, auch gibt es Kupfer-
stiche nach verschollenen Originalen des Velazquez.

Die übriggebliebenen Gemälde und Stiche zerfallen in zwei
Gruppen. Die einen, wenig zahlreich, stellen ihn dar von der

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[211/0233] Olivares. Hartnäckigkeit, mit der er auf falschem Wege auch unter den drohendsten Vorzeichen fortschritt. Er besass eine orginelle, im Ge- schmack der Zeit starkgefärbte, bald sarkastische, bald zelotische, nicht uninteressante Beredsamkeit, und liebte sich reden zu hören, aber die Heftigkeit seiner Ergüsse wies auf ein überreiztes Ge- hirn. Was half ihm sein Misstrauen gegen alle Menschen, seine machiavellistische Unbedenklichkeit in der Wahl der Mittel, wenn er seine Leidenschaften verrieth! Ein Wort reichte ja hin, um vor dem Gesandten dessen König, Nation, Minister mit wilden Schmähungen und Drohungen zu überhäufen. Er war empfindlich, und verstand keinen Scherz; devot dabei nicht bloss, sondern stark melancholisch und abergläubisch. Er sprach von der Welt und ihrer Grösse wie ein Kapuziner und hatte in seinem Zimmer eine Bahre, in die er zuweilen hinein stieg, unter den Klängen eines De profundis. Er beneide, rief er, das Loos des niedrigsten Palastkehrers (barrendero). Man glaubt in seinem Wesen die geistlichen Anfänge durchscheinen zu sehn: es ist etwas pfäffisches in dem Hang zu indirekten Mitteln und zur Kabale, in der glühen- den Herrschsucht und Rachsucht, in seinen weitschweifigen Ab- kanzlungen. Vor Blutvergiessen zeigte er Scheu. Am Ende hätte er doch Erfolg gehabt, wenn seine Politik von der Unter- strömung der Zeit getragen gewesen wäre. Aber sie fiel in die schon eingetretene, unaufhaltsame Rückbewegung Spaniens von seiner vorübergehenden Weltmachtstellung zu den natürlichen Grenzen, die es im Mittelalter besessen. — Im Museum zu Madrid, und soviel mir bekannt in Spanien, befindet sich nur ein Bildniss des Conde Duque von des Meisters Hand, das der letzten Zeit seines Lebens angehört. Aber sollte Velazquez seinen Gönner im Lauf von zwei und zwanzig Jahren nur einmal aufgenommen haben? Ausser dem etwas eitlen Ori- ginal selbst, werden nicht die Grossen des Hofs, selbst auswärtige Fürsten das Bildniss des furchtbaren Mannes erbeten haben? Ebenso begreiflich ist freilich, dass diese Bildnisse nach seinem Sturz verschwanden. Wer mochte die verhasste finstre Gestalt nun noch in seiner Nähe sehen. In der That sind im Ausland ausser zahlreichen gleichzeitigen Atelierbildern und Kopien noch mehrere unzweifelhafte Originale nachweisbar, auch gibt es Kupfer- stiche nach verschollenen Originalen des Velazquez. Die übriggebliebenen Gemälde und Stiche zerfallen in zwei Gruppen. Die einen, wenig zahlreich, stellen ihn dar von der

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/233>, abgerufen am 27.04.2024.