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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
lebhaften Blick erkennt man die Schule des Rubens. Nach den
lateinischen Versen sollte man darin zugleich den tiefen, ernsten,
redlichen Staatsmann und den geistreichen Kopf verehren 1).

Auf dem Sockel mit dem Distichon des Caspar Gevartius,
an dessen Seiten zwei geflügelte Knaben mit den Emblemen der
Minerva und des Herkules sitzen, steht das Piedestal mit dem
Wappen, und darüber das Bildniss in einfachem elliptischem
Rahmen von Perlschnüren, den Palmzweige umschlingen, nebst
Fackeln und Posaunen. Ueber dem Bildniss sieht man eine
Symbolgruppe, welche das Ziel andeutet, das hinter dieser
frons serena sich verbirgt: der Erdglobus, bekrönt vom be-
schwingten Lorbeerkranz, und darüber der Abendstern von der
Schlange eingeschlossen: die Weltherrschaft Hesperiens bis ans
Ende der Tage, die aber, wie die Olive verheisst, zugleich der
Weltfriede ist 2).

Endlich giebt es noch ein sehr bizarres Bildniss in ganzer
Figur, im Besitz des Herzogs von Villahermosa in Madrid, das
aber von anderer Hand und vor der Ankunft des Velazquez ge-
malt wurde. Diese Gestalt, mit dem noch mehr zwischen den
Schultern sitzenden Kopf auf wuchtigem Oberkörper, den schwe-
ren Goldketten und Goldsporen berührt wie eine Comödienfigur.
Vielleicht aber drückt sie das überspannte Wesen des Mannes
naiver aus (wenn auch karikirt) als jene würdevolleren Interpre-
tationen. Das rothe Kreuz von Calatrava, ein Räthsel für die
Antiquare, weil Olivares sonst den grünen Alcantaraorden trägt,
und man nicht Ritter zweier Orden sein konnte, hat die Ver-
muthung veranlasst, es sei das Bildniss seines Bruders. Allein
man konnte Orden wechseln und umtauschen und diess war bei
Olivares der Fall gewesen. Der Marques von Castel Rodrigo

1) Elucet vultu Probitas, frontique serenae
Pondus adest; mixta stat gravitate Lepor etc.
2) Dies Blatt ist in verkleinertem Maassstab von Cornelius Galle d. J. nach-
gestochen worden, von der andern Seite, die Engel sind weggelassen und bloss die
von ihnen gehaltenen Embleme geblieben. Ebenso ist nach Pontius' Stich das Blatt von
Matthäus Merian gearbeitet, welches sich in der dem Minister gewidmeten Frank-
furter Ausgabe des Petron befindet. Nach dem Jahr 1629 dieser Ausgabe (Extrema
editio ex musaeo D. Josephi Gonsali de Salas) ist Pontius' Stich vor Rubens' Reise
nach Madrid (1628) gemacht. Auch würde Rubens, wenn dort der Plan des Stichs
entstanden wäre, gewiss den Grafen selbst aufgenommen haben. Später war auch
die Frisur anders; wie in dem Stich von P. de Jode, wo er fast grade so aus-
sieht, aber bereits die Perücke trägt. Hier hält er in der Linken eine Depesche.

Zweites Buch.
lebhaften Blick erkennt man die Schule des Rubens. Nach den
lateinischen Versen sollte man darin zugleich den tiefen, ernsten,
redlichen Staatsmann und den geistreichen Kopf verehren 1).

Auf dem Sockel mit dem Distichon des Caspar Gevartius,
an dessen Seiten zwei geflügelte Knaben mit den Emblemen der
Minerva und des Herkules sitzen, steht das Piedestal mit dem
Wappen, und darüber das Bildniss in einfachem elliptischem
Rahmen von Perlschnüren, den Palmzweige umschlingen, nebst
Fackeln und Posaunen. Ueber dem Bildniss sieht man eine
Symbolgruppe, welche das Ziel andeutet, das hinter dieser
frons serena sich verbirgt: der Erdglobus, bekrönt vom be-
schwingten Lorbeerkranz, und darüber der Abendstern von der
Schlange eingeschlossen: die Weltherrschaft Hesperiens bis ans
Ende der Tage, die aber, wie die Olive verheisst, zugleich der
Weltfriede ist 2).

Endlich giebt es noch ein sehr bizarres Bildniss in ganzer
Figur, im Besitz des Herzogs von Villahermosa in Madrid, das
aber von anderer Hand und vor der Ankunft des Velazquez ge-
malt wurde. Diese Gestalt, mit dem noch mehr zwischen den
Schultern sitzenden Kopf auf wuchtigem Oberkörper, den schwe-
ren Goldketten und Goldsporen berührt wie eine Comödienfigur.
Vielleicht aber drückt sie das überspannte Wesen des Mannes
naiver aus (wenn auch karikirt) als jene würdevolleren Interpre-
tationen. Das rothe Kreuz von Calatrava, ein Räthsel für die
Antiquare, weil Olivares sonst den grünen Alcántaraorden trägt,
und man nicht Ritter zweier Orden sein konnte, hat die Ver-
muthung veranlasst, es sei das Bildniss seines Bruders. Allein
man konnte Orden wechseln und umtauschen und diess war bei
Olivares der Fall gewesen. Der Marques von Castel Rodrigo

1) Elucet vultu Probitas, frontique serenae
Pondus adest; mixta stat gravitate Lepor etc.
2) Dies Blatt ist in verkleinertem Maassstab von Cornelius Galle d. J. nach-
gestochen worden, von der andern Seite, die Engel sind weggelassen und bloss die
von ihnen gehaltenen Embleme geblieben. Ebenso ist nach Pontius’ Stich das Blatt von
Matthäus Merian gearbeitet, welches sich in der dem Minister gewidmeten Frank-
furter Ausgabe des Petron befindet. Nach dem Jahr 1629 dieser Ausgabe (Extrema
editio ex musaeo D. Josephi Gonsali de Salas) ist Pontius’ Stich vor Rubens’ Reise
nach Madrid (1628) gemacht. Auch würde Rubens, wenn dort der Plan des Stichs
entstanden wäre, gewiss den Grafen selbst aufgenommen haben. Später war auch
die Frisur anders; wie in dem Stich von P. de Jode, wo er fast grade so aus-
sieht, aber bereits die Perücke trägt. Hier hält er in der Linken eine Depesche.
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[214/0236] Zweites Buch. lebhaften Blick erkennt man die Schule des Rubens. Nach den lateinischen Versen sollte man darin zugleich den tiefen, ernsten, redlichen Staatsmann und den geistreichen Kopf verehren 1). Auf dem Sockel mit dem Distichon des Caspar Gevartius, an dessen Seiten zwei geflügelte Knaben mit den Emblemen der Minerva und des Herkules sitzen, steht das Piedestal mit dem Wappen, und darüber das Bildniss in einfachem elliptischem Rahmen von Perlschnüren, den Palmzweige umschlingen, nebst Fackeln und Posaunen. Ueber dem Bildniss sieht man eine Symbolgruppe, welche das Ziel andeutet, das hinter dieser frons serena sich verbirgt: der Erdglobus, bekrönt vom be- schwingten Lorbeerkranz, und darüber der Abendstern von der Schlange eingeschlossen: die Weltherrschaft Hesperiens bis ans Ende der Tage, die aber, wie die Olive verheisst, zugleich der Weltfriede ist 2). Endlich giebt es noch ein sehr bizarres Bildniss in ganzer Figur, im Besitz des Herzogs von Villahermosa in Madrid, das aber von anderer Hand und vor der Ankunft des Velazquez ge- malt wurde. Diese Gestalt, mit dem noch mehr zwischen den Schultern sitzenden Kopf auf wuchtigem Oberkörper, den schwe- ren Goldketten und Goldsporen berührt wie eine Comödienfigur. Vielleicht aber drückt sie das überspannte Wesen des Mannes naiver aus (wenn auch karikirt) als jene würdevolleren Interpre- tationen. Das rothe Kreuz von Calatrava, ein Räthsel für die Antiquare, weil Olivares sonst den grünen Alcántaraorden trägt, und man nicht Ritter zweier Orden sein konnte, hat die Ver- muthung veranlasst, es sei das Bildniss seines Bruders. Allein man konnte Orden wechseln und umtauschen und diess war bei Olivares der Fall gewesen. Der Marques von Castel Rodrigo 1) Elucet vultu Probitas, frontique serenae Pondus adest; mixta stat gravitate Lepor etc. 2) Dies Blatt ist in verkleinertem Maassstab von Cornelius Galle d. J. nach- gestochen worden, von der andern Seite, die Engel sind weggelassen und bloss die von ihnen gehaltenen Embleme geblieben. Ebenso ist nach Pontius’ Stich das Blatt von Matthäus Merian gearbeitet, welches sich in der dem Minister gewidmeten Frank- furter Ausgabe des Petron befindet. Nach dem Jahr 1629 dieser Ausgabe (Extrema editio ex musaeo D. Josephi Gonsali de Salas) ist Pontius’ Stich vor Rubens’ Reise nach Madrid (1628) gemacht. Auch würde Rubens, wenn dort der Plan des Stichs entstanden wäre, gewiss den Grafen selbst aufgenommen haben. Später war auch die Frisur anders; wie in dem Stich von P. de Jode, wo er fast grade so aus- sieht, aber bereits die Perücke trägt. Hier hält er in der Linken eine Depesche.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/236>, abgerufen am 27.04.2024.