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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Viertes Buch.
der Matsura Comödien, zur sonstigen Bequemlichkeit der Nege, und überhaupt den
Angelegenheiten der Came gehört.

Die Processionen dieser Weltgeistlichen geschehen allemal mit sehr vielem Pomp,
und in folgender Ordnung:

1) Werden zwei Staatspferde des Götzen voraufgeführt, die so verhungert aus-
sehn, wie das Pferd, auf welchem der Patriarch zu Moskau am Palmsontag nach der
Kirche zu reiten pflegt.
2) Verschiedne geistliche Jnsignien und Ehrenzeichen, wie seit uralten Zeiten am
Hofe der Dairi im Brauch waren, und noch jezt sind. Sie bestehn in einigen kurzen brei-
ten, vergoldeten Lanzen, ein paar hölzernen Schuhen, gerade wie die Münsterschen
Klötze;
*) ein großes Stük weiß Papier an einem kurzen Stecken, welches ein geistlicher
Commandowedel ist.
3) Hohle Ruhbänke, um die Mikosi drauf zu tragen; umgekehrt werden sie ge-
tragen, um Almosen drin zu samlen, zu diesem Zwek tragen auch zwei dazu gemiethete
Träger eine Almosenkiste.
4) Die beiden besagten Mikosj, welche die Gestalt eines achteckigen Kistens ha-
ben, doch so groß, daß eine Person schwerlich damit fortkömt, schwarz lakirt mit vielen
und güldnen Kronen oder Leisten, metallenen Spiegeln und andern Zierrathen. Oben auf
der Spitze steht ein güldner Kranich.
5) Zwei hölzerne Kammern, worin stat einer Norimon oder Sänfte und wie
es bei den Alten und noch jezt bei der Kuge der Dairi gebräuchlich, beide Superioren ge-
tragen werden.
6) Zween ihrer gesattelten Leib- und Reitpferde von eben der Art, wie ich sie vor-
her beschrieben.
7) Die ganze Clerisei in guter Ordnung zu Fuß.
8) Nachfolgende Bürger und Pöbelvolk in der gewöhnlichen Unordnung dieser
Leute. Sobald die Clerisei mit ihren Monstranzen sich in ihre geistliche Behausung verfügt
hat, kommen die Abgesandten der Stathalter, ohne ihr gewöhnliches Gefolge, noch mit
zwanzig langen Prunkpieken begleitet, die oben gleichsam mit schwarzen Hahnenfedern oder
auch nur mit schwarz lakirten Spähnen gekrönt sind. Vier der vornehmsten unter densel-
ben waschen vor dem Tempel ihre Hände, und treten mit bischöflichen Stäben vor ihre
obere Bischöfe, welche zwischen denen Mikosj öffentlich vor aller Augen sitzen. Sie legen
bei
*) [Spaltenumbruch] Der Verf. meint die Holzschuhe des west-
phälischen Landvolks. Der englische Uebersetzer
hat sich aus diesen Münsterschen Klötzen nicht fin-[Spaltenumbruch]
den können, und daher diese Vergleichung weg-
gelassen.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
der Matſura Comoͤdien, zur ſonſtigen Bequemlichkeit der Nege, und uͤberhaupt den
Angelegenheiten der Came gehoͤrt.

Die Proceſſionen dieſer Weltgeiſtlichen geſchehen allemal mit ſehr vielem Pomp,
und in folgender Ordnung:

1) Werden zwei Staatspferde des Goͤtzen voraufgefuͤhrt, die ſo verhungert aus-
ſehn, wie das Pferd, auf welchem der Patriarch zu Moskau am Palmſontag nach der
Kirche zu reiten pflegt.
2) Verſchiedne geiſtliche Jnſignien und Ehrenzeichen, wie ſeit uralten Zeiten am
Hofe der Dairi im Brauch waren, und noch jezt ſind. Sie beſtehn in einigen kurzen brei-
ten, vergoldeten Lanzen, ein paar hoͤlzernen Schuhen, gerade wie die Muͤnſterſchen
Kloͤtze;
*) ein großes Stuͤk weiß Papier an einem kurzen Stecken, welches ein geiſtlicher
Commandowedel iſt.
3) Hohle Ruhbaͤnke, um die Mikoſi drauf zu tragen; umgekehrt werden ſie ge-
tragen, um Almoſen drin zu ſamlen, zu dieſem Zwek tragen auch zwei dazu gemiethete
Traͤger eine Almoſenkiſte.
4) Die beiden beſagten Mikoſj, welche die Geſtalt eines achteckigen Kiſtens ha-
ben, doch ſo groß, daß eine Perſon ſchwerlich damit fortkoͤmt, ſchwarz lakirt mit vielen
und guͤldnen Kronen oder Leiſten, metallenen Spiegeln und andern Zierrathen. Oben auf
der Spitze ſteht ein guͤldner Kranich.
5) Zwei hoͤlzerne Kammern, worin ſtat einer Norimon oder Saͤnfte und wie
es bei den Alten und noch jezt bei der Kuge der Dairi gebraͤuchlich, beide Superioren ge-
tragen werden.
6) Zween ihrer geſattelten Leib- und Reitpferde von eben der Art, wie ich ſie vor-
her beſchrieben.
7) Die ganze Cleriſei in guter Ordnung zu Fuß.
8) Nachfolgende Buͤrger und Poͤbelvolk in der gewoͤhnlichen Unordnung dieſer
Leute. Sobald die Cleriſei mit ihren Monſtranzen ſich in ihre geiſtliche Behauſung verfuͤgt
hat, kommen die Abgeſandten der Stathalter, ohne ihr gewoͤhnliches Gefolge, noch mit
zwanzig langen Prunkpieken begleitet, die oben gleichſam mit ſchwarzen Hahnenfedern oder
auch nur mit ſchwarz lakirten Spaͤhnen gekroͤnt ſind. Vier der vornehmſten unter denſel-
ben waſchen vor dem Tempel ihre Haͤnde, und treten mit biſchoͤflichen Staͤben vor ihre
obere Biſchoͤfe, welche zwiſchen denen Mikoſj oͤffentlich vor aller Augen ſitzen. Sie legen
bei
*) [Spaltenumbruch] Der Verf. meint die Holzſchuhe des weſt-
phaͤliſchen Landvolks. Der engliſche Ueberſetzer
hat ſich aus dieſen Muͤnſterſchen Kloͤtzen nicht fin-[Spaltenumbruch]
den koͤnnen, und daher dieſe Vergleichung weg-
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[44/0058] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. der Matſura Comoͤdien, zur ſonſtigen Bequemlichkeit der Nege, und uͤberhaupt den Angelegenheiten der Came gehoͤrt. Die Proceſſionen dieſer Weltgeiſtlichen geſchehen allemal mit ſehr vielem Pomp, und in folgender Ordnung: 1) Werden zwei Staatspferde des Goͤtzen voraufgefuͤhrt, die ſo verhungert aus- ſehn, wie das Pferd, auf welchem der Patriarch zu Moskau am Palmſontag nach der Kirche zu reiten pflegt. 2) Verſchiedne geiſtliche Jnſignien und Ehrenzeichen, wie ſeit uralten Zeiten am Hofe der Dairi im Brauch waren, und noch jezt ſind. Sie beſtehn in einigen kurzen brei- ten, vergoldeten Lanzen, ein paar hoͤlzernen Schuhen, gerade wie die Muͤnſterſchen Kloͤtze; *) ein großes Stuͤk weiß Papier an einem kurzen Stecken, welches ein geiſtlicher Commandowedel iſt. 3) Hohle Ruhbaͤnke, um die Mikoſi drauf zu tragen; umgekehrt werden ſie ge- tragen, um Almoſen drin zu ſamlen, zu dieſem Zwek tragen auch zwei dazu gemiethete Traͤger eine Almoſenkiſte. 4) Die beiden beſagten Mikoſj, welche die Geſtalt eines achteckigen Kiſtens ha- ben, doch ſo groß, daß eine Perſon ſchwerlich damit fortkoͤmt, ſchwarz lakirt mit vielen und guͤldnen Kronen oder Leiſten, metallenen Spiegeln und andern Zierrathen. Oben auf der Spitze ſteht ein guͤldner Kranich. 5) Zwei hoͤlzerne Kammern, worin ſtat einer Norimon oder Saͤnfte und wie es bei den Alten und noch jezt bei der Kuge der Dairi gebraͤuchlich, beide Superioren ge- tragen werden. 6) Zween ihrer geſattelten Leib- und Reitpferde von eben der Art, wie ich ſie vor- her beſchrieben. 7) Die ganze Cleriſei in guter Ordnung zu Fuß. 8) Nachfolgende Buͤrger und Poͤbelvolk in der gewoͤhnlichen Unordnung dieſer Leute. Sobald die Cleriſei mit ihren Monſtranzen ſich in ihre geiſtliche Behauſung verfuͤgt hat, kommen die Abgeſandten der Stathalter, ohne ihr gewoͤhnliches Gefolge, noch mit zwanzig langen Prunkpieken begleitet, die oben gleichſam mit ſchwarzen Hahnenfedern oder auch nur mit ſchwarz lakirten Spaͤhnen gekroͤnt ſind. Vier der vornehmſten unter denſel- ben waſchen vor dem Tempel ihre Haͤnde, und treten mit biſchoͤflichen Staͤben vor ihre obere Biſchoͤfe, welche zwiſchen denen Mikoſj oͤffentlich vor aller Augen ſitzen. Sie legen bei *) Der Verf. meint die Holzſchuhe des weſt- phaͤliſchen Landvolks. Der engliſche Ueberſetzer hat ſich aus dieſen Muͤnſterſchen Kloͤtzen nicht fin- den koͤnnen, und daher dieſe Vergleichung weg- gelaſſen.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/58>, abgerufen am 29.04.2024.