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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Viertes Buch.
mit Stelzen die Treppe auf und über den hohlen Bambus fortgieng, und daß er im Abstei-
gen der andern Treppe unter Verwechselung seiner Stelzen am Ende einen Luftsprung durch
das Loch der besagten Pforte that, die jedoch beinahe drei Klafter davon entfernt war, und
wobei er sich auch mit seinem Sonnenhute, den er von weit größerer Breite auf dem Kopfe
hatte, im Durchspringen zu biegen und in Acht zu nehmen wuste.

Die 12te Scene war ein Aufzug mit großen Maschinen, die zwar von Materie so
dünne gemacht waren, daß sie von einer Person auf dem Rücken fortgetragen werden kon-
ten, dabei aber doch ihre Größe, Ansehen und Aehnlichkeit hatten, die sie von Natur ha-
ben musten; jedem Träger hieng neben dem noch eine überaus große Trommel vor dem
Leibe, andere spielten dabei auf Glocken: sie giengen gleichsam tanzend, aber mit keinen son-
derlich hohen Sprüngen über die Schaubühne, weil ihnen ihre Ladung, so leicht sie auch
eingerichtet war, wegen der unbehelflichen Größe gleichwohl so schwer fiel, daß sie so wohl
vor als nach dem eigentlichen Auftritte unterwegs auf den Gassen vermittelst eines dazu ge-
machten Gestelles damit ruhen müssen. Es waren aber diese Maschinen solgende:

Ein Ziehbrunnen mit allen zum Feuerlöschen gebräuchlichen Jnstrumenten.
Eine große in ihrem Gebälke hangende Kirchthurmsglocke, mit einem Drachen
zum Zierrath umwunden.
Ein mit Schnee bedekter Berg in Gestalt eines Drachenkopfs, mit einem auf
dessen Spitze sitzenden Adler.
Ein metallenes aufrecht getragenes vier und zwanzig pfündiges Geschüzstük, nebst al-
len zum Laden gehörigen Jnstrumenten.
Eine hohe Lage Reisepacken in zwölf Strohballen nach der Landesmanier.
Ein Walsisch in einer Schüssel.
Verschiedene Muscheln, Schnecken und Früchte von ausserordentlicher Größe, je-
des von einer Person getragen.

Um nun den Faden meiner Geschichte von den Nagasackischen Tempeln wiederum
zu ergreifen, so mus ich bemerken, daß, außer dem berühmten Suwa-Tempel noch ver-
schiedene andere schlechtere Tempel, die ebenfals von der Sintes Sekte abhängen, vorhan-
den sind. So hat man unter andern zwei für den Tensjo Daisin und einen für seinen
Bruder den Tensin, auch einige kleine Kapellen für Götzen von geringer Erheblichkeit al-
hier erbauet; alle diese aber werden nicht von Nege, die nur die eigentlichen weltlichen
Priester der Cami oder einheimischen Götzen sind, bedient, sondern theils von we-
nigen Jamabos, d. i. Bergsoldaten, *) (welche geistliche Eremiten und Beichtväter hei-
ßen wollen, jedoch beweibt sind, und besser synkretistische weltliche Pfaffen des Sintoschen

Heiden-
*) S. von denselben oben B. III. Kap. V.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
mit Stelzen die Treppe auf und uͤber den hohlen Bambus fortgieng, und daß er im Abſtei-
gen der andern Treppe unter Verwechſelung ſeiner Stelzen am Ende einen Luftſprung durch
das Loch der beſagten Pforte that, die jedoch beinahe drei Klafter davon entfernt war, und
wobei er ſich auch mit ſeinem Sonnenhute, den er von weit groͤßerer Breite auf dem Kopfe
hatte, im Durchſpringen zu biegen und in Acht zu nehmen wuſte.

Die 12te Scene war ein Aufzug mit großen Maſchinen, die zwar von Materie ſo
duͤnne gemacht waren, daß ſie von einer Perſon auf dem Ruͤcken fortgetragen werden kon-
ten, dabei aber doch ihre Groͤße, Anſehen und Aehnlichkeit hatten, die ſie von Natur ha-
ben muſten; jedem Traͤger hieng neben dem noch eine uͤberaus große Trommel vor dem
Leibe, andere ſpielten dabei auf Glocken: ſie giengen gleichſam tanzend, aber mit keinen ſon-
derlich hohen Spruͤngen uͤber die Schaubuͤhne, weil ihnen ihre Ladung, ſo leicht ſie auch
eingerichtet war, wegen der unbehelflichen Groͤße gleichwohl ſo ſchwer fiel, daß ſie ſo wohl
vor als nach dem eigentlichen Auftritte unterwegs auf den Gaſſen vermittelſt eines dazu ge-
machten Geſtelles damit ruhen muͤſſen. Es waren aber dieſe Maſchinen ſolgende:

Ein Ziehbrunnen mit allen zum Feuerloͤſchen gebraͤuchlichen Jnſtrumenten.
Eine große in ihrem Gebaͤlke hangende Kirchthurmsglocke, mit einem Drachen
zum Zierrath umwunden.
Ein mit Schnee bedekter Berg in Geſtalt eines Drachenkopfs, mit einem auf
deſſen Spitze ſitzenden Adler.
Ein metallenes aufrecht getragenes vier und zwanzig pfuͤndiges Geſchuͤzſtuͤk, nebſt al-
len zum Laden gehoͤrigen Jnſtrumenten.
Eine hohe Lage Reiſepacken in zwoͤlf Strohballen nach der Landesmanier.
Ein Walſiſch in einer Schuͤſſel.
Verſchiedene Muſcheln, Schnecken und Fruͤchte von auſſerordentlicher Groͤße, je-
des von einer Perſon getragen.

Um nun den Faden meiner Geſchichte von den Nagaſackiſchen Tempeln wiederum
zu ergreifen, ſo mus ich bemerken, daß, außer dem beruͤhmten Suwa-Tempel noch ver-
ſchiedene andere ſchlechtere Tempel, die ebenfals von der Sintes Sekte abhaͤngen, vorhan-
den ſind. So hat man unter andern zwei fuͤr den Tenſjo Daiſin und einen fuͤr ſeinen
Bruder den Tenſin, auch einige kleine Kapellen fuͤr Goͤtzen von geringer Erheblichkeit al-
hier erbauet; alle dieſe aber werden nicht von Nege, die nur die eigentlichen weltlichen
Prieſter der Cami oder einheimiſchen Goͤtzen ſind, bedient, ſondern theils von we-
nigen Jamabos, d. i. Bergſoldaten, *) (welche geiſtliche Eremiten und Beichtvaͤter hei-
ßen wollen, jedoch beweibt ſind, und beſſer ſynkretiſtiſche weltliche Pfaffen des Sintoſchen

Heiden-
*) S. von denſelben oben B. III. Kap. V.
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[50/0064] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. mit Stelzen die Treppe auf und uͤber den hohlen Bambus fortgieng, und daß er im Abſtei- gen der andern Treppe unter Verwechſelung ſeiner Stelzen am Ende einen Luftſprung durch das Loch der beſagten Pforte that, die jedoch beinahe drei Klafter davon entfernt war, und wobei er ſich auch mit ſeinem Sonnenhute, den er von weit groͤßerer Breite auf dem Kopfe hatte, im Durchſpringen zu biegen und in Acht zu nehmen wuſte. Die 12te Scene war ein Aufzug mit großen Maſchinen, die zwar von Materie ſo duͤnne gemacht waren, daß ſie von einer Perſon auf dem Ruͤcken fortgetragen werden kon- ten, dabei aber doch ihre Groͤße, Anſehen und Aehnlichkeit hatten, die ſie von Natur ha- ben muſten; jedem Traͤger hieng neben dem noch eine uͤberaus große Trommel vor dem Leibe, andere ſpielten dabei auf Glocken: ſie giengen gleichſam tanzend, aber mit keinen ſon- derlich hohen Spruͤngen uͤber die Schaubuͤhne, weil ihnen ihre Ladung, ſo leicht ſie auch eingerichtet war, wegen der unbehelflichen Groͤße gleichwohl ſo ſchwer fiel, daß ſie ſo wohl vor als nach dem eigentlichen Auftritte unterwegs auf den Gaſſen vermittelſt eines dazu ge- machten Geſtelles damit ruhen muͤſſen. Es waren aber dieſe Maſchinen ſolgende: Ein Ziehbrunnen mit allen zum Feuerloͤſchen gebraͤuchlichen Jnſtrumenten. Eine große in ihrem Gebaͤlke hangende Kirchthurmsglocke, mit einem Drachen zum Zierrath umwunden. Ein mit Schnee bedekter Berg in Geſtalt eines Drachenkopfs, mit einem auf deſſen Spitze ſitzenden Adler. Ein metallenes aufrecht getragenes vier und zwanzig pfuͤndiges Geſchuͤzſtuͤk, nebſt al- len zum Laden gehoͤrigen Jnſtrumenten. Eine hohe Lage Reiſepacken in zwoͤlf Strohballen nach der Landesmanier. Ein Walſiſch in einer Schuͤſſel. Verſchiedene Muſcheln, Schnecken und Fruͤchte von auſſerordentlicher Groͤße, je- des von einer Perſon getragen. Um nun den Faden meiner Geſchichte von den Nagaſackiſchen Tempeln wiederum zu ergreifen, ſo mus ich bemerken, daß, außer dem beruͤhmten Suwa-Tempel noch ver- ſchiedene andere ſchlechtere Tempel, die ebenfals von der Sintes Sekte abhaͤngen, vorhan- den ſind. So hat man unter andern zwei fuͤr den Tenſjo Daiſin und einen fuͤr ſeinen Bruder den Tenſin, auch einige kleine Kapellen fuͤr Goͤtzen von geringer Erheblichkeit al- hier erbauet; alle dieſe aber werden nicht von Nege, die nur die eigentlichen weltlichen Prieſter der Cami oder einheimiſchen Goͤtzen ſind, bedient, ſondern theils von we- nigen Jamabos, d. i. Bergſoldaten, *) (welche geiſtliche Eremiten und Beichtvaͤter hei- ßen wollen, jedoch beweibt ſind, und beſſer ſynkretiſtiſche weltliche Pfaffen des Sintoſchen Heiden- *) S. von denſelben oben B. III. Kap. V.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/64>, abgerufen am 28.04.2024.