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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Viertes Buch.
dersolben Abzuge mus das Oberhaupt mit noch verschiednen Personen, sieben gemeiniglich
oder mehr nach Belieben (ehmals bei großem Handel waren es niemals unter 20) hier blei-
ben. Obgleich nun die Japanische Nation von diesen wenigen Ueberbleibenden nichts
nachtheiliges befürchten darf, keine Feindseligkeit wegen der so kleinen und unbewehrten An-
zahl, keinen Schleichhandel, weil alle Waaren, und was nur irgend verkaufbar ist, mit
ihren eignen Siegeln bewahrt, und in ihren Tabellen aufs genaueste verzeichnet ist; da auch
sogar, was wir zur Kleidung mitbringen, dem Gassenrichter so lange in Verwahrung ge-
geben wird, bis es von beschwornen Schneidern aufs genaueste zugeschnitten ist, und ob sie
gleich auch in Absicht des Punkts der Religion schlechterdings nichts von uns zu befürchten ha-
ben; da das Licht unsers christlichen Glaubens alhier aus unserm Lebenswandel und Betragen
schlechterdings nicht hervorleuchtet:

So werden aller dieser Gründe ungeachtet unsre Leute doch noch in diesem Gefängnis
ganz ausnehmend genau und strenge bewacht, von verschiedenen Wachen, Geselschaften und
Zünften, (deren Glieder alle beeidigt und unter sich selbst fremd und einer gegen den an-
dern mistrauisch sind,) welche innerhalb und ausserhalb unsre verschlosne Wache umgeben.
Wir werden hier nicht wie ehrliche Menschen, sondern wie Uebelthäter, Verräther, Kund-
schafter und Gefangne, oder, aufs gelindeste geredt, (und nach dem eignen sehr vorsichti-
gen Ausdruk der Japaner,) wie Fitositz d. i. Geissel Sr. Kaiserl. Majestät behandelt
und bewacht.

Diese verschiednen Wachen sind nun folgende:

1) Die vornehmste ist die Monban oder Thorwache, welche das Thorhaus
nach der Stadt zu besezt hält, durch welches alle Ein- und Auspassirenden gehn müssen.
Diese Wache wird täglich von fünf und zur Handelszeit von zehn bis dreizehn (die Bedien-
ten derselben ungerechnet,) niemals vorher bekanten Personen versehn; es sind ihrer allemal
aus der Stadts-Funaban täglich einer oder zwei und eben so viele aus der Sjuninsi.
Auch befindet sich bei dieser Wache ein Diener des Ninban Tosijori oder des rapportiren-
den Stadtsbürgermeisters, und dann ein Dsjojosi oder Unterbürgermeister, als Häupter
der Sotomatz. Einer von den leztren sizt stets bei dem Buch, schreibt nach den Stun-
den des Tages die Aus- und Eingehenden auf, oder was an Waaren ein- und ausgesührt
wird. Dieses Journal wird monatlich oder sonst nach Belieben von den Stathaltern nach-
gesehn. Ohne besondern Befehl der Stathalter, oder Verbürgung des Gassenrichters kan
nichts, außer etwa einige ganz unverbotene Dinge, passiren.
2) Die-

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
derſolben Abzuge mus das Oberhaupt mit noch verſchiednen Perſonen, ſieben gemeiniglich
oder mehr nach Belieben (ehmals bei großem Handel waren es niemals unter 20) hier blei-
ben. Obgleich nun die Japaniſche Nation von dieſen wenigen Ueberbleibenden nichts
nachtheiliges befuͤrchten darf, keine Feindſeligkeit wegen der ſo kleinen und unbewehrten An-
zahl, keinen Schleichhandel, weil alle Waaren, und was nur irgend verkaufbar iſt, mit
ihren eignen Siegeln bewahrt, und in ihren Tabellen aufs genaueſte verzeichnet iſt; da auch
ſogar, was wir zur Kleidung mitbringen, dem Gaſſenrichter ſo lange in Verwahrung ge-
geben wird, bis es von beſchwornen Schneidern aufs genaueſte zugeſchnitten iſt, und ob ſie
gleich auch in Abſicht des Punkts der Religion ſchlechterdings nichts von uns zu befuͤrchten ha-
ben; da das Licht unſers chriſtlichen Glaubens alhier aus unſerm Lebenswandel und Betragen
ſchlechterdings nicht hervorleuchtet:

So werden aller dieſer Gruͤnde ungeachtet unſre Leute doch noch in dieſem Gefaͤngnis
ganz ausnehmend genau und ſtrenge bewacht, von verſchiedenen Wachen, Geſelſchaften und
Zuͤnften, (deren Glieder alle beeidigt und unter ſich ſelbſt fremd und einer gegen den an-
dern mistrauiſch ſind,) welche innerhalb und auſſerhalb unſre verſchlosne Wache umgeben.
Wir werden hier nicht wie ehrliche Menſchen, ſondern wie Uebelthaͤter, Verraͤther, Kund-
ſchafter und Gefangne, oder, aufs gelindeſte geredt, (und nach dem eignen ſehr vorſichti-
gen Ausdruk der Japaner,) wie Fitoſitz d. i. Geiſſel Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt behandelt
und bewacht.

Dieſe verſchiednen Wachen ſind nun folgende:

1) Die vornehmſte iſt die Monban oder Thorwache, welche das Thorhaus
nach der Stadt zu beſezt haͤlt, durch welches alle Ein- und Auspaſſirenden gehn muͤſſen.
Dieſe Wache wird taͤglich von fuͤnf und zur Handelszeit von zehn bis dreizehn (die Bedien-
ten derſelben ungerechnet,) niemals vorher bekanten Perſonen verſehn; es ſind ihrer allemal
aus der Stadts-Funaban taͤglich einer oder zwei und eben ſo viele aus der Sjuninſi.
Auch befindet ſich bei dieſer Wache ein Diener des Ninban Toſijori oder des rapportiren-
den Stadtsbuͤrgermeiſters, und dann ein Dſjojoſi oder Unterbuͤrgermeiſter, als Haͤupter
der Sotomatz. Einer von den leztren ſizt ſtets bei dem Buch, ſchreibt nach den Stun-
den des Tages die Aus- und Eingehenden auf, oder was an Waaren ein- und ausgeſuͤhrt
wird. Dieſes Journal wird monatlich oder ſonſt nach Belieben von den Stathaltern nach-
geſehn. Ohne beſondern Befehl der Stathalter, oder Verbuͤrgung des Gaſſenrichters kan
nichts, außer etwa einige ganz unverbotene Dinge, paſſiren.
2) Die-
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[76/0090] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. derſolben Abzuge mus das Oberhaupt mit noch verſchiednen Perſonen, ſieben gemeiniglich oder mehr nach Belieben (ehmals bei großem Handel waren es niemals unter 20) hier blei- ben. Obgleich nun die Japaniſche Nation von dieſen wenigen Ueberbleibenden nichts nachtheiliges befuͤrchten darf, keine Feindſeligkeit wegen der ſo kleinen und unbewehrten An- zahl, keinen Schleichhandel, weil alle Waaren, und was nur irgend verkaufbar iſt, mit ihren eignen Siegeln bewahrt, und in ihren Tabellen aufs genaueſte verzeichnet iſt; da auch ſogar, was wir zur Kleidung mitbringen, dem Gaſſenrichter ſo lange in Verwahrung ge- geben wird, bis es von beſchwornen Schneidern aufs genaueſte zugeſchnitten iſt, und ob ſie gleich auch in Abſicht des Punkts der Religion ſchlechterdings nichts von uns zu befuͤrchten ha- ben; da das Licht unſers chriſtlichen Glaubens alhier aus unſerm Lebenswandel und Betragen ſchlechterdings nicht hervorleuchtet: So werden aller dieſer Gruͤnde ungeachtet unſre Leute doch noch in dieſem Gefaͤngnis ganz ausnehmend genau und ſtrenge bewacht, von verſchiedenen Wachen, Geſelſchaften und Zuͤnften, (deren Glieder alle beeidigt und unter ſich ſelbſt fremd und einer gegen den an- dern mistrauiſch ſind,) welche innerhalb und auſſerhalb unſre verſchlosne Wache umgeben. Wir werden hier nicht wie ehrliche Menſchen, ſondern wie Uebelthaͤter, Verraͤther, Kund- ſchafter und Gefangne, oder, aufs gelindeſte geredt, (und nach dem eignen ſehr vorſichti- gen Ausdruk der Japaner,) wie Fitoſitz d. i. Geiſſel Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt behandelt und bewacht. Dieſe verſchiednen Wachen ſind nun folgende: 1) Die vornehmſte iſt die Monban oder Thorwache, welche das Thorhaus nach der Stadt zu beſezt haͤlt, durch welches alle Ein- und Auspaſſirenden gehn muͤſſen. Dieſe Wache wird taͤglich von fuͤnf und zur Handelszeit von zehn bis dreizehn (die Bedien- ten derſelben ungerechnet,) niemals vorher bekanten Perſonen verſehn; es ſind ihrer allemal aus der Stadts-Funaban taͤglich einer oder zwei und eben ſo viele aus der Sjuninſi. Auch befindet ſich bei dieſer Wache ein Diener des Ninban Toſijori oder des rapportiren- den Stadtsbuͤrgermeiſters, und dann ein Dſjojoſi oder Unterbuͤrgermeiſter, als Haͤupter der Sotomatz. Einer von den leztren ſizt ſtets bei dem Buch, ſchreibt nach den Stun- den des Tages die Aus- und Eingehenden auf, oder was an Waaren ein- und ausgeſuͤhrt wird. Dieſes Journal wird monatlich oder ſonſt nach Belieben von den Stathaltern nach- geſehn. Ohne beſondern Befehl der Stathalter, oder Verbuͤrgung des Gaſſenrichters kan nichts, außer etwa einige ganz unverbotene Dinge, paſſiren. 2) Die-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/90>, abgerufen am 29.04.2024.