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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Der für die Jugend Roms ein Jubellied gedichtet,
Und für den Cäsar und für sich
Ein dauernd Denkmahl aufgerichtet;
Auch Du errichtest eins für Dich
In den Figuren, die mit Blicken,
Und mit Geberden sprechend sind.
Der Pastor Sebald*) weiß sein Leiden auszudrücken,
Sein todtes Weib, sein starres Kind,
Und seine Tochter Mariane,
Der Bauer und sein Freund, der von der Reisebahne
Beflügelt ihm zu trösten kam,
Sind insgesammt so wahr gezeichnet, daß der Gram
Mich selbst ergreift, wenn ich sie sehe --
Und wann die Frau von Hohenauf
Das arme Mädchen schreckt -- dann fühl' ich
Schauerlauf

Vom Haupte bis zum Fuß, und flehe
Die Götter für das junge Paar,
Das in der schönen Sommerlaube
So keusch verliebt, so zärtlich war;

Ich bin getäuscht, ich denk und glaube,
Daß alles wirklich vor mir sey,
Der Jüngling und die böse Tante;
*) Sebaldus Nothanker, ein bekannter Roman des Herrn Ni-
kolai zu Berlin.

Der fuͤr die Jugend Roms ein Jubellied gedichtet,
Und fuͤr den Caͤſar und fuͤr ſich
Ein dauernd Denkmahl aufgerichtet;
Auch Du errichteſt eins fuͤr Dich
In den Figuren, die mit Blicken,
Und mit Geberden ſprechend ſind.
Der Paſtor Sebald*) weiß ſein Leiden auszudruͤcken,
Sein todtes Weib, ſein ſtarres Kind,
Und ſeine Tochter Mariane,
Der Bauer und ſein Freund, der von der Reiſebahne
Befluͤgelt ihm zu troͤſten kam,
Sind insgeſammt ſo wahr gezeichnet, daß der Gram
Mich ſelbſt ergreift, wenn ich ſie ſehe —
Und wann die Frau von Hohenauf
Das arme Maͤdchen ſchreckt — dann fuͤhl’ ich
Schauerlauf

Vom Haupte bis zum Fuß, und flehe
Die Goͤtter fuͤr das junge Paar,
Das in der ſchoͤnen Sommerlaube
So keuſch verliebt, ſo zaͤrtlich war;

Ich bin getaͤuſcht, ich denk und glaube,
Daß alles wirklich vor mir ſey,
Der Juͤngling und die boͤſe Tante;
*) Sebaldus Nothanker, ein bekannter Roman des Herrn Ni-
kolai zu Berlin.
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[222/0382] Der fuͤr die Jugend Roms ein Jubellied gedichtet, Und fuͤr den Caͤſar und fuͤr ſich Ein dauernd Denkmahl aufgerichtet; Auch Du errichteſt eins fuͤr Dich In den Figuren, die mit Blicken, Und mit Geberden ſprechend ſind. Der Paſtor Sebald *) weiß ſein Leiden auszudruͤcken, Sein todtes Weib, ſein ſtarres Kind, Und ſeine Tochter Mariane, Der Bauer und ſein Freund, der von der Reiſebahne Befluͤgelt ihm zu troͤſten kam, Sind insgeſammt ſo wahr gezeichnet, daß der Gram Mich ſelbſt ergreift, wenn ich ſie ſehe — Und wann die Frau von Hohenauf Das arme Maͤdchen ſchreckt — dann fuͤhl’ ich Schauerlauf Vom Haupte bis zum Fuß, und flehe Die Goͤtter fuͤr das junge Paar, Das in der ſchoͤnen Sommerlaube So keuſch verliebt, ſo zaͤrtlich war; Ich bin getaͤuſcht, ich denk und glaube, Daß alles wirklich vor mir ſey, Der Juͤngling und die boͤſe Tante; *) Sebaldus Nothanker, ein bekannter Roman des Herrn Ni- kolai zu Berlin.

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/382>, abgerufen am 29.04.2024.