Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Die andre Woche trug ich Butter in die Stadt,
Da laß des Bürgers Frau das Breßlau'r Zeitungsbladt,
Da magst dus gläuben hat mich durch und durch
gefroren.
Die Russen do sie nu die große Schlacht verloren
Die haben auf der Flucht das Müthel sich gekühlt.
Man spricht daß der Cosack nur wie a Ochse fühlt,
Un wannn a nich wie wir im Aussahn menschlich wäre
So dächte man a wär die Zucht von Zeidelbäre,
Und wie gesoht a Ruß, der muß kei Mensch nicht seyn
Sunst käm ihm doch auch mohl a bißel Mitleid ein
Sonst würd a nimmermehr so sengen und so brennen
Und so den armen Baur das Saamkorn nähmen können.
Bedenk dirs nur a mahl wie dir zu muthe wär,
Wenn sulch a Feind nu käm der deine Scheuren leer
Und deine Speicher rein von Grüz und Graupe machte,
Dich schändlich prügelte, und wenn du flentest lachte,
Dir Küh und Kälber nähm; und Ochsen von dem Pflug
Dir für die Köpfe schlüg, und dich den grösten Krug
Dan du im Hause hättst, mit Brandwein füllen hieße,
Und dir dan lezten Rock glat von dem Buckel riße.
Jo lieber Vetter Hans die Breßla'ur Zeitung soht
Es iß a Volk was nischt nach Goot nach Menschen froht,
Sie laßen einen nich a mohl das Hemd am Leibe;
Und mancher Man der muß mit seinem jungem Weibe
Su was beginnen sahn was sich nu gar nich schickt,
A a 5
Die andre Woche trug ich Butter in die Stadt,
Da laß des Buͤrgers Frau das Breßlau’r Zeitungsbladt,
Da magſt dus glaͤuben hat mich durch und durch
gefroren.
Die Ruſſen do ſie nu die große Schlacht verloren
Die haben auf der Flucht das Muͤthel ſich gekuͤhlt.
Man ſpricht daß der Coſack nur wie a Ochſe fuͤhlt,
Un wannn a nich wie wir im Ausſahn menſchlich waͤre
So daͤchte man a waͤr die Zucht von Zeidelbaͤre,
Und wie geſoht a Ruß, der muß kei Menſch nicht ſeyn
Sunſt kaͤm ihm doch auch mohl a bißel Mitleid ein
Sonſt wuͤrd a nimmermehr ſo ſengen und ſo brennen
Und ſo den armen Baur das Saamkorn naͤhmen koͤnnen.
Bedenk dirs nur a mahl wie dir zu muthe waͤr,
Wenn ſulch a Feind nu kaͤm der deine Scheuren leer
Und deine Speicher rein von Gruͤz und Graupe machte,
Dich ſchaͤndlich pruͤgelte, und wenn du flenteſt lachte,
Dir Kuͤh und Kaͤlber naͤhm; und Ochſen von dem Pflug
Dir fuͤr die Koͤpfe ſchluͤg, und dich den groͤſten Krug
Dan du im Hauſe haͤttſt, mit Brandwein fuͤllen hieße,
Und dir dan lezten Rock glat von dem Buckel riße.
Jo lieber Vetter Hans die Breßla’ur Zeitung ſoht
Es iß a Volk was niſcht nach Goot nach Menſchen froht,
Sie laßen einen nich a mohl das Hemd am Leibe;
Und mancher Man der muß mit ſeinem jungem Weibe
Su was beginnen ſahn was ſich nu gar nich ſchickt,
A a 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#OHR">
            <p><pb facs="#f0537" n="377"/>
Die andre Woche trug ich Butter in die Stadt,<lb/>
Da laß des Bu&#x0364;rgers Frau das Breßlau&#x2019;r Zeitungsbladt,<lb/>
Da mag&#x017F;t dus gla&#x0364;uben hat mich durch und durch<lb/>
gefroren.<lb/>
Die Ru&#x017F;&#x017F;en do &#x017F;ie nu die große Schlacht verloren<lb/>
Die haben auf der Flucht das Mu&#x0364;thel &#x017F;ich geku&#x0364;hlt.<lb/>
Man &#x017F;pricht daß der Co&#x017F;ack nur wie a Och&#x017F;e fu&#x0364;hlt,<lb/>
Un wannn a nich wie wir im Aus&#x017F;ahn men&#x017F;chlich wa&#x0364;re<lb/>
So da&#x0364;chte man a wa&#x0364;r die Zucht von Zeidelba&#x0364;re,<lb/>
Und wie ge&#x017F;oht a Ruß, der muß kei Men&#x017F;ch nicht &#x017F;eyn<lb/>
Sun&#x017F;t ka&#x0364;m ihm doch auch mohl a bißel Mitleid ein<lb/>
Son&#x017F;t wu&#x0364;rd a nimmermehr &#x017F;o &#x017F;engen und &#x017F;o brennen<lb/>
Und &#x017F;o den armen Baur das Saamkorn na&#x0364;hmen ko&#x0364;nnen.<lb/>
Bedenk dirs nur a mahl wie dir zu muthe wa&#x0364;r,<lb/>
Wenn &#x017F;ulch a Feind nu ka&#x0364;m der deine Scheuren leer<lb/>
Und deine Speicher rein von Gru&#x0364;z und Graupe machte,<lb/>
Dich &#x017F;cha&#x0364;ndlich pru&#x0364;gelte, und wenn du flente&#x017F;t lachte,<lb/>
Dir Ku&#x0364;h und Ka&#x0364;lber na&#x0364;hm; und Och&#x017F;en von dem Pflug<lb/>
Dir fu&#x0364;r die Ko&#x0364;pfe &#x017F;chlu&#x0364;g, und dich den gro&#x0364;&#x017F;ten Krug<lb/>
Dan du im Hau&#x017F;e ha&#x0364;tt&#x017F;t, mit Brandwein fu&#x0364;llen hieße,<lb/>
Und dir dan lezten Rock glat von dem Buckel riße.<lb/>
Jo lieber Vetter Hans die Breßla&#x2019;ur Zeitung &#x017F;oht<lb/>
Es iß a Volk was ni&#x017F;cht nach Goot nach Men&#x017F;chen froht,<lb/>
Sie laßen einen nich a mohl das Hemd am Leibe;<lb/>
Und mancher Man der muß mit &#x017F;einem jungem Weibe<lb/>
Su was beginnen &#x017F;ahn was &#x017F;ich nu gar nich &#x017F;chickt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 5</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0537] Die andre Woche trug ich Butter in die Stadt, Da laß des Buͤrgers Frau das Breßlau’r Zeitungsbladt, Da magſt dus glaͤuben hat mich durch und durch gefroren. Die Ruſſen do ſie nu die große Schlacht verloren Die haben auf der Flucht das Muͤthel ſich gekuͤhlt. Man ſpricht daß der Coſack nur wie a Ochſe fuͤhlt, Un wannn a nich wie wir im Ausſahn menſchlich waͤre So daͤchte man a waͤr die Zucht von Zeidelbaͤre, Und wie geſoht a Ruß, der muß kei Menſch nicht ſeyn Sunſt kaͤm ihm doch auch mohl a bißel Mitleid ein Sonſt wuͤrd a nimmermehr ſo ſengen und ſo brennen Und ſo den armen Baur das Saamkorn naͤhmen koͤnnen. Bedenk dirs nur a mahl wie dir zu muthe waͤr, Wenn ſulch a Feind nu kaͤm der deine Scheuren leer Und deine Speicher rein von Gruͤz und Graupe machte, Dich ſchaͤndlich pruͤgelte, und wenn du flenteſt lachte, Dir Kuͤh und Kaͤlber naͤhm; und Ochſen von dem Pflug Dir fuͤr die Koͤpfe ſchluͤg, und dich den groͤſten Krug Dan du im Hauſe haͤttſt, mit Brandwein fuͤllen hieße, Und dir dan lezten Rock glat von dem Buckel riße. Jo lieber Vetter Hans die Breßla’ur Zeitung ſoht Es iß a Volk was niſcht nach Goot nach Menſchen froht, Sie laßen einen nich a mohl das Hemd am Leibe; Und mancher Man der muß mit ſeinem jungem Weibe Su was beginnen ſahn was ſich nu gar nich ſchickt, A a 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/537
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/537>, abgerufen am 29.04.2024.