Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

verwaltenden und richterlichen Gewalt vor sich
ging und die Wahlen dazu festgesetzt waren.

Als ich mich aber, hierzu aufgefordert, in
einige Vorversammlungen und endlich am ersten
Maisonntage in die Kirche begab, um meine
Stimme abzugeben, fand ich darin nicht jene Er¬
hebung, auf welche ich mich schon lange gefreut,
obgleich ich von den immer noch lebensfrohen
Freunden meines Vaters tapfer begrüßt und auf¬
gemuntert wurde. Ich sah, daß alle anderen
jungen Leute, die zum ersten Mal hier erschienen,
als Handwerker, Kaufleute oder Studirende ent¬
weder schon selbständig oder durch ihre Väter
oder durch einen bestimmten, nahe gesteckten Zweck
mit der öffentlichen Wohlfahrt in einem klaren
und sicheren Zusammenhang standen; und wenn
selbst diese Jünglinge sich höchst bescheiden und
still verhielten bei der Ausübung ihres Rechtes,
so mußte ich dies noch weit mehr thun und sogar
von einer gewissen kühlen Schüchternheit befangen
werden, da ich noch gar nicht absah, wie bald
und auf welche Weise ich ein nützliches und wirk¬
sames Glied dieser Gesammtheit werden würde.

verwaltenden und richterlichen Gewalt vor ſich
ging und die Wahlen dazu feſtgeſetzt waren.

Als ich mich aber, hierzu aufgefordert, in
einige Vorverſammlungen und endlich am erſten
Maiſonntage in die Kirche begab, um meine
Stimme abzugeben, fand ich darin nicht jene Er¬
hebung, auf welche ich mich ſchon lange gefreut,
obgleich ich von den immer noch lebensfrohen
Freunden meines Vaters tapfer begruͤßt und auf¬
gemuntert wurde. Ich ſah, daß alle anderen
jungen Leute, die zum erſten Mal hier erſchienen,
als Handwerker, Kaufleute oder Studirende ent¬
weder ſchon ſelbſtaͤndig oder durch ihre Vaͤter
oder durch einen beſtimmten, nahe geſteckten Zweck
mit der oͤffentlichen Wohlfahrt in einem klaren
und ſicheren Zuſammenhang ſtanden; und wenn
ſelbſt dieſe Juͤnglinge ſich hoͤchſt beſcheiden und
ſtill verhielten bei der Ausuͤbung ihres Rechtes,
ſo mußte ich dies noch weit mehr thun und ſogar
von einer gewiſſen kuͤhlen Schuͤchternheit befangen
werden, da ich noch gar nicht abſah, wie bald
und auf welche Weiſe ich ein nuͤtzliches und wirk¬
ſames Glied dieſer Geſammtheit werden wuͤrde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0182" n="172"/>
verwaltenden und richterlichen Gewalt vor &#x017F;ich<lb/>
ging und die Wahlen dazu fe&#x017F;tge&#x017F;etzt waren.</p><lb/>
        <p>Als ich mich aber, hierzu aufgefordert, in<lb/>
einige Vorver&#x017F;ammlungen und endlich am er&#x017F;ten<lb/>
Mai&#x017F;onntage in die Kirche begab, um meine<lb/>
Stimme abzugeben, fand ich darin nicht jene Er¬<lb/>
hebung, auf welche ich mich &#x017F;chon lange gefreut,<lb/>
obgleich ich von den immer noch lebensfrohen<lb/>
Freunden meines Vaters tapfer begru&#x0364;ßt und auf¬<lb/>
gemuntert wurde. Ich &#x017F;ah, daß alle anderen<lb/>
jungen Leute, die zum er&#x017F;ten Mal hier er&#x017F;chienen,<lb/>
als Handwerker, Kaufleute oder Studirende ent¬<lb/>
weder &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;ta&#x0364;ndig oder durch ihre Va&#x0364;ter<lb/>
oder durch einen be&#x017F;timmten, nahe ge&#x017F;teckten Zweck<lb/>
mit der o&#x0364;ffentlichen Wohlfahrt in einem klaren<lb/>
und &#x017F;icheren Zu&#x017F;ammenhang &#x017F;tanden; und wenn<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e Ju&#x0364;nglinge &#x017F;ich ho&#x0364;ch&#x017F;t be&#x017F;cheiden und<lb/>
&#x017F;till verhielten bei der Ausu&#x0364;bung ihres Rechtes,<lb/>
&#x017F;o mußte ich dies noch weit mehr thun und &#x017F;ogar<lb/>
von einer gewi&#x017F;&#x017F;en ku&#x0364;hlen Schu&#x0364;chternheit befangen<lb/>
werden, da ich noch gar nicht ab&#x017F;ah, wie bald<lb/>
und auf welche Wei&#x017F;e ich ein nu&#x0364;tzliches und wirk¬<lb/>
&#x017F;ames Glied die&#x017F;er Ge&#x017F;ammtheit werden wu&#x0364;rde.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0182] verwaltenden und richterlichen Gewalt vor ſich ging und die Wahlen dazu feſtgeſetzt waren. Als ich mich aber, hierzu aufgefordert, in einige Vorverſammlungen und endlich am erſten Maiſonntage in die Kirche begab, um meine Stimme abzugeben, fand ich darin nicht jene Er¬ hebung, auf welche ich mich ſchon lange gefreut, obgleich ich von den immer noch lebensfrohen Freunden meines Vaters tapfer begruͤßt und auf¬ gemuntert wurde. Ich ſah, daß alle anderen jungen Leute, die zum erſten Mal hier erſchienen, als Handwerker, Kaufleute oder Studirende ent¬ weder ſchon ſelbſtaͤndig oder durch ihre Vaͤter oder durch einen beſtimmten, nahe geſteckten Zweck mit der oͤffentlichen Wohlfahrt in einem klaren und ſicheren Zuſammenhang ſtanden; und wenn ſelbſt dieſe Juͤnglinge ſich hoͤchſt beſcheiden und ſtill verhielten bei der Ausuͤbung ihres Rechtes, ſo mußte ich dies noch weit mehr thun und ſogar von einer gewiſſen kuͤhlen Schuͤchternheit befangen werden, da ich noch gar nicht abſah, wie bald und auf welche Weiſe ich ein nuͤtzliches und wirk¬ ſames Glied dieſer Geſammtheit werden wuͤrde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/182
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/182>, abgerufen am 30.04.2024.