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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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was er nicht fühlte noch glaubte, aber es durch
die Energie seines Talentes doch zum Leben zu
bringen, nur um zu malen, dazu war er zu sehr
Philosoph und, so seltsam es klingen mag, zu
wenig Maler.

So schloß er sich nach seiner Rückkehr ab,
malte nur wenig und langsam, und was er malte,
war wie ein Tasten nach der Zukunft, ein Suchen
nach dem ruhevollen Ausdruck des menschlichen
Wesens, in dem Beseligtsein in seiner eigenen
körperlichen Form, sei sie von Lust oder Schmerz
durchdrungen. Er malte am liebsten schöne Wei¬
ber nach der Natur, oder solche männliche Köpfe,
deren Inhaber Geist, Charakter und etwas Erleb¬
niß besaßen. Die wenigen Bilder, welche er
Jahre lang unvollendet und doch mit großem
Reiz übergossen bei sich stehen hatte, enthielten
einzelne oder wenige Figuren in ruhiger Lage,
und zuletzt verfiel er ganz auf einen Kultus der
Persönlichkeit, dessen naive Andacht, verbunden
mit der Ueberlegenheit des Machwerkes, allein
das Lachen der Anderen verhindern konnte. Die¬
ser Kultus, heiße Sinnlichkeit und eine geheim¬

was er nicht fuͤhlte noch glaubte, aber es durch
die Energie ſeines Talentes doch zum Leben zu
bringen, nur um zu malen, dazu war er zu ſehr
Philoſoph und, ſo ſeltſam es klingen mag, zu
wenig Maler.

So ſchloß er ſich nach ſeiner Ruͤckkehr ab,
malte nur wenig und langſam, und was er malte,
war wie ein Taſten nach der Zukunft, ein Suchen
nach dem ruhevollen Ausdruck des menſchlichen
Weſens, in dem Beſeligtſein in ſeiner eigenen
koͤrperlichen Form, ſei ſie von Luſt oder Schmerz
durchdrungen. Er malte am liebſten ſchoͤne Wei¬
ber nach der Natur, oder ſolche maͤnnliche Koͤpfe,
deren Inhaber Geiſt, Charakter und etwas Erleb¬
niß beſaßen. Die wenigen Bilder, welche er
Jahre lang unvollendet und doch mit großem
Reiz uͤbergoſſen bei ſich ſtehen hatte, enthielten
einzelne oder wenige Figuren in ruhiger Lage,
und zuletzt verfiel er ganz auf einen Kultus der
Perſoͤnlichkeit, deſſen naive Andacht, verbunden
mit der Ueberlegenheit des Machwerkes, allein
das Lachen der Anderen verhindern konnte. Die¬
ſer Kultus, heiße Sinnlichkeit und eine geheim¬

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[184/0194] was er nicht fuͤhlte noch glaubte, aber es durch die Energie ſeines Talentes doch zum Leben zu bringen, nur um zu malen, dazu war er zu ſehr Philoſoph und, ſo ſeltſam es klingen mag, zu wenig Maler. So ſchloß er ſich nach ſeiner Ruͤckkehr ab, malte nur wenig und langſam, und was er malte, war wie ein Taſten nach der Zukunft, ein Suchen nach dem ruhevollen Ausdruck des menſchlichen Weſens, in dem Beſeligtſein in ſeiner eigenen koͤrperlichen Form, ſei ſie von Luſt oder Schmerz durchdrungen. Er malte am liebſten ſchoͤne Wei¬ ber nach der Natur, oder ſolche maͤnnliche Koͤpfe, deren Inhaber Geiſt, Charakter und etwas Erleb¬ niß beſaßen. Die wenigen Bilder, welche er Jahre lang unvollendet und doch mit großem Reiz uͤbergoſſen bei ſich ſtehen hatte, enthielten einzelne oder wenige Figuren in ruhiger Lage, und zuletzt verfiel er ganz auf einen Kultus der Perſoͤnlichkeit, deſſen naive Andacht, verbunden mit der Ueberlegenheit des Machwerkes, allein das Lachen der Anderen verhindern konnte. Die¬ ſer Kultus, heiße Sinnlichkeit und eine geheim¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/194>, abgerufen am 30.04.2024.