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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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spieles, sondern als Portrait und so, als ob ein
anachronischer Vandyk den Prinzen in seinen
Staatsgewändern gemalt hatte, ganz jung, blü¬
hend und hoffnungsvoll, und doch mit seinem
ganzen Schicksal schon um Stirn und Augen.
Dieser Hamlet glich ebenfalls stark dem Maler
selbst.

Obgleich im strengsten Styl gehalten, machte
doch einen überwältigenden, verführerischen Ein¬
druck eine Königin, welche, schon von jeder Hülle
entblößt, eben mit dem Fuß in einen klaren Bach
zum Bade tritt und vergessen hat, ihre goldene
Krone vom Haupte zu thun. So trat sie, mit
derselben geschmückt, dem Beschauer gerade ent¬
gegen, jeder Zoll ein majestätisches Weib, aus
einem Lorbeergebüsch hervor, den ruhigen Blick
auf das kühle Wasser gesenkt. Dies Bild, so
gewaltig es war, war doch mit wahrhaft klassi¬
scher Liebe und Kindlichkeit ausgeschmückt und
ausgeführt. Das Beiwerk, die glänzenden Steine
im Bach, die durchsichtigen spielenden Wellen, die
stahlblauen Libellen darüber, die Blumen am
Ufer, die Lorbeerbäumchen und endlich die Wolken

ſpieles, ſondern als Portrait und ſo, als ob ein
anachroniſcher Vandyk den Prinzen in ſeinen
Staatsgewaͤndern gemalt hatte, ganz jung, bluͤ¬
hend und hoffnungsvoll, und doch mit ſeinem
ganzen Schickſal ſchon um Stirn und Augen.
Dieſer Hamlet glich ebenfalls ſtark dem Maler
ſelbſt.

Obgleich im ſtrengſten Styl gehalten, machte
doch einen uͤberwaͤltigenden, verfuͤhreriſchen Ein¬
druck eine Koͤnigin, welche, ſchon von jeder Huͤlle
entbloͤßt, eben mit dem Fuß in einen klaren Bach
zum Bade tritt und vergeſſen hat, ihre goldene
Krone vom Haupte zu thun. So trat ſie, mit
derſelben geſchmuͤckt, dem Beſchauer gerade ent¬
gegen, jeder Zoll ein majeſtaͤtiſches Weib, aus
einem Lorbeergebuͤſch hervor, den ruhigen Blick
auf das kuͤhle Waſſer geſenkt. Dies Bild, ſo
gewaltig es war, war doch mit wahrhaft klaſſi¬
ſcher Liebe und Kindlichkeit ausgeſchmuͤckt und
ausgefuͤhrt. Das Beiwerk, die glaͤnzenden Steine
im Bach, die durchſichtigen ſpielenden Wellen, die
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[186/0196] ſpieles, ſondern als Portrait und ſo, als ob ein anachroniſcher Vandyk den Prinzen in ſeinen Staatsgewaͤndern gemalt hatte, ganz jung, bluͤ¬ hend und hoffnungsvoll, und doch mit ſeinem ganzen Schickſal ſchon um Stirn und Augen. Dieſer Hamlet glich ebenfalls ſtark dem Maler ſelbſt. Obgleich im ſtrengſten Styl gehalten, machte doch einen uͤberwaͤltigenden, verfuͤhreriſchen Ein¬ druck eine Koͤnigin, welche, ſchon von jeder Huͤlle entbloͤßt, eben mit dem Fuß in einen klaren Bach zum Bade tritt und vergeſſen hat, ihre goldene Krone vom Haupte zu thun. So trat ſie, mit derſelben geſchmuͤckt, dem Beſchauer gerade ent¬ gegen, jeder Zoll ein majeſtaͤtiſches Weib, aus einem Lorbeergebuͤſch hervor, den ruhigen Blick auf das kuͤhle Waſſer geſenkt. Dies Bild, ſo gewaltig es war, war doch mit wahrhaft klaſſi¬ ſcher Liebe und Kindlichkeit ausgeſchmuͤckt und ausgefuͤhrt. Das Beiwerk, die glaͤnzenden Steine im Bach, die durchſichtigen ſpielenden Wellen, die ſtahlblauen Libellen daruͤber, die Blumen am Ufer, die Lorbeerbaͤumchen und endlich die Wolken

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/196>, abgerufen am 30.04.2024.