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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Heinrich wurde von seinen beiden Freunden
und anderen Gesellen auch hier der grüne Hein¬
rich genannt, da er sie einst mit diesem Titel
bekannt gemacht, und er trug ihn, wie man ihn
gab, um so lieber, als er seiner grünen Bäume
und seiner hoffnungsvollen Gesinnung wegen den¬
selben wohl zu verdienen schien und sich überdies
heimathlich dadurch berührt fühlte. Uebrigens war
er, wie es einst der unglückliche Römer prophezeit,
richtig in den Hafen der gelehrten und stylisirten
Landschaften eingelaufen und gab sich, indem er
seit seinem Hiersein nicht mehr aus den Mauern
der großen Stadt gekommen, rückhaltlos einem
Spiritualismus hin, welcher seinen grünen, an
den frischen Wald erinnernden Namen fast zu
einem bloßen Symbol machte.

Sobald er die angehäuften Kunstschätze der
Residenz und dasjenige, was von Lebenden täg¬
lich neu ausgestellt wurde, gesehen, auch sich in
den Mappen einiger jungen Leute umgeschaut,
welche aus poetischen Schulen herkamen, ergriff
er sogleich diejenige Richtung, welche sich in rei¬
cher und bedeutungsvoller Erfindung, in mannig¬

Heinrich wurde von ſeinen beiden Freunden
und anderen Geſellen auch hier der gruͤne Hein¬
rich genannt, da er ſie einſt mit dieſem Titel
bekannt gemacht, und er trug ihn, wie man ihn
gab, um ſo lieber, als er ſeiner gruͤnen Baͤume
und ſeiner hoffnungsvollen Geſinnung wegen den¬
ſelben wohl zu verdienen ſchien und ſich uͤberdies
heimathlich dadurch beruͤhrt fuͤhlte. Uebrigens war
er, wie es einſt der ungluͤckliche Roͤmer prophezeit,
richtig in den Hafen der gelehrten und ſtyliſirten
Landſchaften eingelaufen und gab ſich, indem er
ſeit ſeinem Hierſein nicht mehr aus den Mauern
der großen Stadt gekommen, ruͤckhaltlos einem
Spiritualismus hin, welcher ſeinen gruͤnen, an
den friſchen Wald erinnernden Namen faſt zu
einem bloßen Symbol machte.

Sobald er die angehaͤuften Kunſtſchaͤtze der
Reſidenz und dasjenige, was von Lebenden taͤg¬
lich neu ausgeſtellt wurde, geſehen, auch ſich in
den Mappen einiger jungen Leute umgeſchaut,
welche aus poetiſchen Schulen herkamen, ergriff
er ſogleich diejenige Richtung, welche ſich in rei¬
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[192/0202] Heinrich wurde von ſeinen beiden Freunden und anderen Geſellen auch hier der gruͤne Hein¬ rich genannt, da er ſie einſt mit dieſem Titel bekannt gemacht, und er trug ihn, wie man ihn gab, um ſo lieber, als er ſeiner gruͤnen Baͤume und ſeiner hoffnungsvollen Geſinnung wegen den¬ ſelben wohl zu verdienen ſchien und ſich uͤberdies heimathlich dadurch beruͤhrt fuͤhlte. Uebrigens war er, wie es einſt der ungluͤckliche Roͤmer prophezeit, richtig in den Hafen der gelehrten und ſtyliſirten Landſchaften eingelaufen und gab ſich, indem er ſeit ſeinem Hierſein nicht mehr aus den Mauern der großen Stadt gekommen, ruͤckhaltlos einem Spiritualismus hin, welcher ſeinen gruͤnen, an den friſchen Wald erinnernden Namen faſt zu einem bloßen Symbol machte. Sobald er die angehaͤuften Kunſtſchaͤtze der Reſidenz und dasjenige, was von Lebenden taͤg¬ lich neu ausgeſtellt wurde, geſehen, auch ſich in den Mappen einiger jungen Leute umgeſchaut, welche aus poetiſchen Schulen herkamen, ergriff er ſogleich diejenige Richtung, welche ſich in rei¬ cher und bedeutungsvoller Erfindung, in mannig¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/202>, abgerufen am 27.04.2024.