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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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faltigen, sich kreuzenden Linien und Gedanken
bewegt und es vorzieht, eine ideale Natur fort¬
während aus dem Kopfe zu erzeugen, anstatt sich
die tägliche Nahrung aus der einfachen Wirklich¬
keit zu holen.

Der Verfasser dieser Geschichte fühlt sich
hier veranlaßt, sich gewissermaßen zu entschuldigen,
daß er so oft und so lange bei diesen Künstler¬
sachen und Entwickelungen verweilt, und sogar
eine kleine Rechtfertigung zu versuchen. Es ist
nicht seine Absicht, so sehr es scheinen möchte,
einen sogenannten Künstlerroman zu schreiben
und diese oder jene Kunstanschauungen durchzu¬
führen, sondern die vorliegenden Kunstbegeben¬
heiten sind als reine gegebene Facta zu betrachten,
und was das Verweilen bei denselben betrifft,
so hat es allein den Zweck, das menschliche
Verhalten, das moralische Geschick des grünen
Heinrich, und somit das Allgemeine in diesen
scheinbar zu absonderlichen und berufsmäßigen
Dingen zu schildern. Wenn oft die Klage er¬
hoben wird, daß die Helden mancher Romane
sich eigentlich mit Nichts beschäftigen und durch

III. 13

faltigen, ſich kreuzenden Linien und Gedanken
bewegt und es vorzieht, eine ideale Natur fort¬
waͤhrend aus dem Kopfe zu erzeugen, anſtatt ſich
die taͤgliche Nahrung aus der einfachen Wirklich¬
keit zu holen.

Der Verfaſſer dieſer Geſchichte fuͤhlt ſich
hier veranlaßt, ſich gewiſſermaßen zu entſchuldigen,
daß er ſo oft und ſo lange bei dieſen Kuͤnſtler¬
ſachen und Entwickelungen verweilt, und ſogar
eine kleine Rechtfertigung zu verſuchen. Es iſt
nicht ſeine Abſicht, ſo ſehr es ſcheinen moͤchte,
einen ſogenannten Kuͤnſtlerroman zu ſchreiben
und dieſe oder jene Kunſtanſchauungen durchzu¬
fuͤhren, ſondern die vorliegenden Kunſtbegeben¬
heiten ſind als reine gegebene Facta zu betrachten,
und was das Verweilen bei denſelben betrifft,
ſo hat es allein den Zweck, das menſchliche
Verhalten, das moraliſche Geſchick des gruͤnen
Heinrich, und ſomit das Allgemeine in dieſen
ſcheinbar zu abſonderlichen und berufsmaͤßigen
Dingen zu ſchildern. Wenn oft die Klage er¬
hoben wird, daß die Helden mancher Romane
ſich eigentlich mit Nichts beſchaͤftigen und durch

III. 13
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[193/0203] faltigen, ſich kreuzenden Linien und Gedanken bewegt und es vorzieht, eine ideale Natur fort¬ waͤhrend aus dem Kopfe zu erzeugen, anſtatt ſich die taͤgliche Nahrung aus der einfachen Wirklich¬ keit zu holen. Der Verfaſſer dieſer Geſchichte fuͤhlt ſich hier veranlaßt, ſich gewiſſermaßen zu entſchuldigen, daß er ſo oft und ſo lange bei dieſen Kuͤnſtler¬ ſachen und Entwickelungen verweilt, und ſogar eine kleine Rechtfertigung zu verſuchen. Es iſt nicht ſeine Abſicht, ſo ſehr es ſcheinen moͤchte, einen ſogenannten Kuͤnſtlerroman zu ſchreiben und dieſe oder jene Kunſtanſchauungen durchzu¬ fuͤhren, ſondern die vorliegenden Kunſtbegeben¬ heiten ſind als reine gegebene Facta zu betrachten, und was das Verweilen bei denſelben betrifft, ſo hat es allein den Zweck, das menſchliche Verhalten, das moraliſche Geſchick des gruͤnen Heinrich, und ſomit das Allgemeine in dieſen ſcheinbar zu abſonderlichen und berufsmaͤßigen Dingen zu ſchildern. Wenn oft die Klage er¬ hoben wird, daß die Helden mancher Romane ſich eigentlich mit Nichts beſchaͤftigen und durch III. 13

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/203>, abgerufen am 28.04.2024.