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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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wie ein Kenner eine Sache, wenn er in galanten,
eleganten und ausgesuchten, ja frivolen Dingen,
Geräthschaften, Gesprächen und Gebräuchen sich
gefiel, wenn er wirklich auf ein Abenteuer aus¬
ging oder von einem solchen erzählte, so wurde
Heinrich in seiner Gesinnung betroffen und ver¬
legen. Ferdinand besaß ein mit einem Schlosse
versehenes Album, in welches er alle seine Liebes¬
abenteuer in verschiedenen Ländern gezeichnet hatte.
Man erblickte die bald empfindsamen, bald leicht¬
fertigen Schönen in den verschiedensten Lagen,
bald schmollend, zornig, weinend, bald über¬
müthig und zärtlich in Ferdinand's Armen, diesen
aber immer mit der größten Sorgfalt ähnlich
gemacht bis auf die Kleidungsstücke, und nicht
zu seinem Nachtheile, während den zornigen und
schmollenden Schönen durch allerlei Schabernack,
entblößte Waden oder triviale Faltenlagen in
den Gewändern weniger ein Reiz, als ein Anflug
von Lächerlichkeit und Erniedrigung gegeben war.
Dies Buch konnte Heinrich nicht ausstehen; sein
Freund schien ihm darin sich selbst herabgewürdigt
zu haben; aber weit entfernt, mit ihm darüber

wie ein Kenner eine Sache, wenn er in galanten,
eleganten und ausgeſuchten, ja frivolen Dingen,
Geraͤthſchaften, Geſpraͤchen und Gebraͤuchen ſich
gefiel, wenn er wirklich auf ein Abenteuer aus¬
ging oder von einem ſolchen erzaͤhlte, ſo wurde
Heinrich in ſeiner Geſinnung betroffen und ver¬
legen. Ferdinand beſaß ein mit einem Schloſſe
verſehenes Album, in welches er alle ſeine Liebes¬
abenteuer in verſchiedenen Laͤndern gezeichnet hatte.
Man erblickte die bald empfindſamen, bald leicht¬
fertigen Schoͤnen in den verſchiedenſten Lagen,
bald ſchmollend, zornig, weinend, bald uͤber¬
muͤthig und zaͤrtlich in Ferdinand's Armen, dieſen
aber immer mit der groͤßten Sorgfalt aͤhnlich
gemacht bis auf die Kleidungsſtuͤcke, und nicht
zu ſeinem Nachtheile, waͤhrend den zornigen und
ſchmollenden Schoͤnen durch allerlei Schabernack,
entbloͤßte Waden oder triviale Faltenlagen in
den Gewaͤndern weniger ein Reiz, als ein Anflug
von Laͤcherlichkeit und Erniedrigung gegeben war.
Dies Buch konnte Heinrich nicht ausſtehen; ſein
Freund ſchien ihm darin ſich ſelbſt herabgewuͤrdigt
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[204/0214] wie ein Kenner eine Sache, wenn er in galanten, eleganten und ausgeſuchten, ja frivolen Dingen, Geraͤthſchaften, Geſpraͤchen und Gebraͤuchen ſich gefiel, wenn er wirklich auf ein Abenteuer aus¬ ging oder von einem ſolchen erzaͤhlte, ſo wurde Heinrich in ſeiner Geſinnung betroffen und ver¬ legen. Ferdinand beſaß ein mit einem Schloſſe verſehenes Album, in welches er alle ſeine Liebes¬ abenteuer in verſchiedenen Laͤndern gezeichnet hatte. Man erblickte die bald empfindſamen, bald leicht¬ fertigen Schoͤnen in den verſchiedenſten Lagen, bald ſchmollend, zornig, weinend, bald uͤber¬ muͤthig und zaͤrtlich in Ferdinand's Armen, dieſen aber immer mit der groͤßten Sorgfalt aͤhnlich gemacht bis auf die Kleidungsſtuͤcke, und nicht zu ſeinem Nachtheile, waͤhrend den zornigen und ſchmollenden Schoͤnen durch allerlei Schabernack, entbloͤßte Waden oder triviale Faltenlagen in den Gewaͤndern weniger ein Reiz, als ein Anflug von Laͤcherlichkeit und Erniedrigung gegeben war. Dies Buch konnte Heinrich nicht ausſtehen; ſein Freund ſchien ihm darin ſich ſelbſt herabgewuͤrdigt zu haben; aber weit entfernt, mit ihm daruͤber

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/214>, abgerufen am 28.04.2024.