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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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wie ihn sein wackerer Schüler Puschmann be¬
schrieben:

"In dem Saal stund unecket
bedecket
ein Tisch mit seiden grüne,
an selbem saß
ein Alt Mann, was
Grau und weiß, wie ein Daub dermaß,
der hett ein'n großen Bart fürbas;
in ein'm schönen großen Buch las
mit Gold beschlagen schön;"

so verstand der Darsteller doch sein Urbild so
wohl, daß man ihm noch ansah, was Göthe wie¬
der sang:

"Ein holdes Mägdlein sitzend warten
Am Bächlein bei'm Hollunderstrauch;
Mit abgesenktem Haupt und Aug
Sitzt's unter einem Apfelbaum
Und spürt die Welt ringsum sich kaum;
Hat Rosen in ihr'n Schooß gepflückt
Und bindet ein Kränzlein gar geschickt,
Mit hellen Knospen und Blättern drein.
Für wen mag wohl das Kränzel sein. --
-- Wie er den schlanken Leib umfaßt,
Von aller Müh er findet Rast;
Wie er in's runde Aermlein sinkt,
Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt. --
-- So wird die Liebe nimmer alt
Und wird der Dichter nimmer kalt". --

wie ihn ſein wackerer Schuͤler Puſchmann be¬
ſchrieben:

»In dem Saal ſtund unecket
bedecket
ein Tiſch mit ſeiden gruͤne,
an ſelbem ſaß
ein Alt Mann, was
Grau und weiß, wie ein Daub dermaß,
der hett ein'n großen Bart fuͤrbas;
in ein'm ſchoͤnen großen Buch las
mit Gold beſchlagen ſchoͤn;«

ſo verſtand der Darſteller doch ſein Urbild ſo
wohl, daß man ihm noch anſah, was Goͤthe wie¬
der ſang:

»Ein holdes Maͤgdlein ſitzend warten
Am Baͤchlein bei'm Hollunderſtrauch;
Mit abgeſenktem Haupt und Aug
Sitzt's unter einem Apfelbaum
Und ſpuͤrt die Welt ringsum ſich kaum;
Hat Roſen in ihr'n Schooß gepfluͤckt
Und bindet ein Kraͤnzlein gar geſchickt,
Mit hellen Knospen und Blaͤttern drein.
Fuͤr wen mag wohl das Kraͤnzel ſein. —
— Wie er den ſchlanken Leib umfaßt,
Von aller Muͤh er findet Raſt;
Wie er in's runde Aermlein ſinkt,
Neue Lebenstaͤg und Kraͤfte trinkt. —
— So wird die Liebe nimmer alt
Und wird der Dichter nimmer kalt«. —
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[239/0249] wie ihn ſein wackerer Schuͤler Puſchmann be¬ ſchrieben: »In dem Saal ſtund unecket bedecket ein Tiſch mit ſeiden gruͤne, an ſelbem ſaß ein Alt Mann, was Grau und weiß, wie ein Daub dermaß, der hett ein'n großen Bart fuͤrbas; in ein'm ſchoͤnen großen Buch las mit Gold beſchlagen ſchoͤn;« ſo verſtand der Darſteller doch ſein Urbild ſo wohl, daß man ihm noch anſah, was Goͤthe wie¬ der ſang: »Ein holdes Maͤgdlein ſitzend warten Am Baͤchlein bei'm Hollunderſtrauch; Mit abgeſenktem Haupt und Aug Sitzt's unter einem Apfelbaum Und ſpuͤrt die Welt ringsum ſich kaum; Hat Roſen in ihr'n Schooß gepfluͤckt Und bindet ein Kraͤnzlein gar geſchickt, Mit hellen Knospen und Blaͤttern drein. Fuͤr wen mag wohl das Kraͤnzel ſein. — — Wie er den ſchlanken Leib umfaßt, Von aller Muͤh er findet Raſt; Wie er in's runde Aermlein ſinkt, Neue Lebenstaͤg und Kraͤfte trinkt. — — So wird die Liebe nimmer alt Und wird der Dichter nimmer kalt«. —

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/249>, abgerufen am 27.04.2024.