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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Mutter Gottes. Approbirt und zum wirksamen
Gebrauche empfohlen für bedrängte weibliche Her¬
zen durch den hochwürdigsten Herrn Bischof etc.

Dazu war noch eine Gebrauchsanweisung ge¬
fügt, wie viele Ave und andere Sprüche dazwi¬
schen zu beten seien.

Agnes lag auf den Knieen vor dem Altare,
und den Rosenkranz, den sie aus dem Busen ge¬
zogen, um die Hände gebunden, betete sie leise
aber inbrünstig, das Gebet vor sich auf dem
Boden. Wenn sie einige Worte abgelesen hatte,
so schaute sie flehend auf zu dem Marienpüppchen
und bat die göttliche Frau mit heiligem Ernst,
ihr beizustehen in ihrer Bedrängniß und in ihrem
Vorhaben.

Endlich stand sie mit einem großen Seufzer
auf und ging nach dem Weihkessel, in welchen
sie ihre weißen Finger tauchte. Da sah sie Hein¬
rich in die Thür gelehnt, wie er sie unverwandt
betrachtete und an seiner Haltung sah sie, daß
er ein Ketzer sei. Aengstlich tauchte sie den vor¬
handenen Wedel tief in den Kessel, eilte damit
auf Heinrich zu, wusch ihm förmlich das Gesicht

Mutter Gottes. Approbirt und zum wirkſamen
Gebrauche empfohlen fuͤr bedraͤngte weibliche Her¬
zen durch den hochwuͤrdigſten Herrn Biſchof ꝛc.

Dazu war noch eine Gebrauchsanweiſung ge¬
fuͤgt, wie viele Ave und andere Spruͤche dazwi¬
ſchen zu beten ſeien.

Agnes lag auf den Knieen vor dem Altare,
und den Roſenkranz, den ſie aus dem Buſen ge¬
zogen, um die Haͤnde gebunden, betete ſie leiſe
aber inbruͤnſtig, das Gebet vor ſich auf dem
Boden. Wenn ſie einige Worte abgeleſen hatte,
ſo ſchaute ſie flehend auf zu dem Marienpuͤppchen
und bat die goͤttliche Frau mit heiligem Ernſt,
ihr beizuſtehen in ihrer Bedraͤngniß und in ihrem
Vorhaben.

Endlich ſtand ſie mit einem großen Seufzer
auf und ging nach dem Weihkeſſel, in welchen
ſie ihre weißen Finger tauchte. Da ſah ſie Hein¬
rich in die Thuͤr gelehnt, wie er ſie unverwandt
betrachtete und an ſeiner Haltung ſah ſie, daß
er ein Ketzer ſei. Aengſtlich tauchte ſie den vor¬
handenen Wedel tief in den Keſſel, eilte damit
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[315/0325] Mutter Gottes. Approbirt und zum wirkſamen Gebrauche empfohlen fuͤr bedraͤngte weibliche Her¬ zen durch den hochwuͤrdigſten Herrn Biſchof ꝛc. Dazu war noch eine Gebrauchsanweiſung ge¬ fuͤgt, wie viele Ave und andere Spruͤche dazwi¬ ſchen zu beten ſeien. Agnes lag auf den Knieen vor dem Altare, und den Roſenkranz, den ſie aus dem Buſen ge¬ zogen, um die Haͤnde gebunden, betete ſie leiſe aber inbruͤnſtig, das Gebet vor ſich auf dem Boden. Wenn ſie einige Worte abgeleſen hatte, ſo ſchaute ſie flehend auf zu dem Marienpuͤppchen und bat die goͤttliche Frau mit heiligem Ernſt, ihr beizuſtehen in ihrer Bedraͤngniß und in ihrem Vorhaben. Endlich ſtand ſie mit einem großen Seufzer auf und ging nach dem Weihkeſſel, in welchen ſie ihre weißen Finger tauchte. Da ſah ſie Hein¬ rich in die Thuͤr gelehnt, wie er ſie unverwandt betrachtete und an ſeiner Haltung ſah ſie, daß er ein Ketzer ſei. Aengſtlich tauchte ſie den vor¬ handenen Wedel tief in den Keſſel, eilte damit auf Heinrich zu, wuſch ihm foͤrmlich das Geſicht

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/325>, abgerufen am 12.05.2024.