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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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und da der Brasilianer nicht deutsch und nicht viel mehr
englisch oder französisch verstand, als sie, so blieb die
Unterhaltung von selbst in bescheidenen Schranken. Das
Ziel der Fahrt war der neben einem fürstlichen Lustschlosse
liegende Meierhof, wo eine gute Wirthschaft für Stadt¬
leute betrieben wurde und die unbenutzten Räume, die
Rasengründe, Gehölze und Alleen der anstoßenden Gärten
zur Verfügung standen. Nachdem das gemeinschaftliche
Frühstück eingenommen, zerstreute sich die Gesellschaft für
den übrigen Theil des Vormittages zum freien Aus¬
schwärmen und verlor sich nach allen Seiten in den reizen¬
den Gärten. Allein Regine ließ mich keineswegs von
ihrer Seite; immer wußte sie mich für irgend etwas in
Anspruch zu nehmen und herbeizurufen, und da zuletzt
die Absicht offenbar wurde, daß nicht der Südländer,
sondern ich als ihr dienstbarer Geist gelten und genannt
werden sollte, so zog sich der Graf mit der besten Art
von der Welt ein wenig zurück, ohne Aufsehen zu erregen;
er schloß sich anderen Gruppen an, deren Wege die unsrigen
kreuzten, kam zuweilen wieder, um einige artige Worte
zu wechseln und sich abermals zu entfernen, als ob er es
eilig hätte, auch anderswo gewärtig zu sein. Es gab
auch zu thun für ihn; so mußte er einen scheltenden
Gärtner beschwichtigen, als Bienchen aus einem Treib¬
hause schon ein paar prächtige Blumen ohne Weiteres
hervorgeholt hatte, obgleich die freie Luft von Blüthen¬
duft geschwängert war und der Boden von Farben glänzte.

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und da der Braſilianer nicht deutſch und nicht viel mehr
engliſch oder franzöſiſch verſtand, als ſie, ſo blieb die
Unterhaltung von ſelbſt in beſcheidenen Schranken. Das
Ziel der Fahrt war der neben einem fürſtlichen Luſtſchloſſe
liegende Meierhof, wo eine gute Wirthſchaft für Stadt¬
leute betrieben wurde und die unbenutzten Räume, die
Raſengründe, Gehölze und Alleen der anſtoßenden Gärten
zur Verfügung ſtanden. Nachdem das gemeinſchaftliche
Frühſtück eingenommen, zerſtreute ſich die Geſellſchaft für
den übrigen Theil des Vormittages zum freien Aus¬
ſchwärmen und verlor ſich nach allen Seiten in den reizen¬
den Gärten. Allein Regine ließ mich keineswegs von
ihrer Seite; immer wußte ſie mich für irgend etwas in
Anſpruch zu nehmen und herbeizurufen, und da zuletzt
die Abſicht offenbar wurde, daß nicht der Südländer,
ſondern ich als ihr dienſtbarer Geiſt gelten und genannt
werden ſollte, ſo zog ſich der Graf mit der beſten Art
von der Welt ein wenig zurück, ohne Aufſehen zu erregen;
er ſchloß ſich anderen Gruppen an, deren Wege die unſrigen
kreuzten, kam zuweilen wieder, um einige artige Worte
zu wechſeln und ſich abermals zu entfernen, als ob er es
eilig hätte, auch anderswo gewärtig zu ſein. Es gab
auch zu thun für ihn; ſo mußte er einen ſcheltenden
Gärtner beſchwichtigen, als Bienchen aus einem Treib¬
hauſe ſchon ein paar prächtige Blumen ohne Weiteres
hervorgeholt hatte, obgleich die freie Luft von Blüthen¬
duft geſchwängert war und der Boden von Farben glänzte.

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[115/0125] und da der Braſilianer nicht deutſch und nicht viel mehr engliſch oder franzöſiſch verſtand, als ſie, ſo blieb die Unterhaltung von ſelbſt in beſcheidenen Schranken. Das Ziel der Fahrt war der neben einem fürſtlichen Luſtſchloſſe liegende Meierhof, wo eine gute Wirthſchaft für Stadt¬ leute betrieben wurde und die unbenutzten Räume, die Raſengründe, Gehölze und Alleen der anſtoßenden Gärten zur Verfügung ſtanden. Nachdem das gemeinſchaftliche Frühſtück eingenommen, zerſtreute ſich die Geſellſchaft für den übrigen Theil des Vormittages zum freien Aus¬ ſchwärmen und verlor ſich nach allen Seiten in den reizen¬ den Gärten. Allein Regine ließ mich keineswegs von ihrer Seite; immer wußte ſie mich für irgend etwas in Anſpruch zu nehmen und herbeizurufen, und da zuletzt die Abſicht offenbar wurde, daß nicht der Südländer, ſondern ich als ihr dienſtbarer Geiſt gelten und genannt werden ſollte, ſo zog ſich der Graf mit der beſten Art von der Welt ein wenig zurück, ohne Aufſehen zu erregen; er ſchloß ſich anderen Gruppen an, deren Wege die unſrigen kreuzten, kam zuweilen wieder, um einige artige Worte zu wechſeln und ſich abermals zu entfernen, als ob er es eilig hätte, auch anderswo gewärtig zu ſein. Es gab auch zu thun für ihn; ſo mußte er einen ſcheltenden Gärtner beſchwichtigen, als Bienchen aus einem Treib¬ hauſe ſchon ein paar prächtige Blumen ohne Weiteres hervorgeholt hatte, obgleich die freie Luft von Blüthen¬ duft geſchwängert war und der Boden von Farben glänzte. 8*

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/125>, abgerufen am 29.04.2024.