Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Und in der That war von der üppigen Kocherei schon
am nächsten Tage nichts mehr zu verspüren.

Um die Mitte des Monats October kam es zu einer
fast ebenso langen Unterredung, wie die von dem Nelken¬
stock war. Die Baronin machte Brandolf aufmerksam,
daß jeden Tag der Winter eintreten und die Feuerung
in den Oefen nöthig werden könne, und sie fragte, ob er
Holz wolle anfahren lassen und wie viel? Und es kam
ihm vor, als ob sie mit einiger Spannung auf die Ant¬
wort warte, aus welcher sie ersehen konnte, ob er bis
zum Frühjahr zu bleiben gedenke. Er nannte ein so
großes Quantum, daß man alle Oefen der ganzen
Wohnung damit heizen und auch auf dem Herde ein
lustiges Feuer bis in den Mai hinaus unterhalten konnte.
Zugleich übergab er ihr eine Banknote mit der Bitte,
alles Nöthige zu besorgen, den Einkauf und das Klein¬
machen des Holzes; sie nahm die Note und verrichtete
das Geschäft mit aller Sorgfalt und Sachkunde. Es
dauerte auch kaum acht Tage, so fing es an zu schneien,
und jetzt mußte die einsame Wirthin sich öfter sehen
lassen, da sie die drei Oefen ihres Miethsherrn selbst
einfeuerte und mit Holzherbeitragen und allem Andern
genug zu thun hatte. Sie bekam dabei rußige Hände
und ein rauchiges Antlitz und sah bald völlig einem
Aschenbrödel gleich.

Wenn Brandolf aber gehofft, sie werde nicht so dumm
sein und auch ihr eigenes Wohngelaß etwas erwärmen,

Und in der That war von der üppigen Kocherei ſchon
am nächſten Tage nichts mehr zu verſpüren.

Um die Mitte des Monats October kam es zu einer
faſt ebenſo langen Unterredung, wie die von dem Nelken¬
ſtock war. Die Baronin machte Brandolf aufmerkſam,
daß jeden Tag der Winter eintreten und die Feuerung
in den Oefen nöthig werden könne, und ſie fragte, ob er
Holz wolle anfahren laſſen und wie viel? Und es kam
ihm vor, als ob ſie mit einiger Spannung auf die Ant¬
wort warte, aus welcher ſie erſehen konnte, ob er bis
zum Frühjahr zu bleiben gedenke. Er nannte ein ſo
großes Quantum, daß man alle Oefen der ganzen
Wohnung damit heizen und auch auf dem Herde ein
luſtiges Feuer bis in den Mai hinaus unterhalten konnte.
Zugleich übergab er ihr eine Banknote mit der Bitte,
alles Nöthige zu beſorgen, den Einkauf und das Klein¬
machen des Holzes; ſie nahm die Note und verrichtete
das Geſchäft mit aller Sorgfalt und Sachkunde. Es
dauerte auch kaum acht Tage, ſo fing es an zu ſchneien,
und jetzt mußte die einſame Wirthin ſich öfter ſehen
laſſen, da ſie die drei Oefen ihres Miethsherrn ſelbſt
einfeuerte und mit Holzherbeitragen und allem Andern
genug zu thun hatte. Sie bekam dabei rußige Hände
und ein rauchiges Antlitz und ſah bald völlig einem
Aſchenbrödel gleich.

Wenn Brandolf aber gehofft, ſie werde nicht ſo dumm
ſein und auch ihr eigenes Wohngelaß etwas erwärmen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0186" n="176"/>
          <p>Und in der That war von der üppigen Kocherei &#x017F;chon<lb/>
am näch&#x017F;ten Tage nichts mehr zu ver&#x017F;püren.</p><lb/>
          <p>Um die Mitte des Monats October kam es zu einer<lb/>
fa&#x017F;t eben&#x017F;o langen Unterredung, wie die von dem Nelken¬<lb/>
&#x017F;tock war. Die Baronin machte Brandolf aufmerk&#x017F;am,<lb/>
daß jeden Tag der Winter eintreten und die Feuerung<lb/>
in den Oefen nöthig werden könne, und &#x017F;ie fragte, ob er<lb/>
Holz wolle anfahren la&#x017F;&#x017F;en und wie viel? Und es kam<lb/>
ihm vor, als ob &#x017F;ie mit einiger Spannung auf die Ant¬<lb/>
wort warte, aus welcher &#x017F;ie er&#x017F;ehen konnte, ob er bis<lb/>
zum Frühjahr zu bleiben gedenke. Er nannte ein &#x017F;o<lb/>
großes Quantum, daß man alle Oefen der ganzen<lb/>
Wohnung damit heizen und auch auf dem Herde ein<lb/>
lu&#x017F;tiges Feuer bis in den Mai hinaus unterhalten konnte.<lb/>
Zugleich übergab er ihr eine Banknote mit der Bitte,<lb/>
alles Nöthige zu be&#x017F;orgen, den Einkauf und das Klein¬<lb/>
machen des Holzes; &#x017F;ie nahm die Note und verrichtete<lb/>
das Ge&#x017F;chäft mit aller Sorgfalt und Sachkunde. Es<lb/>
dauerte auch kaum acht Tage, &#x017F;o fing es an zu &#x017F;chneien,<lb/>
und jetzt mußte die ein&#x017F;ame Wirthin &#x017F;ich öfter &#x017F;ehen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;ie die drei Oefen ihres Miethsherrn &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
einfeuerte und mit Holzherbeitragen und allem Andern<lb/>
genug zu thun hatte. Sie bekam dabei rußige Hände<lb/>
und ein rauchiges Antlitz und &#x017F;ah bald völlig einem<lb/>
A&#x017F;chenbrödel gleich.</p><lb/>
          <p>Wenn Brandolf aber gehofft, &#x017F;ie werde nicht &#x017F;o dumm<lb/>
&#x017F;ein und auch ihr eigenes Wohngelaß etwas erwärmen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0186] Und in der That war von der üppigen Kocherei ſchon am nächſten Tage nichts mehr zu verſpüren. Um die Mitte des Monats October kam es zu einer faſt ebenſo langen Unterredung, wie die von dem Nelken¬ ſtock war. Die Baronin machte Brandolf aufmerkſam, daß jeden Tag der Winter eintreten und die Feuerung in den Oefen nöthig werden könne, und ſie fragte, ob er Holz wolle anfahren laſſen und wie viel? Und es kam ihm vor, als ob ſie mit einiger Spannung auf die Ant¬ wort warte, aus welcher ſie erſehen konnte, ob er bis zum Frühjahr zu bleiben gedenke. Er nannte ein ſo großes Quantum, daß man alle Oefen der ganzen Wohnung damit heizen und auch auf dem Herde ein luſtiges Feuer bis in den Mai hinaus unterhalten konnte. Zugleich übergab er ihr eine Banknote mit der Bitte, alles Nöthige zu beſorgen, den Einkauf und das Klein¬ machen des Holzes; ſie nahm die Note und verrichtete das Geſchäft mit aller Sorgfalt und Sachkunde. Es dauerte auch kaum acht Tage, ſo fing es an zu ſchneien, und jetzt mußte die einſame Wirthin ſich öfter ſehen laſſen, da ſie die drei Oefen ihres Miethsherrn ſelbſt einfeuerte und mit Holzherbeitragen und allem Andern genug zu thun hatte. Sie bekam dabei rußige Hände und ein rauchiges Antlitz und ſah bald völlig einem Aſchenbrödel gleich. Wenn Brandolf aber gehofft, ſie werde nicht ſo dumm ſein und auch ihr eigenes Wohngelaß etwas erwärmen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/186
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/186>, abgerufen am 28.04.2024.