erfahren, was jener abermals vorzubringen wisse. "Am Ende", fügte sie hinzu, "gerathen Sie noch zu der Ge¬ schichte des heiligen Franz von Assisi, der die Armuth selbst geheirathet hat! Oder Sie sind sogar eine Art Reiseprediger für Verheirathung armer Mädchen? Fangen Sie an!"
"Ohne Verzug!" sagte Reinhart, indem er sich räusperte und begann:
Wir sprechen von dem portugiesischen Seehelden und Staatsmanne Don Salvador Correa de Sa Benavides, der schon in jungen Jahren so thatenreich gewesen, daß er bereits damals den Haß der Neider erfuhr, während die Jugend sonst von diesem Uebel verschont zu bleiben pflegt. Denn ältere Männer müssen schon sehr traurige Gesellen werden, bis sie Jünglinge oder Frauen wegen eines Erfolges beneiden. Den Jünglingen selbst aber ist das Laster meistens noch unbekannt, oder es nimmt in ihnen wenigstens die edlere Gestalt eines fruchtbaren Wetteifers an.
Zu einer solchen Zeit neidischer Verfolgung legte Don Correa den vom Jugendgrün bekleideten Commando¬ stab nieder und stieß den Degen in die Scheide, und um die Muße nicht ganz ungenutzt vorübergehen zu lassen, gedachte er zum ersten Male der Freuden der Liebe und hielt dafür, da es doch einmal sein müsse, es wäre jetzt
erfahren, was jener abermals vorzubringen wiſſe. „Am Ende“, fügte ſie hinzu, „gerathen Sie noch zu der Ge¬ ſchichte des heiligen Franz von Aſſiſi, der die Armuth ſelbſt geheirathet hat! Oder Sie ſind ſogar eine Art Reiſeprediger für Verheirathung armer Mädchen? Fangen Sie an!“
„Ohne Verzug!“ ſagte Reinhart, indem er ſich räuſperte und begann:
Wir ſprechen von dem portugieſiſchen Seehelden und Staatsmanne Don Salvador Correa de Sa Benavides, der ſchon in jungen Jahren ſo thatenreich geweſen, daß er bereits damals den Haß der Neider erfuhr, während die Jugend ſonſt von dieſem Uebel verſchont zu bleiben pflegt. Denn ältere Männer müſſen ſchon ſehr traurige Geſellen werden, bis ſie Jünglinge oder Frauen wegen eines Erfolges beneiden. Den Jünglingen ſelbſt aber iſt das Laſter meiſtens noch unbekannt, oder es nimmt in ihnen wenigſtens die edlere Geſtalt eines fruchtbaren Wetteifers an.
Zu einer ſolchen Zeit neidiſcher Verfolgung legte Don Correa den vom Jugendgrün bekleideten Commando¬ ſtab nieder und ſtieß den Degen in die Scheide, und um die Muße nicht ganz ungenutzt vorübergehen zu laſſen, gedachte er zum erſten Male der Freuden der Liebe und hielt dafür, da es doch einmal ſein müſſe, es wäre jetzt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0277"n="267"/>
erfahren, was jener abermals vorzubringen wiſſe. „Am<lb/>
Ende“, fügte ſie hinzu, „gerathen Sie noch zu der Ge¬<lb/>ſchichte des heiligen Franz von Aſſiſi, der die Armuth<lb/>ſelbſt geheirathet hat! Oder Sie ſind ſogar eine Art<lb/>
Reiſeprediger für Verheirathung armer Mädchen? Fangen<lb/>
Sie an!“</p><lb/><p>„Ohne Verzug!“ſagte Reinhart, indem er ſich räuſperte<lb/>
und begann:</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wir ſprechen von dem portugieſiſchen Seehelden und<lb/>
Staatsmanne Don Salvador Correa de Sa Benavides,<lb/>
der ſchon in jungen Jahren ſo thatenreich geweſen, daß<lb/>
er bereits damals den Haß der Neider erfuhr, während<lb/>
die Jugend ſonſt von dieſem Uebel verſchont zu bleiben<lb/>
pflegt. Denn ältere Männer müſſen ſchon ſehr traurige<lb/>
Geſellen werden, bis ſie Jünglinge oder Frauen wegen<lb/>
eines Erfolges beneiden. Den Jünglingen ſelbſt aber<lb/>
iſt das Laſter meiſtens noch unbekannt, oder es nimmt<lb/>
in ihnen wenigſtens die edlere Geſtalt eines fruchtbaren<lb/>
Wetteifers an.</p><lb/><p>Zu einer ſolchen Zeit neidiſcher Verfolgung legte<lb/>
Don Correa den vom Jugendgrün bekleideten Commando¬<lb/>ſtab nieder und ſtieß den Degen in die Scheide, und um<lb/>
die Muße nicht ganz ungenutzt vorübergehen zu laſſen,<lb/>
gedachte er zum erſten Male der Freuden der Liebe und<lb/>
hielt dafür, da es doch einmal ſein müſſe, es wäre jetzt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[267/0277]
erfahren, was jener abermals vorzubringen wiſſe. „Am
Ende“, fügte ſie hinzu, „gerathen Sie noch zu der Ge¬
ſchichte des heiligen Franz von Aſſiſi, der die Armuth
ſelbſt geheirathet hat! Oder Sie ſind ſogar eine Art
Reiſeprediger für Verheirathung armer Mädchen? Fangen
Sie an!“
„Ohne Verzug!“ ſagte Reinhart, indem er ſich räuſperte
und begann:
Wir ſprechen von dem portugieſiſchen Seehelden und
Staatsmanne Don Salvador Correa de Sa Benavides,
der ſchon in jungen Jahren ſo thatenreich geweſen, daß
er bereits damals den Haß der Neider erfuhr, während
die Jugend ſonſt von dieſem Uebel verſchont zu bleiben
pflegt. Denn ältere Männer müſſen ſchon ſehr traurige
Geſellen werden, bis ſie Jünglinge oder Frauen wegen
eines Erfolges beneiden. Den Jünglingen ſelbſt aber
iſt das Laſter meiſtens noch unbekannt, oder es nimmt
in ihnen wenigſtens die edlere Geſtalt eines fruchtbaren
Wetteifers an.
Zu einer ſolchen Zeit neidiſcher Verfolgung legte
Don Correa den vom Jugendgrün bekleideten Commando¬
ſtab nieder und ſtieß den Degen in die Scheide, und um
die Muße nicht ganz ungenutzt vorübergehen zu laſſen,
gedachte er zum erſten Male der Freuden der Liebe und
hielt dafür, da es doch einmal ſein müſſe, es wäre jetzt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/277>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.